In Belarus wurden zehntausende Juden aus Österreich ermordet. Und niemand mag sich daran erinnern.
In der Blagowschtschina, in einem Waldstück bei Minsk, hat sich eine Gruppe von Menschen zum Gedenken aufgestellt. Ein Halbkreis, mit Blick auf die Lichtung. Es ist eine intime Trauerfeier, bei der sie einander von ihren Angehörigen erzählen. Oder das, was sie über sie noch wissen. Wie Yael aus Amsterdam, die von ihrer Urgroßmutter erzählt. Oder Irv aus den USA, der von seiner Großmutter spricht. Oder Richard aus Wien, der seine Großcousins verloren hat. Und Vienna Duff. Auch sie steht hier, an der Waldlichtung, an diesem prächtigen Frühlingstag im Mai.
Im März 1939 steigt Viennas Mutter Ilse Sachs in Wien in einen Zug und kehrt nicht mehr zurück. Es ist ein schmerzlicher Abschied, der ihr doch das Leben rettet. Ilse Sachs ist dreizehn Jahre alt, als sie über Prag vor den Nationalsozialisten flieht. Und obwohl in Wien der Hass gärt und das Leben für die Familie Sachs schon gefährlich geworden ist, nimmt Ilse doch viele schöne Erinnerungen mit. So schöne, dass sie später ihre Tochter nach ihrer alten Heimatstadt nennen wird: Vienna.
Dass Vienna heute hier steht, ist die Geschichte einer langen Reise. Eine Geschichte von Verlust, von Schweigen, von quälender Ungewissheit und hartnäckigen Recherchen. Aber auch von einer Suche, die ein Ende hat. Und von einer Trauer, für die Vienna endlich Worte findet: ›Liebe Adele‹, sagt sie, ›Du hast eine Familie, der es gut geht und die sich an dich erinnert.‹
Adele Steiner, Mädchenname Sachs, wurde am 22. April 1878 in Wien geboren. Sie ist Viennas Großtante. Eine Jüdin, die jedoch später zum Katholizismus konvertierte. Alte Fotos zeigen eine elegante Frau mit gewelltem Haar und einem sanften Lächeln. Am 30. Juli 1942 wurde Adele nach Theresienstadt und wenige Tage später, am 4. August 1942, nach Maly Trostinec bei Minsk deportiert. Zuvor hatte sie noch geholfen, ihre drei kleinen Großnichten – Hildegard, 14, Ilse, 13, und Liane, 11 – mit einem Kindertransport aus Prag nach England zu schicken. Was ihnen wohl das Leben gerettet hat.
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