Munira

Warum Kopftuchverbote ein Kampf gegen die Rechte muslimischer Frauen* sind.

DATUM Ausgabe September 2020

Vor Kurzem saß ich in meinem Lieblingscafé, dem ›Kafka‹, und überlegte mir voller Vorfreude ein Konzept für diese Kolumne. Wenn man schon die Möglichkeit und die Plattform bekommt, seine persönlichen Meinungen und Perspektiven in ein Medium wie DATUM einzubringen, um damit den medialen Diskurs prägen zu können, kann man sich ja erst einmal die Fra­ge stellen, worüber man denn gerne schreiben will.

Die Antwort darauf lieferte mir ­Munira, eine gute Freundin, als sie zwei Stunden später im Café ankam. Sie trug wie immer ein Lächeln im Gesicht, doch irgendetwas lag in der Luft. Hinter der fröhlichen Fassade merkte man genau, dass sie etwas zu bedrücken schien. Nach wiederholtem Nachfragen sprach sie Klartext.

Munira erzählte mir von dem Kopftuchverbot an Hochschulen, das von einem Gericht in Belgien erlassen wurde und muslimische Frauen* daran hindert, mit Kopftuch an hö­herer Bildung teilzunehmen. Daraufhin gingen 4.000 Menschen in Brüssel auf die Straße, um für das Selbstbestimmungsrecht muslimischer Frauen* zu demonstrieren. Was in Belgien ­passiert, erfüllt Munira hier in Wien mit Sorge.

In Österreich sind bereits ein Vollverschleierungsverbot und ein Kopftuchverbot für Schülerinnen* bis zum 14. Lebensjahr in Kraft. Und immer wieder wird in den Diskurs geworfen, das Verbot des Kopftuches zu erweitern. Weitere Einschränkungen in Österreich sind also durchaus realistisch. Die Integrations- und Frauenminis­terin Susanne Raab meinte bereits, dass es für sie ein denkbarer nächster Schritt wäre, das Kopftuchverbot auf Lehrer*innen auszuweiten. Dabei wäre es eigentlich ihre Aufgabe, durch antirassistische und feministische Maßnahmen zu einer sozial gerechten Gesellschaft in Österreich beizutragen. Stattdessen fährt sie einen Kurs, der dazu führt, dass marginalisierte Frauen*, die aufgrund ihres kulturell geprägten Auftretens bestimmte Berufe nicht ausüben können und nicht an höherer Bildung teilhaben dürfen, aus der Öffentlichkeit zurück in die Haushalte und die Reproduktions­arbeit gedrängt werden. 

Munira fürchtet sich vor den Folgen. Ihre Sorgen drehen sich nicht nur um gesellschaftliche Fragen, sondern auch um ihre private Lebensrealität. Sie stellt sich die Frage, ob sie ihr Studium in Zukunft abbrechen muss, wenn das Kopftuchverbot auch unsere Hochschulen erreicht. Sie fragt sich, ob sie überhaupt fertig studieren soll, wenn ihr zukünftiger Arbeitsplatz durch ein mögliches Kopftuchverbot gefährdet ist. Wir realisieren als Gesellschaft nicht, dass sich die Frage um die ›Befreiung‹ der scheinbar ›unterdrückten‹ Muslim*­innen auf genau dieses Problem herunterbrechen lässt.

Die Sorgen von Munira und die ganz vieler anderer Menschen, die nicht als autochthone Österreicher*innen gesehen werden, finden in unserer Gesellschaft keinen Platz. Und wir sind wütend. Wütend, weil lieber eine Dokumentationsstelle gegen den sogenannten politischen Islam eingerichtet wird, anstatt Chancengleichheit für Mus­lim*innen zu schaffen. Wütend, weil Muslim*innen sich enorm viel öf­ter bewerben müssen, um ­überhaupt zu Bewerbungsgesprächen eingeladen zu werden. Wütend, weil nicht mit uns, sondern lieber über uns gesprochen wird. Doch damit mit uns gesprochen wird, muss uns der Raum dafür gegeben werden.

Marginalisierte Personen bekommen nur selten die Öffentlichkeit in den Medien, die ihnen zustehen würde. Daher weichen sie oft auf Soziale Medien aus, wo sie sich eigene Plattformen schaffen können. Ich freue mich über die Möglichkeit, die mir diese Kolumne bietet und hoffe, dass viel mehr Black and People of Color ihren Platz in der Medienlandschaft finden, damit die Inhalte und der Diskurs so vielfältig und bunt werden, wie unsere Gesellschaft aussieht.