Aus einer Sprache, die wir verlieren
Die belgische Künstlerin Laure Winants erforscht das arktische Packeis.
Laure Winants nahm an einer Polarexpedition teil und schloss sich einem Team multidisziplinärer Forscherinnen und Forscher an, um die Entwicklungen in diesem riesigen Gebiet zu verstehen, mit fotografischen Methoden zu untersuchen und die ökologischen Veränderungen zu kartieren.
Inmitten dieser weißen Unendlichkeit setzt sie Techniken ein, die speziell für ihre Projekte entwickelt wurden. Damit ist sie in der Lage, optische, physikalische und lichttechnische Phänomene dieser Region zu erfassen: Dünne Proben aus Eis, Mikroorganismen aus vor Jahrtausenden gefrorenem Wasser und Substrate des Bodens lässt sie mit Fotomaterial (analogem Negativmaterial und Fotopapier) reagieren. So entstehen eigene materielle und transformierte Resultate als Reaktion experimenteller Messungen und Analysemethoden mit Licht, Luft, Temperatur oder Mikroorganismen. Das menschliche Eingreifen rückt so in den Hintergrund. Laure Winants macht diese wissenschaftlichen Aspekte sichtbar und physisch wahrnehmbar. Sie verdeutlicht die wechselseitige Abhängigkeit der Ökosysteme und setzt einen Dialog zwischen Kunst, Naturwissenschaft und Technik in Gang.
Der Titel ›From a Tongue We Are Losing‹ (Aus einer Sprache, die wir verlieren) geht auf die Auseinandersetzung mit der ›Sprache der Gletscher‹ zurück. Das wissenschaftliche Konzept behandelt die Gletscher als ›Organe‹ und vermenschlicht unser Verständnis von und unsere Beziehung zum Eis. Ähnlich wie die Rezeptoren der menschlichen Zunge nimmt Eis auf seiner Oberfläche chemische Verbindungen auf.
Der pulverförmige Staub, eine Kombination aus kleinen Gesteinspartikeln, Ruß und Mikroben, setzt sich auf den Eisschichten ab, verdunkelt so die Farbe des Eises und verringert sein Reflexionsvermögen. Der veränderte Dialog von Mensch und Umwelt hat zu einer Entfremdung beigetragen, die sich heute in der Veränderung des weltweiten Klimas ablesen lässt. •
Laure Winants (* 1991, Belgien) ist eine bildende Künstlerin, deren Arbeiten stark auf Forschung basieren. In ihrem künstlerischen Schaffen hat sie sich auf die enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spezialisiert. Winants‘ Arbeiten wurden international in Berlin, Reykjavik, Brüssel, Paris, Stockholm, Luxemburg und Osaka ausgestellt.
* Felix Hoffmann leitet das Foto-Arsenal Wien, Österreichs neues Zentrum für fotografische Bilder und ›Lens Based Media‹. Das dafür vorgesehene Gebäude im Wiener Arsenal wird noch umgebaut, die Eröffnung ist für Anfang 2025 geplant. Interimistisch findet der Ausstellungsbetrieb im Museumsquartier statt – und im DATUM. Mehr Informationen: www.fotoarsenalwien.at