›Was soll diese bescheuerte Tankstelle ?‹

Das Interesse an Kunst im öffentlichen Raum ist seit vergangenem Jahr stark gestiegen. Ein besonders auffälliges Projekt entsteht gerade im Atelier der deutschen Künstlerin Toni Schmale.

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Fotografie:
Markus Krottendorfer
DATUM Ausgabe April 2021

In Wien kann man sich – Lockdown hin oder her – ab Mai an der neuen Tanke 24  / 7 im Stefan-Weber-Park am Gürtel treffen. Dort gibt es zwar weder Benzin noch Bier, aber da-
für viel Anregung zum Gespräch. Das ist das erklärte Ziel der deutschen Künst­lerin Toni Schmale, die dieses Projekt im öffentlichen Raum gestaltet hat. › Ich wünsche mir, dass das Ding an diesem Ort lebt. Dass es ein Angebot für Menschen schafft. Auch wenn sie nur denken : Was soll diese bescheuerte Tankstelle ? Es soll zum Gespräch an­­re­gen. ‹

Die ›Tanke ‹ ist das neueste in einer Reihe von Kunstprojekten, die in diesem Jahr den öffentlichen Raum in Wien ­beleben; seit 2020 wurden über zwanzig temporäre und permanente Werke auf die Straße gestellt. Sie werden verstärkt wahrgenommen in einer Zeit, in der das Draußen der einzig sichere Treffpunkt für soziale Kontakte außerhalb des ei­genen Haushalts ist.

Auch Schmale geht es nicht anders : › Ich bin viel draußen mit Freund*innen unterwegs. Wie die Museen zu waren, ha­­ben wir uns eben Kirchen angeschaut. Das war eine Möglichkeit, Architektur, Skulpturen, Malerei und Mosaike genauer anzusehen.‹ Gesteigertes Interesse an öffentlich zugänglicher Kunst stellt auch Martina Taig, Geschäftsführerin des KÖR, fest. Die Institution KÖR, › Kunst im öffent­lichen Raum ‹ der Stadt Wien belebt diesen mit künstlerischen Projekten. Der Anstoß zum aktuellen Projekt kam vom Bezirk, der den kleinen Park ein­la­den­der gestalten wollte und sich ans KÖR wandte, wo man ein jährliches Budget von 600.000 Euro zur Verfügung hat. Gemeinsam mit dem Bezirk finanzierte man die Tanke 24 / 7, nachdem Schmales Idee bei einem Wettbewerb überzeugt hatte.

› Grundvoraussetzung für ein Projekt ist, dass es für alle kostenfrei im öffentlichen Raum zugänglich ist. Und es soll eine künstlerische Position präsentiert werden, die sich mit der aktuellen Situation der Stadt und ihren Menschen auseinandersetzt ‹, sagt Taig. So setzte sich Toni Schmale auf eine Bank mitten in den verkehrsumtosten kleinen Rasenstreifen von 20 mal fünf Metern, der sich etwas hochtrabend ­Stefan-Weber-Park nennt, in Erinner­ung an den Gründer und Frontmann der Band Drahdiwaberl. Liebe auf den ersten Blick war es nicht . › Zuerst dachte ich : Was soll ich an dem Ort bitte machen – das ist der Wahnsinn. Diese irre Lautstärke, die ­vorbeirasenden Autos, alles so extrem trostlos. Eigentlich kann man da nur Lärmschutzwände bauen. ‹

Sie beobachtete Obdachlose, die auf dem Streifen schliefen, und Menschen, die auf dem Weg von und zur U-Bahn waren. Sie blickte auf das Neunerhaus und die Gemeindebauten, den Fußballkäfig mit dem Schriftzug › freedom ‹, die eingezäunte Hundezone ohne Hunde, auf Personen, die dort Kaffee oder Drogen konsumierten. Sie dachte an Stefan Weber, den Künstler, Freigeist und A­nar­chisten. › Ich habe versucht, die Menschen an diesem Ort und den Ort selbst zu beobachten. Was kann eine Skulptur hier machen ? ‹

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