Bauer sucht Erben

Wer wird einmal den Hof  übernehmen? An dieser Frage zerbrechen viele Bauernfamilien. Dabei gibt es mehrere Stellen, die Hilfe anbieten.

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Fotografie:
Juliane Fischer & Katharina Kropshofer
DATUM Ausgabe Juni 2021

Gottfried Mühlbacher streckt seine Arme vom Körper weg und hebt sein Handy gegen den Himmel. Seine Augen wechseln zwischen dem Blau über ihm und seinem grauen Bildschirm : › Ich bräuchte einen helleren Hintergrund ‹, sagt er. Nur so könne er den Steinadler fotografieren, der wieder einmal vor seinem Bauernhof die Runden zieht. Hier, in den Hügeln über der kleinen steirischen Gemeinde Deutschfeistritz, ist der Greifvogel kein seltener Gast. Mühlbacher beschreibt sich selbst als guten Beo­bachter und hat viel Ausdauer – ­Eigenschaften, die man nicht nur für die Naturbeobachtung, sondern auch als Landwirt dringend brauche. Doch den meisten, sagt er, fehlen sie. Sein Leben lang hat der 67-Jährige den Boden, auf dem er heute steht, bewirtschaftet und den Hof weiterentwickelt – vom Murbodner Rind auf Fleckvieh umgestellt, den Hang planiert, den Milchviehbetrieb aufgebaut, in ­Direkt­ver­marktung investiert. Er hat den Gewölbekeller zum Käsen und Buttermachen gebaut, Milchpreise verhandelt, Flächen dazugekauft, dafür Kredite aufgenommen und wortwörtlich eine Straße versetzt – ein klassisches Bauernleben. Mit seinem Schulbusunternehmen, das er nebenbei geführt hat, ist er schon längst in Pension. Aber für den Hof hat er bisher keinen Nach­folger.

Noch im letzten Jahrhundert waren vier Generationen unter einem Dach keine Seltenheit. Üblich war : Eines der Kinder, meist der älteste Sohn, übernahm die Geschicke. Ganz selbstverständlich ist das schon lange nicht mehr. EU-weit wird alle 25 Minuten ein Bauernhof geschlossen. Während es 1970 noch 368.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Österreich gab, waren es 2016 nur noch 162.000. Eine Folge des Strukturwandels und wachsender Betriebe. Doch dahinter steht auch eine andere Frage : Wollen und können immer weniger Menschen in die elterlichen Fußstapfen treten und den Hof übernehmen ? Und was löst diese Frage in Bauernfamilien aus ?

Im Zyklus eines landwirtschaftlichen Betriebs ist die Hofübergabe etwas sehr Entscheidendes, weiß Markus Schermer, Soziologe an der Universität Innsbruck. Er forscht seit 20 Jahren zu Themen rund um das bäuerliche Leben – von Regionalentwicklung bis hin zur sich wandelnden Stellung von Bäuerinnen und Bauern in der Gesellschaft. › Die meisten Bauern und Bäuerinnen sehen den Familienbetrieb weiterhin im Zentrum und als etwas, das innerhalb der Familie weitergegeben werden muss‹, sagt er. › Heute ist es aber nicht mehr so, dass der oder die Nachfolgende keine Alternativen hätte.‹ Das führt zu einem Problem : 28 Prozent der Betriebsleiter über 50 haben keine Nachfolger, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2015, die die Landjugend in Auftrag gegeben hatte. In einer anderen Umfrage des Marktforschungsinstituts Keyquest waren es sogar 47 Prozent. Durch fehlende Anerkennung, Überlastung und den ständig präsenten Preisverfall steht der Berufsstand unter Druck.

Genau hier entstehen oft Reibungen : Kinder wollen nicht übernehmen, oder wenn doch, Dinge meist anders machen als ihre Eltern – manchmal gegen deren Willen. Dazu kommen Schwiegertöchter und -söhne, die als › Fremde‹ auf den Hof ziehen oder Geschwister, die selbst nicht übernehmen und als sogenannte › weichende Erben‹ weggehen. Auch Junggesellen, die keine Partnerin finden, fühlen sich alleingelassen und blicken unsicher in die Zukunft. Privat und Beruf gehören im Bäuerlichen schließlich seit jeher zusammen.

