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Wie es ist … mit Parkour Strom zu sparen

DATUM Ausgabe November 2022

Ich war schon als Kind recht sportlich. Lange Zeit ging ich regelmäßig schwimmen, dann fing ich an zu laufen. Mit 14 entdeckte ich schließlich Parkour als Sportart für mich. Parkour, das ist im Grunde eine Fortbewegungsart, bei der ich nur mit meiner eigenen Körperkraft und so effizient wie möglich von einem Punkt zum anderen gelange. Das bedeutet Laufen, Klettern und Springen in allen Formen und vor allem in der Stadt. Eine Art Turnen, nur nicht auf Recks oder ­Seilen, sondern auf dem, was Architekten uns vor die Füße gestellt haben.

Den meisten meiner heutigen Freunde haben Bekannte oder andere Sportler Parkour gezeigt und beigebracht. Bei mir war das ganz anders. Ich stamme aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Paris. Eine große Hauswand trennte mich vom Ortskern. Irgendwann beschloss ich, Zeit zu sparen und begann, über ebendiese Wand zu ­klettern. Ich wusste damals natürlich nicht, dass das im Grunde Parkour auf einem niedrigeren Level war. Mittlerweile kann ich dieselbe Wand so überspringen, dass ich mich nur mit einem Arm ­abstütze. Auch das hat rein praktische Gründe, denn in der anderen Hand trage ich meistens mein Skateboard.

Ich begeisterte mich also immer mehr für Parkour, begann auf Dächern zu klettern. Letzteres geht eigentlich nur in großen Städten wie Paris. Als ich wieder einmal dort war und neue Routen aus­probierte, traf ich auf eine Gruppe junger Typen, die exakt dasselbe machten wie ich. Das waren die Burschen von ›On The Spot Parkour‹. Immer wieder liefen wir uns über den Weg. Mittlerweile bin ich Teil des Kollektivs.

Meistens sind wir in ­größeren Gruppen unterwegs. Mal drei Leute, mal zehn.­ ­Zusammen Parkour zu machen, ist aus zwei Gründen recht praktisch. Auf der einen Seite geht es um Motivation. Wenn ich von einem Dach zum anderen springe und mich 20 Meter vom Boden trennen, schaltet sich recht schnell das Gehirn ein und sagt: ›Bist du wahn­sinnig? Mach das nicht.‹

Allein gebe ich diesem Instinkt leichter nach, als wenn mich drei Freunde anfeuern. ­Natürlich wird niemand zu etwas gezwungen. Schwer verletzt habe ich mich abgesehen von Prellungen auch noch nicht. Aber wenn ich etwas kann und es mich schlichtweg nicht traue, dann hilft es, ­Menschen um mich zu haben, die an mich glauben.

Der zweite Punkt, warum wir in Gruppen unterwegs sind, ist das Filmen unserer Routen. Besonders bildstark ist das zum Beispiel bei riskant aussehenden Sprüngen von Haus zu Haus. Viral gingen wir aber mit dem recht unspektakulären Abschalten von Reklametafeln und Shop-Beleuchtungen. Neben den Leuchten sind kleine Schalter in einer Höhe von etwa fünf Meter ­befestigt. Als ich das gesehen hatte, kam mir die Idee, dort hinaufzuklettern. Zuerst machten wir das, weil es witzig war. Der sportliche Reiz stand und steht da im Vordergrund. Die Polizei sieht das ähnlich, denn sie stört es auch nicht. 

Wir sind jedenfalls keine Aktivisten oder gar Öko-Terroristen. Aber mit unserer Leidenschaft können wir helfen, die Energiekrise im Kleinen zu bekämpfen. Klar ist das nicht viel, und trotzdem so naheliegend. Denn es ist in meinen Augen logisch, dass in einer leeren Straße um 23 Uhr kein Geschäft beleuchtet werden muss. Deswegen werden wir damit weitermachen.

Hadj Benhalima (21)
lebt in Frankreich und verbringt einen Großteil seiner Zeit als Parkour-Athlet in Paris. Er ist Teil des ›On The Spot Parkour‹-Kollektivs, das im Internet Popularität erlangte. Sie klettern oder springen nachts auf Hauswände, um die Beleuchtung von Geschäften abzudrehen.