In Kiew, 700 Kilometer von der Front entfernt, wird um Nachschub für den Krieg in der Ostukraine gebuhlt. Werbebanner mit verkitschten Kriegsbildern säumen die Straßen und die Rolltreppen hinunter zur U-Bahn. Auf dem Flughafen Kiew-Boryspil werden Meisterwerke der Kunstgeschichte patriotisch überhöht. Delacroix’ ›Die Freiheit führt das Volk‹ über die Julirevolution 1830 ist hier mit ukrainischer statt französischer Fahne versehen, ›Das letzte Abendmahl‹ findet unter ukrainischen Soldaten statt.
Aber die jungen Menschen, die auf der Suche nach einem Abenteuer an die Front ziehen, werden in einem zermürbenden Stellungskrieg verschlissen, ohne Aussicht auf ein Ende. Auf der anderen Seite der Front, in Donezk, reihen sich auf der Intensivstation des Stadtkrankenhauses Betten von jungen Männern aneinander, mit blutigen Stümpfen statt Beinen und Armen. Die Uno schätzt, dass der Krieg bisher 10.000 Menschen das Leben gekostet hat, 2.000 davon waren unbeteiligte Zivilisten.
Der Krieg in der Ostukraine geht in seinen dritten Winter, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den Friedensplan von Minsk überwachen soll, registriert täglich hunderte Verstöße gegen die Waffenruhe. Für die vielen jungen Menschen, die an der 500 Kilometer langen Frontlinie leben, ist der Krieg zum ständigen Begleiter geworden. Sie haben gelernt, Minenfelder zu meiden, wissen, wie Granateneinschläge klingen, wie man Nächte in Schutzkellern übersteht und wann ein Artilleriebeschuss gefährlich nahe kommt. Sie sind als Jugendliche mit Tod, Gewalt und Trauer aufgewachsen. In Europa wächst eine neue Kriegsgeneration heran.
Awdijiwka, ukrainisch kontrolliertes Gebiet, zwei Kilometer von der Front entfernt
Bevor Mascha sich verabschiedet, betet sie. Sie hält die Hände der alten Anna Wassiljewna umklammert. Die 87-jährige wippt ihren Körper vor und zurück wie in einem Wiegelied. Mascha hebt die Stimme: ›Hilf deiner geliebten Tochter zu spüren, dass du für sie da bist. Tröste sie für den Verlust ihres Mannes, ihres Hauses, lieber Gott. Dass ihr Haus endlich repariert werden möge, lieber Gott.‹ Anna Wassiljewna schließt die Augen, als würde sie eintauchen in Maschas Singsang aus Wünschen, Klagen und Bitten.
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