Die Lust auf Landwirtschaft vergeht vielen jungen, potentiellen Hoferben deshalb : › Das geht los, wenn die Kinder nicht richtig in der Landwirtschaft so­zialisiert wurden‹, sagt Schermer. Die Arbeit im Stall und auf dem Acker kann belastend sein, körperlich wie mental. Vor allem, wenn die Eltern nur ein Jammerbild von der Landwirtschaft zeichnen, so Schermer. Dauernde Verfügbarkeit, unregelmäßiges Einkommen, wenig Freizeit, kein Urlaub, örtliche Gebundenheit – Dinge, die mit einem Nebenerwerb oder dem Wunsch nach einer gewissen Flexibilität nicht vereinbar sind. Schließlich muss das Heu dann gemäht werden, wenn regenfreie Tage bevorstehen. Wann die Kühe kalben, kann man sich nicht aussuchen. Und sie wollen auch immer zur selben Stunde gemolken werden. Egal ob Sonntag ist, oder nicht.

In Mühlbachers Küche gehen alle ­Uhren falsch. Und auch sein Stall sieht etwas verwahrlost aus : Längst nicht mehr getragene Jacken liegen auf dem Silosack, Spinnweben überziehen die Geräte, die in der Ecke lehnen. Auch der Steyr-Traktor dürfte schon länger nicht mehr gefahren worden sein. Der Hausherr zählt auf, was alles an Arbeit ansteht. Jemand müsste die Steine abklauben und die Stauden umhacken. Und auf der Seite des Hauses lugt noch der Rohputz hervor. › I mog nimma mehr‹, gesteht der Steirer leicht betrübt. Immerhin hat er schon mit 20 den Hof seiner Eltern übernommen. Die drei äl­teren Geschwister hätten gerne verzichtet, sagt er. Heute hat der zweifach geschiedene Mann selbst vier leibliche Söhne, die den Kral-Hof in zehnter Generation weiterführen könnten.

Doch daraus wird nichts. Dabei behauptete sein jüngster Sohn schon als Kind, er werde Bauer, sagt sein Vater nicht ohne Stolz. Der Plan für ihn war vorgezeichnet : › Den habe ich in die Landwirtschaftsschule geschickt. Damit er in das Milieu hineinkommt. ‹ Kurz nach seinem Schulabschluss entschied sich der designierte Erbe für eine technische Lehre. › Da bin ich fast vom Sessel gefallen‹, erinnert sich sein Vater heute. Ein anderer Sohn startete einen Anlauf, pachtete den Hof sogar kurzzeitig – bereit für die Übernahme. Am Schluss kamen die beiden doch nicht zusammen. Der Sohn wollte Ochsen mästen, Mühlbacher Senior riet ihm davon ab, weil er darin keine Zukunft sah. Die Vorstellungen des Übergebers sind oft ganz anders als die des Übernehmers, sagt auch der Soziologe Markus Schermer : › Meistens ist es so, dass die Leute genug Erben haben, aber keiner weitermachen will.‹ Bei den eigenen Kindern sei man vielleicht noch rigider und sage, sie ­dürfen nichts anders machen als man selbst.

Heute, ein halbes Jahr später, hat der Landwirt einen Schlussstrich ge­zogen und versucht sein Glück nun mit einem digitalen Kuppler : › Perspektive Landwirtschaft‹ heißt eine Plattform, die Hofübergebende und Hofsuchende ­zusammenbringen will. Aus eigener ­Betroffenheit gründeten Boku-Stu­die­ren­­de 2017 den Verein für jene, die Landwirte werden wollen, aber keinen Betrieb haben. Und für Leute wie Mühl­bacher, die diesen nicht mehr führen können. Seither haben insgesamt rund 200 Höfe und 800 Suchende ein Profil erstellt.

Im Moment sind auf der Hofbörse neben dem Kral-Hof noch rund 70 weitere Bauern vertreten. Mühlbacher will 50.000 Euro für seinen Betrieb. Doch auch ein sechsstelliger Agrarinvestitionskredit ist noch offen und muss übernommen werden. Die Nachfolger sollen außerdem für ihn das Ausgedinge renovieren – ein schönes, aber in die Jahre gekommenes Bauernhaus unten am Hang, in das er ziehen möchte.

