›Der Mund ist unsere wichtigste Waffe. Alles andere sind Notlösungen.‹

Was heißt es, in Österreich Polizist zu sein? Acht Exekutiv­beamte erzählen aus ihrem Berufsalltag.

Interviews und Redaktion:
Laura Anninger, Stefan Apfl, Julia Geistberger, Sarah Kleiner, Alexander Polt, Matthias Punz, Alicia Prager
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Illustration:
Harald Tremmel
DATUM Ausgabe Juni 2019

Wir sehen sie auf der Straße, als Mensch gewordene Stoßdämpfer bei Demonstrationen, oder sie rasen mit Blaulicht und Sirene an uns vorbei. Ein Kennenlernen mit Polizisten will man meist schnell hinter sich bringen – doch wer sind die Menschen, die Österreichs Straßen hüten? In einer mehrmonatigen Recherche hat DATUM acht Exekutivbeamte getroffen, sieben Männer und eine Frau, Ländler und Städter, Junge und Ältere, um das herauszufinden. Unter dem Schutz der Anonymität konnten die Beamten offen erzählen, was es heißt, Kiwara zu sein.

Warum sind Sie Polizist geworden?

Polizist, 31, Stadt: Im Zivildienst ist bei mir die Idee aufgekommen, für eine Einsatzorganisation zu arbeiten. Natürlich, das Rote Kreuz und die Polizei sind nicht vergleichbar, aber man glaubt gar nicht, wie viele Überschneidungen es da gibt. Und du bist nach sechs Jahren Dienstzeit als Polizist pragmatisiert, also du kannst nicht gekündigt werden, wenn du dir selbst nichts zuschulden kommen lässt.

Polizistin, 29, Stadt: Mich hat sehr gereizt, dass die Ausbildung bezahlt wird, weil ich nicht von meinen Eltern finanziert werden musste. Und ich habe einen sehr starken Gerechtigkeitsdrang. Eine Freundin, die zu dem Zeitpunkt die Ausbildung gemacht hat, hat mir gesagt, dass sie gerade Einsatztraining gehabt haben, dass sie Handfesseln anlegen üben. Sie hat Geschichten erzählt vom Schießen und vom Schulalltag. Ihre Erzählungen haben mich fasziniert, da habe ich mir gedacht: Das will ich auch machen.

Polizist, 39, Stadt: Ich war in der Privatwirtschaft in einem mechanischen Beruf mit einer Lehre. Aber da verdienst du relativ bescheiden, und es sind Freunde von mir zur Polizei gegangen, die gesagt haben: Es ist super, es ist relativ einfach, du hast eine Ausbildung von zwei Jahren, und sie nehmen quasi ›jeden‹.

Wie hat Ihre Laufbahn als Polizist begonnen?

Polizist, 25, Stadt: Beim ersten Polizeiinterview haben sie mir gesagt: ›Sind Sie sich bewusst, dass Sie mit dem Abschaum der Menschheit konfrontiert sind?‹ Und dazu stehe ich, man sieht wirklich den Abschaum. Als Polizist sieht man, wozu ein Mensch im Stande ist. Das kann dann ein Realitätsschock sein, wenn man vom Land kommt, aus einem kleinen Dorf in die große Stadt, so wie ich.

Polizist, 41, Land: Bei der Prüfung war ich mit circa 30 anderen Leuten. Der theoretische Intelligenztest hat ungefähr fünf Stunden gedauert, da wurde sehr viel logisches Denken, Gedächtniskapazität, aber auch Grammatikverständnis abgefragt. Grammatik und Deutschkenntnisse werden deshalb so intensiv geprüft, weil ich 60 Prozent meiner Arbeit vorm Computer sitze und an Akten schreibe.

Polizistin, 29, Stadt: In der Polizeischule sind Menschen ohne Matura, mit einer Ausbildung, nur Lehre. Es ist ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Ich habe einmal sogar eine Frau Doktor im Polizei-Anhaltezentrum kennengelernt, die auch die Polizeikarriere begonnen hat.

Polizist, 52, Land: Der Theorieteil der Ausbildung ist viel zu langwierig. Man muss wirklich draußen sein, mit einem älteren Kollegen auf Streife gehen und sich ansehen, wie macht der das? Ich kann mich noch an meinen ersten Einsatz erinnern. Das war eine Opernballdemo. Früher war der Opernball ja das, was heute der Akademikerball ist, da wurde randaliert und demonstriert. Wir standen am Schwarzenbergplatz. Da haben sie uns Schilde aus geflochtenem Stroh in die Hand gedrückt und alte Stahlhelme vom Bundesheer. Damit mussten wir dort stehen, und der Demozug zog vorne vorbei. Auf einmal zischt eine Leuchtrakete aus der Menge und trifft einen Kollegen am Rücken. Der Kollege hat auf der Ledergarnitur lichterloh gebrannt. Und ich dachte mir nur: Na gut, dass ich meinen Strohschild habe.

Polizistin, 29, Stadt: Ich habe schon ein bisschen Angst verspürt, weil ich vorher nie etwas mit Waffen zu tun hatte. Als ich sie das erste Mal in der Hand hatte, war ich extrem nervös. Mit dieser Waffe in meiner Hand könnte ich theoretisch auf jemanden schießen. Aber mit der Zeit lernt man den Umgang. Jetzt ist die Waffe ein Schutz für mich. Wenn ich im Bezirk draußen bin, fühle ich mich ohne meinen Waffengurt unsicher.

