Das Land der Befreiten

In abgelegenen Regionen Brasiliens kämpfen die Quilombolas, die Nachfahren entflohener Sklaven, um ihre Rechte.

Text und Fotografie:
Ruth Eisenreich
DATUM Ausgabe Mai 2020

17 Minuten hinter Teresina biegt der Jeep auf eine rötliche Schotterpiste ab. Bäume und Büsche säumen den Weg, ab und zu ein einzelnes Ziegelhäuschen, wir überqueren einen Berg­pass, fahren mal auf festem Sand 50 Stundenkilometer, rumpeln dann wieder im Schritttempo über Geröll. Nach gut anderthalb Stunden hält der Jeep vor einem Lehmhaus mit Palmwedeldach, dahinter blüht leuchtend pink eine Bougainvillée, ein dünner alter Mann erscheint im Türrahmen : ›  Wer ist da? ‹

Wir befinden uns im zentralen Hochland von Bra­silien, 340 Kilometer nördlich der Hauptstadt Brasília, 1.500 Kilometer nordwestlich von Rio de Janeiro, im Vão de Almas, einer der 39 Gemeinden des Quilombo Kalunga.

Ein Quilombo : Den Begriff kannte ich schon vor meiner Zeit in Brasilien. Ich hatte mich mit der afrobrasilianischen Kultur beschäftigt und wusste von den Siedlungen, die entflohene Sklaven und Sklavinnen im 16., 17., 18. Jahrhundert im schwer zugänglichen Hinterland gegründet hatten. Aber erst kurz bevor ich für drei Monate nach Brasilien zog, erfuhr ich, dass viele dieser Siedlungen bis heute existieren; dass dort die Nachfahren jener Menschen, die die Sklavenhändler aus verschiedenen Ländern Afrikas nach Brasilien verschleppt hatten, ihre eigene Kultur, ihre eigene Identität ausgebildet haben; dass die brasilianische Verfassung ihnen seit 1988 ein Recht auf kollektive Landtitel zugesteht, es bisher aber nur rund 200 der etwa 3.500 anerkannten Quilombos geschafft haben, sich einen solchen Landtitel zu erstreiten. Und ich sah ein Video, in dem der heutige Präsident Jair Bolsonaro 2017, im Vorwahlkampf, über die Bewohner der Qui­lombos spricht : › Die Quilombolas machen gar nichts, sie taugen nicht einmal mehr zur Fortpflanzung ‹, erklärt er unter dem Gelächter seines Publikums, › der leich­teste von ihnen wiegt sieben Arrobas ‹. Sieben Arrobas, das entspricht ungefähr 105 Kilo – aber die Maßeinheit Arroba wird üblicherweise nur für Rinder und Schweine verwendet.

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