Es gäbe sehr viel Potential, hier zu ­gestalten, sagt Mühlbacher. Auf der Weide rund um das Haus grasen seine rund 25 Kühe. Der Wunschkandidat interessiert sich also idealerweise für Käserei. Als › junger Bersch‹ hätte ihn das Buttermachen seiner Eltern gar nicht interessiert, sagt Mühlbacher. Aber in der Verarbeitung direkt am Hof sieht der Bauer heute eine Chance auf etwas Unabhängigkeit. Doch wer hier seine Zelte aufschlägt, wird das nicht ganz ohne Beobachtung tun. Schließlich sieht man vom Ausgedinge quasi direkt in die Stube des Haupthauses.
Diese Problematik kennt auch Anna Eckl. Viele Jahre war sie als Krisenberaterin bei der Landwirtschaftskammer tätig und führte als Mediatorin hunderte Gespräche. Konfliktpunkt Nummer eins ? Die Hofübergabe. › Wie arbeiten wir miteinander ? Wie leben wir gemeinsam ? Wie finden » die Jungen « ihren Weg ? Wie können » die Alten « noch einen guten Platz haben ?‹, schildert Eckl die gängigen Fragestellungen, die es so in keiner anderen Branche gibt.

Vie­le Betriebe wenden sich vor einer Über­nahme an die Landwirtschaftskam­mer. Diese hilft nicht nur bei recht­lichen und steuerlichen Angelegenheiten. Über das Programm für Krisenprävention und -beratung kommen Berater auf den Hof und setzen sich mit den einzelnen Parteien, sprich mit der Familie, an den Tisch. › Das Nicht-drüber-Reden hat im Bauernstand eine lange Tradition‹, sagt Eckl. Sie erklärt sich das aus der Historie : › Früher waren viele Leute am Hof. Wenn du damit aufgewachsen bist, kennst du Leben und Arbeit. Jeder wusste, was zu welcher Jahreszeit zu tun ist, und das Tun war stark geprägt von den Saisonen.‹ Über Gefühle zu reden, habe dabei keiner gelernt. Während die Eltern auf dem Feld oder im Stall waren, blieben die Kinder bei den Großeltern. Und im Krieg ging es nicht um › Gefühlsduselei ‹, sondern ums Überleben. › Die Strategie ist eher : Wegpacken, nicht mehr drüber reden‹, schildert Eckl. Dabei reiche es oft schon, den Leuten einfach Zuhören zu empfehlen. Daraus entwickeln sie gemeinsam die Aufgaben der einzelnen Familienmitglieder – meist frisch aus der Ausbildung oder kurz vor der Pension. Und die Bereiche, die der junge Übernehmer vielleicht anders machen will. › Es geht um das Sein-lassen und Wertschätzen. Aber es geht auch ums Erlauben‹, sagt Eckl.

Der erste Beratungstermin ist kosten­los. Danach kostet die eineinhalbstündige Einheit je 90 Euro. Eine niederschwelligere Anlaufstelle ist das bäuerliche Sorgentelefon, ebenfalls ein Angebot der Landwirtschaftskammer. 2019 wurden dort um 16,5 Prozent mehr Beratungsfälle registriert als im Jahr zuvor. Bei den Themen steht mit 25 Prozent der Anrufe der Generationenkonflikt an erster Stelle, gefolgt von Partnerschaftskonflikten und Hofüber­gaben, so der Jahres­bericht  ›Lebensqualität Bauernhof‹. Auch Burnout und Depressionen sind immer wieder The­ma. Genaue Zahlen gibt es hierzu in Österreich nicht.

Übergaben sind in der Landwirtschaft noch emotionaler als in anderen Branchen. Denn übergeben werden nicht nur Haus und Grund, sondern auch Lebensentwurf, Beruf, Wohnraum und Selbstverständnis. Wenn die alten Hofbesitzer in Pension gehen, bleiben sie oft weiterhin am Hof und sehen, wann das Vieh in den Stall getrieben, ob der Mais rechtzeitig gedroschen wurde und was die Jungen generell anders machen. Am Unternehmen hängt eine ganze Identität, die wie ein schweres Joch an den Nächsten weitergereicht wird. Das sieht man etwa am Hausnamen, der in manchen Regionen sogar noch stärker ausgeprägt ist als der Familienname : › Da geht es darum : Du bist aus dem Haus, und das, was diesen Hof ausmacht, muss weitergetragen werden‹, sagt Anna Eckl.

