Wie es ist … jungen Menschen das Club-Gründen beizubringen

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Fotografie:
Marie Staggat
DATUM Ausgabe Dezember 2023/Jänner 2024

Die Idee, jungen Menschen zu helfen, ihren eigenen Treffpunkt mit wechselndem Programm zu entwickeln, trage ich schon lange in meinem Kopf mit mir rum. Ich komme selbst aus der Provinz. Ein kleines Dörfchen in Westfalen. Wir hatten nichts, wurden nur auf Schützenfest, Prozession und Fußballverein programmiert. Für mich war es ein langer Weg aus dieser Welt, der mich letztendlich nach Berlin führte. Hier habe ich vor mehr als 30 Jahren den Club Tresor gegründet, den ich bis heute führe.

Damals musste ich das Club-Business auf die harte Tour lernen. Ausbildungen gab es keine. Ich arbeitete neben meinem Studium als Aufbauhelfer oder gab Nachhilfestunden. Bis zum Kern dieses Geschäfts vorzudringen, war aber eine jahrelange Arbeit, die auch vom Scheitern begleitet war. Mit der ›Academy of Subcultural Understanding‹  möchte ich jungen Leuten genau diesen Weg ersparen und die Möglichkeit bieten, ihre Visionen umzusetzen, ohne all die Fehler zu begehen, die ich machen musste. Viele wissen zwar, was sie machen wollen, aber nicht wie.

Mit Februar des kommenden Jahres bilden ein kleines Team und ich deshalb sechs junge Menschen im Alter zwischen 21 und 35 darin aus, kuratierte Orte zu schaffen und nachhaltig zu betreiben. Ob die Studenten dann eine Galerie eröffnen, ein veganes Restaurant oder einen Club, das bleibt ihnen überlassen.

Lernen werden sie allerdings in der Berliner Nachtszene. Das bedeutet, jeden Bereich zu erfahren: An der Kasse stehen, im Awareness-Team arbeiten oder einfach Flaschen sortieren. Um zu verstehen, wie ein Club funktioniert, reicht es nicht, Künstler zu buchen und Miete zu zahlen – wobei wir auch die wirtschaftliche Seite lehren. Was wir ihnen mitgeben, ist eine Art Club-Führerschein. Das bedeutet, eigene Veranstaltungen wirtschaftlich gut geplant und selbst zu organisieren.

Wenn sie nach 13 Wochen mit ihrer Ausbildung fertig sind, sollten sie zurück in die Heimatstädte, um dort ihre Visionen auch in die Tat umzusetzen. In Berlin haben wir schon zu viele kreative Köpfe. Das ist auch der Hintergrund dieses­ ­Projekts. In kleinen Städten existieren kaum noch Orte, um die kreativsten Köpfe dort zu halten. Unser Angebot ist also nicht nur eine Frage des Party-Machens, sondern vielmehr eine Antwort, womit man Jugendliche in der Gemeinde halten kann. Das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, ist im Grunde ausgestorben. Erst wenn kleinere Städte am Land verstehen, dass sie Subkultur zulassen müssen, um für junge Menschen attraktiv zu bleiben, werden sie überleben. 

Ob unsere Ausgebildeten auch wirklich wieder aufs Land zurückkehren, kann ich nicht kontrollieren. Ich bin unter den 40 Bewerbern aber durchaus in der Lage, einzuschätzen, wer es ernst meint. Und im Gegenzug für ihre Rückkehr aufs Land bin ich bereit, bei der zuständigen Bürgermeisterin oder Landrätin anzuläuten, um zu sagen: Unterstütze diese Person, wenn dir deine Stadt wichtig ist. Nur so werdet ihr wachsen, anstatt zu schrumpfen. •

Dimitri Hegemann (69) ist deutscher Kulturmanager und Gründer des Berliner Clubs Tresor.
Die ›Academy of Subcultural Understanding‹ finanziert sich aus Geldern der Tresor Stiftung und der Initiative Musik. Sponsoring dafür kommt zum Beispiel aus der Getränkebranche. 2024 ist die Akademie noch kostenlos, nach dem ersten Durchgang müssen Teilnehmer dann eine Gebühr bezahlen.

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