Wie es ist … Fake News auf Tiktok aufzudecken
Der Faktencheck ist grundlegender Teil des Journalismus. Für jeden Text oder Beitrag müssen wir auf die eine oder andere Art Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Für mich als hauptberufliche Faktencheckerin ist das aber nicht mehr bloß Teil der Recherche, sondern die eigentliche Geschichte, die wir erzählen.
Ich arbeite als Chefredakteurin beim Medien-Startup Bait. Wir checken Inhalte auf Tiktok und veröffentlichen unsere Recherchen auch dort. Das hat einen Vor- und einen Nachteil: Herkömmliche Faktenchecks auf Webseiten haben oft das Problem, dass sie von den Menschen konsumiert werden, die sich ohnehin gut informieren, und nicht von denjenigen, die auf Fake News hereinfallen. Auf Tiktok erreichen wir auch viele Menschen, die uns gar nicht folgen, weil der Algorithmus anders funktioniert. Derselbe Algorithmus sorgt aber auch dafür, dass unzählige Falschnachrichten in die Feeds von Jugendlichen gespielt werden – und ob wir dazwischen einen Platz bekommen, ist kaum kontrollierbar. Mit einem Video erreichen wir so einmal 500 Menschen und dann wieder über eine Million.
Manche ›Fakes‹ sind mit einem Anruf aufgespürt. Vor Kurzem gab es zum Beispiel das Gerücht, dass am Salzburger Flughafen ein eigener Schalter für Personen existiert, die versehentlich nach ›Austria‹ anstatt ›Australia‹ geflogen sind. Das war schnell geklärt.
Andere Recherchen brauchen mehr Zeit und technische Tricks. Wir suchen Bilder rückwärts, sprechen mit Experten oder recherchieren via Satellitenbilder und Google-Street-View Informationen wie Firmen- oder Straßennamen, um Bildmaterial zu verifizieren.
Ich habe zum Beispiel vor Kurzem ein Video zu den Bränden auf Hawaii gecheckt. Auf Tiktok behaupteten Leute, dass ›Energiewaffen‹ diese Feuer ausgelöst hätten. Dazu gab es verschiedene Videos von den angeblichen Strahlen der Waffen. Bei einem ›Strahl‹ handelte es sich aber eigentlich um einen Raketenstart, der mit Langzeitbelichtung fotografiert wurde. Mit der Bilderrückwärtssuche konnte ich die Originalaufnahmen finden und so Kontext liefern.
Manchmal stoßen aber auch Journalisten an ihre Grenzen und verbreiten selbst Informationen, die sich später als unbelegt herausstellen. Nach dem Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza meldeten zahlreiche Medien, dass Israel dafür verantwortlich gewesen sei. Das schadet der Glaubwürdigkeit. Aber Redaktionen stehen unter Druck, immer schneller Antworten liefern zu müssen. Und ohne Journalisten vor Ort sind solche Informationen oft schwer überprüfbar. Dazu kommt, dass vor allem junge Leute beim Thema Israel und Palästina wenig gefestigtes Wissen, aber großes Interesse haben. Das ist der perfekte Nährboden für Desinformation. Tiktok verstärkt diese Dynamik, denn sobald man an einem Thema Interesse zeigt, sieht man immer mehr darüber.
So sehr wir alle versuchen, mit diesem Tempo mitzuhalten: Die Realität ist, dass wir manchmal ein paar Stunden, vielleicht sogar Tage warten müssen, bevor wir gesicherte Informationen bekommen. Das ist oft frustrierend, tut der Wahrheit aber sehr gut. •
Zur Person: Ines Holzmüller (32) ist seit Ende 2022 Chefredakteurin des Faktencheck-Kanals Bait. Auf Tiktok decken die Journalistin und ihr Team Falschnachrichten auf. Zuvor hat Holzmüller das Faktencheck-Ressort ›faktiv‹ des Wochenmagazins Profil mitaufgebaut.