Damit der Hof weitergeht, steckt man eigene Ansprüche und Bedürfnisse zurück. Und das über Generationen. Ehen scheitern, Vertrauen wird gebrochen, der Kontakt zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Geschwistern reißt ab. Man fühlt sich vom Anderen missverstanden oder eingeschränkt. Sinnbildlich für diesen Druck steht die Erbhofurkunde, die in den Stuben vieler Landwirtschaften hängt. Am Mühlbacherhof ist sie wie selbstverständlich zwischen Herrgottswinkel und dem grünen Steiermark-Herz-Sticker platziert. Der Schirmbrief weist die Familie schon 1687 als Eigentümer nach. Ob die neuen Besitzer diese dort hängen lassen werden, weiß niemand.

› Motiviertes junges Paar sucht Landwirtschaft mit Tiernutzung‹, › Weichender Hoferbe sucht Landwirtschaft‹, oder › Kleine Familie auf der Suche nach ihrer Lebensaufgabe‹ liest man auf der digitalen Hofbörse unter der Kategorie › Hofsuchende‹. Unter den rund 300 Profilen ist auch das von Cornelia Lasser*. Sie und ihr Partner sind beide auf einer Land­wirtschaft aufgewachsen. Ein paar Mal kamen sie nah daran, diese zu übernehmen. Doch am Ende gingen sie an andere Familienmitglieder. Vor ein paar Wochen starteten sie deshalb ihre Online-Suche. › Als wir uns kennengelernt haben, haben wir festgestellt, dass uns das beiden fehlt : das naturnahe Leben, sich Dinge selbst einteilen können, der Umgang mit den Tieren und dem Boden. Wenn man das gewöhnt ist, geht es einem ab‹, erzählt die Mittzwanzigerin und lehnt sich an die Küchentheke, auf der sich die Gläser mit selbstgemachter Marmelade, Honig und Sirup aneinanderreihen.

Ihr neugeborener Sohn schläft im Zimmer nebenan. Er soll mit Naturbezug aufwachsen, wünscht sich die junge Mutter. Schließlich habe das bäuerliche Arbeiten auch den Vorteil, dass die Kinder bei der Arbeit einfach dabei sein können. Vor Kurzem kontaktierte Lasser über die Plattform einen Hofbesitzer : 120 Ziegen, die aber nur im Stall gehalten werden, ein riesiger Fuhrpark und keine Scheu, Pestizide zu spritzen. Nicht ganz das, was sich Lasser vorgestellt hatte : › Von der Sympathie hätte es gepasst, aber die Größe hätte uns ein bisschen überfordert.‹ Der alte Ziegenbauer wäre weiter am Hof geblieben, so wie es in vielen Übergabe-Fällen üblich ist. Und Lasser weiß, welches Konfliktpotential das mit sich bringen hätte können : › Die meisten Bauern gehen zugrunde, bevor sie etwas Neues machen.‹ Sie selbst könnte sich Vieles vorstellen : Einen Viehbetrieb, egal ob Schweine, Kühe oder Schafe, ob Burgenland oder Vorarlberg. Auch Gemüseanbau käme in Frage, sofern sie ein bisschen Zeit hätte, sich einzulesen oder vielleicht sogar vom vorherigen Hofbesitzer zu lernen. Sie wäre sogar bereit, ihn oder sie im Alter zu pflegen. Nur bei der Frage, wie man mit Tieren umzugehen hat, hat sie sehr konkrete Vorstellungen : Tierwohl muss auf ihrem zukünftigen Hof großgeschrieben werden.

› Die Hälfte der Suchenden sind Quereinsteiger, aber mit Ausbildung zum Facharbeiter ‹, erklärt Margit Fischer, die Geschäftsführerin von › Perspektive Landwirtschaft ‹. Die andere Hälfte sind sogenannte › weichende Erben ‹. › Wie viele davon Träumerchen sind und nur Selbstversorger machen wollen, ist schwer zu sagen. ‹ Natürlich gebe es solche, die vom Landleben schwärmen, aber die Mehrheit gehe es ernsthaft an, meint sie. Bei der Hofbörse gehe es nicht um Selbstversorger-Romantik. › Also nicht nur darum, von der Substanz zu leben, sondern darum, ein Einkommen erwirtschaften zu können ‹, betont sie. Markus Schermer erzählt von der anderen Seite : › Traditionell landwirtschaftliche Formen sind nicht gerade offen für neue Konzepte. Und die Landwirtschaftskammer traut den Quereinsteigern das nicht zu. ‹ Sprich : Entweder man ist in die Landwirtschaft hineingeboren und kennt sich aus. Oder man hat zu romantische Vorstellungen und weiß nicht, welche Arbeit hinter den Bildern aus der Werbung steht. Gerade während der Corona-Pandemie war die Sehnsucht nach einem solchen, vermeintlichen Idyll groß. › Manche Vorbehalte sind berechtigt ‹, sagt Schermer. › Viele der Leute sind nur daran interessiert, am Land zu wohnen, aber nicht unbedingt an der Landwirtschaft per se.‹

