Im Schlaraffenland von Simmering

Wo man bis 15:30 von allem ganz viel essen kann.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe November 2023

Am äußeren Stadtrand des Wiener Arbeiterbezirks Simmering, im Niemandsland zwischen Gartencenter, Tankstelle und Autobahn, befindet sich ein Ort des Überflusses für die Mitte der Gesellschaft: das Al- you-can-eat-Buffet Watertuin. In einer 2.000m² großen Halle mit 900 ausgelasteten Sitzplätzen erstreckt sich das niederländische Restaurant-Franchise, zu deutsch ›Wassergarten‹. Es bietet, laut Auskunft des Lokals, Weltküche und beherbergt, laut Parkplatz, Menschen aus ganz Ostösterreich. Ein Holzpavillon mit Koi-Teich (nicht zum Verzehr geeignet), Pflanzen und Hängelampen geben sich Mühe, Gemütlichkeit auszustrahlen. Doch es ist laut, Stimmen, Familienfeiern und das Zischen von kiloweise Steaks auf riesigen Grills übertönen die Frage des Wohin-mit-sich.

Das Zentrum ist als Schrein des obszönen Hyperhedonismus inszeniert, als Heiliges, das insgesamt hundert Meter lange Buffet voller erwartbar mittelmäßiger Speisen (Sushi, Gulasch, Wok-Station mit Gemüse und Muscheln, Kängurusteak, Gyozas, Zwetschkenkuchen, Frittatensuppe, Pizza, Frühlingsrollen, Pasta, Sprühsahne, Paella, Tintenfischringe, Pudding, frittierte Garnelen, Schokobrunnen, Bier-Tanks). Die Menschen drängen, aber nicht sehr, zu groß ist das Erstaunen über die Auswahl. Einzelne filmen das Buffet, andere sprechen sich selbst Mut zu, dass man das alles schon schaffen wird. Man hat Pläne über die mögliche Anzahl voller Teller, bevor einem schlecht wird (zwei? drei?) und einen inneren Lageplan für kürzere Wege und erste Heimatgefühle angelegt. Und die Gäste wirken zufrieden. Kichernde dicke Männer sitzen in bereitgestellten Massagesesseln. Am Kindertisch nebenan wird ausschließlich Frittiertes konsumiert, bergeweise, es ist Freiheit, es ist Sonntag, einmal Schlaraffenland, Cola bis zum Glasrand. 

Mit dem zweiten Gang ist der oberste Hosenknopf schon offen, ist doch wurscht, hier muss man niemandem etwas vormachen. Es ist ein Ort, an dem die Menschen eins sind mit sich und der Welt, jenseits von gut oder schlecht, wahr oder falsch, weil ›Mehr ist mehr‹ hier jeden Zweifel übertrumpft. Es ist ein Ort, an dem es alles gibt, was man begehren könnte, und nicht nur für jetzt, nicht einmal, nicht zweimal, sondern bis 15:30, wenn das Watertuin wieder schließt. •

Watertuin World Kitchen · Etrichstraße 23 · 1110 Wien

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