Ramadan, Corona und ich
Das Fest der Familie und Freunde – allein in den eigenen vier Wänden.
Draußen 45 Grad Celsius, Dattelpalmen und Straßenfeste – so habe ich meinen ersten Ramadan mit 15 im Sudan verbracht. Es war nicht der erste überhaupt, sondern der erste, bei dem ich selbst durchgefastet habe. Täglich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Und darauf war ich sehr stolz. Ich hatte ja auch lange darauf hingearbeitet.
Schon als Kinder wollten meine ältere Schwester Nahla und ich es unseren Eltern gleichtun. Solange ich denken kann, haben wir zwei jeden Ramadan › mitgespielt ‹. Wir haben in der Früh mit dem Fasten begonnen, das dann halt vom Frühstück unterbrochen wurde. Dann fasteten wir selbstbewusst und unbeirrt bis zum Mittagessen weiter. Von Jahr zu Jahr haben wir uns Stück für Stück dem Fasten angenähert, mal bis Mittag, dann bis in den Nachmittag hinein, und wenn der Tag zu lang wurde oder wir uns am Spielplatz zu sehr verausgabt hatten, waren Manner-Schnitten immer noch eine legitime Option. Im Nachhinein betrachtet, haben Nahla und ich wirklich absurde Dinge getan, wie um die Wette zu beten, oder uns gegenseitig auf Gebetsteppichen durch die Wohnung zu ziehen und Aladdin zu spielen.
An all diese Dinge denke ich nostalgisch zurück, während ich in meiner Einzimmerwohnung in Wien-Landstraße sitze und den mittlerweile zweiten Ramadan im Lockdown verbringe. Eigentlich wird Ramadan groß gefeiert ! Nicht nur das Zuckerfest am Ende des Monats, sondern jedes Fastenbrechen, auch Iftar genannt, wird zelebriert. Selbst als ich noch zu Hause bei meinen Eltern gewohnt habe, ging es sich mit der Arbeit, der Schule, Hobbys und Freund*innen nie aus, immer zum Essen zusammenzukommen. Im Ramadan hingegen sitzt man täglich mit der Familie und Freunden an einem Tisch, bricht gemeinsam das Fasten und verbringt eine nette Zeit miteinander – wie ausgiebig dabei gefeiert wird, merke ich jedes Jahr erst später auf der Waage !
Letztes Jahr, während des ersten Lockdowns, versuchte ich krampfhaft, mich in Ramadan-Stimmung zu versetzen – es gab kein Lied, das ich nicht gehört, keine Laterne die ich nicht gebastelt und keine Girlande, die ich nicht aufgehängt hätte ! Es war der erste Ramadan in meiner eigenen Wohnung, und ich hatte mich darauf eingestellt, die Tradition meiner Familie weiterzuführen, viele Menschen zum Essen einzuladen und meine kleine Wohnung mit viel Liebe und Wärme zu füllen !
Jetzt, wo all das schon zum zweiten Mal nicht möglich ist, fühle ich mich überraschenderweise dennoch sehr mit Ramadan verbunden – auf spiritueller Ebene. Das Konzept des Ramadans ist eigentlich ganz simpel : Es geht darum, einen Monat lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nicht zu essen, nicht zu trinken und auf sexuelle Handlungen zu verzichten, um sich in Enthaltsamkeit zu üben. Diese drei Dinge krieg ich hin. Meinem gewohnten sozialen Umfeld zu entsagen und mich mit mir selbst auseinandersetzen zu müssen, ist da schon eine andere Herausforderung.
Während dieser Pandemie, so kommt mir vor, brennt mittlerweile auch der stabilsten Person hin und wieder eine Sicherung durch. Die Einschränkungen sind enorm, auch in der Ausübung von Religion. Ob Ostern, Pessach oder Ramadan – in den eigenen vier Wänden ist es nicht dasselbe. Doch auch abseits der Religion gibt es einen Messias, und daher gilt es jetzt einmal auf unseren Heiland Sebastian Kurz zu hoffen und zu beten, dass er in den nächsten, entscheidenden Wochen jene Entscheidungen trifft, die dazu führen, dass wir möglichst bald wieder gemeinsam Feste feiern können. Ramadan Mubarak ! •
Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:
Bei Austria-Kiosk kaufen