›Unser Kanzler‹

An Helmut Kohl erinnern sich in Österreich sehr viele sehr gerne. Woran liegt das? Eine Spurensuche am Ufer des Wolfgangsees.

DATUM Ausgabe September 2021

Würde Helmut Kohl noch leben, dann dürfte er im Altersheim in St. Gilgen residieren. Denn der einstige Bundeskanzler Deutschlands ist seit 1985 Ehrenbürger der Gemeinde am Wolfgangsee und damit, so besagt es die Gepflogenheit, geht ein kostenloser Fixplatz im Heim einher. An guten Tagen würde Kohl vielleicht von jemandem im Rollstuhl bis zum Seeufer gefahren werden, an schlechten würde er womöglich nur aus dem Fenster schauen. In jedem Fall aber gäbe es viele Menschen, die ihn besuchen kämen – und Franz Mayrhofer wäre einer davon.

Vier Jahrzehnte lang betrieb Mayrhofer mit Gattin Sylvia die Café-Konditorei Dallmann im Ortszentrum von St. Gilgen. › Altkanzler Kohl kehrte während seiner Urlaube in St. Gilgen gerne und oft bei uns ein ‹, erzählt er, und zwar schon lange bevor ihm Franz Mayrhofer mit seiner Kanzlertorte ein schokola­diges Denkmal setzte. Zahlreiche Fotos und Zeitungsartikel dieser Zeit bestätigen das, sie kleben allesamt in dem Album, das der 74-Jährige mitgebracht hat.

Jahrhundertpolitiker, Europa-Visionär, Kanzler der Einheit – wer Helmut Kohl beschreibt, kann aus einer ganzen Reihe hochtrabender Begriffe wählen. Am Wolfgangsee war er vor allem eines, nämlich Gast. 30 Jahre verbrachten Kohl und seine erste Frau Hannelore je vier Sommerwochen hier, eine Zeit lang kamen auch die beiden Söhne mit. In den Anfangsjahren kamen sie in St. Wolfgang unter, später im immerselben Haus mit Seezugang in St. Gilgen, wohl behütet von drei Bergen namens Plombergstein, Obenauerstein und Mitterstein – der Sage nach drei Brüder, welche auf der Suche nach dem schönsten Fleck der Erde waren und hier angesichts des prachtvollen Wolfgangsees zu Fels erstarrten.

Helmut Kohl war von 1982 bis 1998 deutscher Bundeskanzler, 16 Jahre lang. Franz Mayrhofer hat seine politischen Meilensteine stets mit einer Torte gewürdigt: Jene zur deutschen Einheit war verziert mit sich annähernden Umrissen von Ost- und Westdeutschland, geformt aus schwarz-rot-goldenem Zuckerguss. › Das war schon eine Ära ‹, sagt eine Frau, die neben Mayrhofer Platz nimmt und einen Kaffee bestellt. Sie ist nicht die erste, die sich zufällig zum Gespräch gesellt, und auch nicht die letzte. Im Laufe des Vormittags kommen und gehen eine Hand voll Ortsansässige, und sie alle hinterlassen ihre eigene Kohl-Anekdote.

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