Juristische Nachspiele
DATUM ist im Sommer 20 Jahre alt geworden. Vielleicht erinnern Sie sich noch, wir haben das Jubiläum mit einer dicken Spezialausgabe gefeiert. Darin abgedruckt: 20 Geschichten aus 20 Jahren, die man bis heute – wie wir meinen – mit Freude und Erkenntnisgewinn liest. Warum ich Ihnen das erzähle? Nun ja, eine dieser Geschichten hatte ein gerichtliches Nachspiel, das uns bis kurz vor Drucklegung der vorliegenden Ausgabe beschäftigt hat.
Die juristisch beanstandete Geschichte stammt aus dem Jahr 2010 und trägt den Titel ›Kleider machen Leute‹. Moritz Gottsauner-Wolf (inzwischen Marketing-Chef des Wiener Start-up Jentis) und Florian Skrabal (heute Chefredakteur des Investigativ-Magazins Dossier) gingen damals der Frage nach, was eigentlich mit dem Geld passiert, das der Verein Humana durch den Verkauf von gespendeten Altkleidern verdient. (Spoiler: Es geht darum, wieviel Geld der Österreich-Ableger 2009 der Dachorganisation in der Schweiz und wie wenig er an Hilfsprojekte in Afrika überwies.)
Die Recherche erregte schon nach ihrem ersten Erscheinen das Missfallen von Humana. Über einen Anwalt forderte der Verein die Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Nachdem DATUM unter anderem deshalb ablehnte, weil deren Inhalt den – auf Tonband aufgezeichneten – Aussagen des Vereinskassiers von Humana widersprach, verzichtete der Verein auf weitere juristische Schritte.
14 Jahre später hat Humana Österreich die Wiederveröffentlichung genützt, um es über denselben Anwalt nochmals zu versuchen. Abermals forderte der Verein die Veröffentlichung einer Gegendarstellung, abermals lehnte DATUM ab. Doch diesmal gab Humana nicht klein bei, sondern machte die Drohung wahr, seine Forderung notfalls auch gerichtlich durchzusetzen.
Warum erst jetzt? Warum nicht schon nach dem ersten Erscheinen? Diese Frage stellte der Richter am Wiener Straflandesgericht Ende Oktober auch dem damaligen Kassier von Humana, auf dessen Aussagen die inkriminierten Passagen im Artikel beruhten. DATUM sei ein ›total unbekanntes Magazin‹, habe man sich damals gedacht, sagte der Zeuge laut Standard-Gerichtsreporter Michael Möseneder, der über die Verhandlung eine lesenswerte Reportage geschrieben hat. 14 Jahre später muss Humana entweder die Bekanntheit von DATUM fundamental anders einschätzen – oder darauf gehofft haben, dass die Autoren nicht mehr über alle für den Beleg ihrer Ausführungen notwendigen Unterlagen verfügen.
Wer auch immer von Letzterem ausging, wurde jedoch bald eines Besseren belehrt. Moritz Gottsauner-Wolf barg aus den Untiefen seines Kellers einen USB-Stick, auf dem das 2009 geführte Interview mit dem Humana-Kassier gespeichert war. DATUM-Anwältin Maria Windhager übergab es dem Richter, der es wiederum während der Verhandlung abspielte. Wenig später wies er sowohl den Antrag auf Gegendarstellung als auch auf eine Geldbuße ab, Humana muss laut seinem (bei Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftigem) Urteil auch unsere Anwaltskosten für das Verfahren übernehmen.
Ist das nun ein Beleg dafür, dass Journalisten nichts zu befürchten haben, solange sie nur ordentlich recherchieren (und archivieren)? Das hoffen wir, aber wir wissen es ehrlich gesagt nicht. Denn Humana ist nicht an DATUM, sondern an sich selbst gescheitert. Der Richter hat den Antrag des Vereins aus formalen Gründen abgewiesen: Die begehrte Gegendarstellung liefere keine Klarstellung.
Was wir jedoch wissen, ist Folgendes: Wie viele kritische Medien bekommen wir immer öfter Post von Anwälten. Darauf zu reagieren, kostet Zeit, Geld und Nerven – Ressourcen, an denen es gerade in kleinen, unabhängigen Redaktionen sowieso schon mangelt, so dass bisweilen allein die Androhung juristischer Schritte ausreicht, um kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Dies zu verhindern, ist eines der Ziele der DATUM-Stiftung, die DATUM-Herausgeber Sebastian Loudon im Oktober gegründet hat. Mittelfristig will sie unter anderem unabhängige Journalistinnen und Journalisten bei der Abwehr von Einschüchterungsklagen unterstützen.
Wir werden unsere USB-Sticks auch in Zukunft aufheben. Aber doppelt genäht hält einfach besser. •
Ihre Elisalex Henckel
elisalex.henckel@datum.at