Wieder wild
Wisente wurden vor knapp hundert Jahren fast vollständig ausgerottet. Bis heute laufen aufwendige Zucht- und Auswilderungsprogramme. Warum das nicht nur für die Rinderart gut ist, sondern auch für Artenvielfalt und Klima.
Staub wirbelt auf, als Peter Nitschke mit seinem Geländewagen über den holprigen Weg rollt. Eine dunkle Schicht legt sich auf den weißen Nissan. Nitschke steuert geradewegs auf ein breites Stahltor zu. Direkt dahinter versperren ein zweites Tor und ein Elektrozaun den Weg. Der doppelte Zaun umgrenzt hier mitten in Brandenburg ein riesiges Gebiet von fast 2.000 Hektar Größe, auf dem einst Sprengkörper explodierten, Panzer rollten und mit scharfer Munition geschossen wurde. Heute soll der Zaun wild lebende Tiere drinnen halten – und Menschen draußen.
Nitschke stoppt den Wagen, setzt seine Sonnenbrille auf und steigt aus. Der gelernte Forstingenieur geht auf den ersten Blick als Naturschützer durch: weiße, kurze Haare, Halskette, zwei Ringe im linken Ohr, dunkelgrünes T-Shirt mit der Aufschrift ›HYGGE‹ und Raucher. Filterlos, versteht sich. Nitschke ist Leiter der Döberitzer Heide, früher Truppenübungsplatz, heute großes Naturschutzgebiet der Heinz-Sielmann-Stiftung, direkt vor der Westgrenze Berlins. Die Kernzone ist streng abgeriegelt, niemand ohne Schlüssel hat Zutritt. Nitschke öffnet das Schloss am ersten Stahltor und zieht es auf, danach das zweite Tor, und schließlich hängt er die quer gespannten, spiralförmigen Drähte, durch die der Strom fließt, aus ihrer Halterung. Auch Nitschke betritt die Kernzone selten, heute aber will er eine Kontrollfahrt machen – und er hofft, etwas zeigen zu können, was weltweit eine große Seltenheit geworden ist: eine Herde von Wisenten, der größten Säugetierart Europas.
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