Hinter der persönlichen, konfliktgeladenen Ebene steht auch ein strukturelles Problem. Blickt man auf die Agrarpolitik und auf das niedrige Ansehen, das Landwirte und Landwirtinnen in der Gesellschaft haben, steigen die Anreize für die Hofübernahme nicht ­gerade. Preisverfall, Überlastung und Druck wachsen zu einem Problemberg. Eine gute Portion Idealismus scheint ohnehin unumgänglich.

› Rein utilitaristisch ist die Arbeitsstunde in der Landwirtschaft nicht sehr attraktiv bezahlt. Und wenn ich die Möglichkeit habe, einem anderen Beruf nachzugehen und der soziale Zwang im Dorf wegfällt, den Hof zu übernehmen, entscheiden sich viele Erben für etwas anderes ‹, sagt Markus Schermer. › Die Preise für Land und die Einkommen in der Landwirtschaft klaffen auseinander ‹, betont auch Margit Fischer. › Die Bodenpreise sind so hoch. Für junge Leute ist es schwierig, einen Betrieb zu kaufen.‹

Auch Gottfried Mühlbacher geht es nicht nur um die eigene Absicherung und die Weiterführung seines traditionsreichen Hofes. Er hat das Systemische im Blick : › Es muss einen Schutz für uns Bauern geben. Der Wert für Grund steigt, aber das bäuerliche Einkommen sinkt ‹, sagt er. Zwei Millionen Euro hat man ihm in der Vergangenheit bereits für seinen Grund geboten. Doch Mühlbacher ist es wichtig, dass Bauern wie er das Land weiterhin bearbeiten und den Regionalwandel nicht fortschreiten lassen : › Ich will das bäuerliche System erhalten ‹, sagt er. Die ältere Tradition hegt oft den Wunsch, traditionell zu bleiben. Mit ein Grund, wieso jede Veränderung vom alten Besitzer als ein › ich habe es nicht richtig gemacht‹ aufgefasst wird. Gleichzeitig ist die Erhaltung dieser bäuer­lichen Strukturen wichtig, wenn man nicht will, dass statt Weizen und Gerste bald Einfamilienhäuser aus der Erde wachsen. › Ich will, dass meine Arbeit nicht umsonst war ‹, sagt Gottfried Mühlbacher. › Aber wir Bauern brauchen Hil­fe‹, meint er und legt wie zur Bekräftigung die viele hunderte Seiten schwere Gemeindechronik wie einen Ziegel auf den Küchentisch. Der agrargeschicht­liche Teil stammt aus seiner Feder.

Die Hofbörse bietet auch in anderer Hinsicht Potenzial : Gerade mit Blick auf Klimaziele und die Anforderung, Biodiversität zu erhalten, liegt in der Kleinstrukturiertheit eine große Chance. Und das entspricht auch eher dem Bild, das sich viele der Quereinsteiger vorstellen. › Die meisten Quereinsteiger und Quereinsteigerinnen haben nicht den industriell geführten Großbetrieb, sondern eher einen kleineren Betrieb im Blick‹, sagt Schermer. Auch Margit Fischer von › Perspektive Landwirtschaft‹ sieht eine Chance in kleinstrukturierten Betrieben mit Direktvermarktung und will sichtbar machen, wie wichtig und sinnvoll der Beruf ist. Jedes Jahr kommt es zu rund zehn Übergaben, die über die Plattform laufen, sagt sie. Erst letzte Woche wurde wieder ein Übergabevertrag unterschrieben.

Cornelia Lasser hat nächste Woche wieder einen Besichtigungstermin. Und auch am Mühlbacherhof tut sich was. Vor Kurzem war ein interessiertes Paar zu Besuch. Und diesmal zeigt sich Gottfried Mühlbacher hoffnungsvoll. Denn die Interessenten wollten schon wissen, wie viele Laibe Camembert im Käsekühlschrank Platz ­hätten. •
* Name von der Redaktion geändert.

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