›Wir leiden an Größenwahn und Komplexen‹
WIFO-Chef Gabriel Felbermayr über die Zukunft der Handelsbeziehungen zwischen Europa und den USA, die Schwächen der EU und den schleichenden Machtverlust des Dollars als Weltwährung.
Am 5. November wählen die USA einen Präsidenten oder eine Präsidentin – eine Wahl mit weitreichenden wirtschaftspolitischen Folgen für Europa und Österreich. Die USA sind der zweitwichtigste Exportmarkt österreichischer Unternehmen – außerhalb der EU überhaupt der größte. Wird diesem Umstand in der heimischen Wirtschaftspolitik Rechnung getragen?
Gabriel Felbermayr: Eigentlich nicht. Erinnern Sie sich nur an die Diskussion um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP – da war gerade in Österreich die Stimmung besonders feindselig, und auch die Politik hat sich viel zu wenig für das Abkommen eingesetzt. Es wurden groteske Feindbilder geschaffen, wie das berühmte Chlorhuhn. Dem wurde nichts entgegengesetzt, oder viel zu zaghaft. Und irgendwann ist dann den Franzosen, den Deutschen und schließlich auch den USA die Energie für weitere Verhandlungen ausgegangen. Jetzt, zehn Jahre später, in einer Welt, die sich für Europa als Wirtschaftsraum deutlich unfreundlicher darstellt, steht fest: Dieses Abkommen wäre in vielerlei Hinsicht vorteilhaft für uns gewesen und hätte uns auch einen gewissen Schutz vor Trumps handelspolitischen Angriffen geboten.
Bevor wir über Trump sprechen: Woher kommt die breite Ablehnung, die teilweise in seltsamen Allianzen artikuliert wird?
Es sind in der Tat breite Allianzen aus Boulevardmedien, Umweltschützern, aber auch Kirchen, Gewerkschaften und globalisierungskritischen Organisationen jeglicher Art. Dabei ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada ein großer Erfolg, obwohl es noch nicht einmal voll in Kraft ist. Auch da wurden fast schon verrückte Befürchtungen geäußert, wonach dieses Abkommen das Verderben für kleine und mittelständische Unternehmen bringen würde, für die Landwirtschaft, für die Umwelt… Das ist alles längst als Unsinn entlarvt.
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