Lang erwartet
Auf Francesca Woodmans Werk bin ich vor vielen Jahren durch Zufall gestoßen. Ich war Teilnehmer eines Schachwettkampfs in den Räumlichkeiten des Verbunds und während meiner Partie immer wieder und immer heftiger abgelenkt von den großformatigen Schwarz-Weiß-Foto-grafien an den Wänden des Spielsaals.
Die Bilder zeigten alle eine junge Frau, in verschiedenen Posen und in Kombination mit verschiedenen Requisiten, meist vor dem Hintergrund pittoresk verfallender Innenräume, über denen eine besondere Aura zu liegen schien. Die Arrangements waren betont einfach, strahlten aber eine ungeheuerliche ästhetische Kraft und Größe aus.
Ich dachte an André Bretons Nadja, an Jean Cocteaus Orpheus und noch an vieles andere, das mir lieb und wichtig ist. Am nächsten Tag besorgte ich mir die einzige deutschsprachige Monografie über Woodmans Werk, das sie in den 1970er-Jahren in nur neun Jahren schuf, bevor sie sich 22-jährig das Leben nahm – und hoffte seither darauf, es möge einmal eine größere Ausstellung ihrer Fotos in Wien geben.
Jetzt gibt es sie, noch bis Anfang Juli können die von der Sammlung Verbund gehaltenen Fotos in der Albertina besichtigt werden. Und was soll ich sagen: Die schwarz-weißen Bilder sind, bald 50 Jahre nach ihrem Entstehen und trotz der kleinformatigen Abzüge, so frisch und lebendig, dass die Welt eine andere ist, nachdem man sie betrachtet hat.
Francesca Woodman
Werke der Sammlung Verbund, bis 6. Juli 2025 in der Albertina, kuratiert von Gabriele Schor