Polizist, 29, Stadt: Man kommt raus aus seiner kleinen, heilen Welt. Es gibt viele Sachen, die man vorher nicht sieht. Wo wirklich Gewalt vorherrscht, wo Schlägereien und Messerattacken passieren, dass es viele Menschen gibt, die am Rande der Existenz leben, die sich ihr Leben lang mit Gift zuschütten, die einfach nur noch dahinvegetieren, und wenn sie ihren Stoff in der Früh nicht bekommen, es sie total zusammenscheppert.

Polizist, 41, Land: Eine Waffe zu nutzen war für mich kein spezielles Erlebnis, ich hatte das schon beim Bundesheer. Ich bin auch im Dorf mit meinen Freunden mit so Spielzeugwaffen aufgewachsen. Natürlich hat man Respekt davor, sollte man ja auch haben. Bei der Poli­zeiausbildung wird man auch im Gegensatz zum Bundesheer ganz anders eingeschult auf die Waffe. In der Grundausbildung schießt man ein paar Mal, aber bei der Polizei schießt man im Training ganze Magazine leer. Also vom Handling her ist man da viel sicherer als beim Bundesheer.

›Wenn ich im Bezirk draußen bin, fühle ich mich ohne meinen Waffengurt unsicher.‹

Wie sieht Ihr Alltag aus?

Polizist, 31, Stadt: Wenn ich draußen bin, kann ich machen, was ich will. Ich kann mir aussuchen, wo ich herumfahre und ob ich zum Beispiel Verkehrs-, Fremden- oder Suchtgiftkontrollen mache. Vorgaben gibt es schon, aber nur Richtlinien, als Leitfaden. Du kannst niemandem vorschreiben: ›Heute gehst du raus und schreibst einen Organmandat-Block aus‹. Sagen kann man mir das schon, aber das mache ich nicht.

Polizist, 39, Stadt: Es kotzt mich an, dass speziell der Wiener zu blöd ist, einfach zum Nachbarn zu gehen und zu sagen, ›Sei leise‹, sondern er ruft die Polizei. Aber gut, so ist der Wiener halt. Ich bin nicht Polizist geworden, um Lärmerregungen zu beenden.

Polizist, 41, Land: Ich war davor in der Gastronomie. Wenn ein Kollege zu mir sagt, dass er so im Stress ist wegen so vielen Akten, denke ich mir insgeheim, dass der gar nicht weiß, was wirklicher Stress ist.

Polizist, 31, Stadt: Fünf Minuten Amtshandlung bedeuten eine halbe Stunde Verschriftlichung.

Polizist, 52, Land: Du fährst ins Ungewisse. Es kann etwas Schönes passieren, es kann aber auch etwas Schlimmes passieren, etwas richtig Grausiges.

Polizist, 31, Stadt: Die größten Trotteln sind Fußballfans. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben. Da sind wirklich die größten Schwachmaten und Unterschichtler dabei, die nur deppat die Pappn offen haben. Bei diesen Fangruppierungen sind Leute dabei, die der Sport per se gar nicht interessiert. Da geht es nur darum, sich am Wochenende anzusaufen und irgendeine Action zu haben.

Welche Ereignisse haben Sie geprägt? 

Polizistin, 29, Stadt: Im Gedächtnis hat man verweste Leichen oder extreme Geruchsbelastung. Ich kann mich an einen Mann erinnern, der quasi schon mit dem Bett verwachsen war.

Polizist, 52, Land: An die nicht so Gschmackigen kann man sich erinnern. Wir hatten einmal einen Mann, der hat zwei Jahre mit seiner Mutter, die aber schon gestorben war, in einer Wohnung gelebt. Da riecht man dann nicht mehr viel, komplett mumifiziert.

Polizist, 31, Stadt: Bei einem Fall hast du den Fäulnisgeruch schon im Stiegenhaus gerochen, dementsprechend ist der Mann schon monatelang tot in seiner Wohnung gelegen. Er dürfte nach einem Sturz am Gesicht liegengeblieben sein. Dadurch, dass das Blut nach dem Tod absinkt, hatte er kein wirkliches Gesicht mehr. Es war alles komplett flachgedrückt.

Polizist, 29, Stadt: Man muss für sich selbst einen Weg finden, wie man mit dem Thema Tod umgeht. Ich weiß zum Beispiel von meiner ersten Leiche noch, wo sie gewohnt hat und wie sie geheißen hat. Das ist einfach so meine Art gewesen, damit abzuschließen. Sie ist an Altersschwäche gestorben. Wir haben aber auch schon eine 40-jährige Giftleiche gehabt.

Polizist, 25, Stadt: An einen Einsatz kann ich mich noch erinnern, das war mitten in der Nacht. Es gab eine Messerstecherei, und wir waren die ersten, die hingekommen sind. Es ist jemand bei einer Säule gesessen, man konnte sehen, dass er einen Messerstich in den Hals bekommen hat. Das war in der Nacht, regnerisch, schirches Wetter. Dann sind wir drei, vier Minuten dort gewesen und haben nur auf die Wunde gedrückt, um die Blutung zu stillen. Es war eine Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen nach dem Fortgehen. Einer hat was Blödes gesagt, und ein anderer hat ein Messer rausgenommen und zugestochen. Der ist später verstorben. Da denkst du dann schon ein bisschen darüber nach, weil du warst derjenige, der ganz zum Schluss noch bei ihm war.

›Ich kann mich an einen Mann erinnern, der quasi schon mit dem Bett verwachsen war.‹

Polizist, 31, Stadt: Ein besonders schönes und prägendes Erlebnis ist es natürlich, wenn du eine Lebensrettung oder eine Reanimation schaffst. Bei mir ist das leider nicht der Fall, meine sterben immer.

Polizist, 39, Stadt: Wie ich ums Eck biege, sehe ich im Augenwinkel eine Person mit einer Waffe in der Hand. Da sind wir dann beide gestanden, beide mit der gezogenen Waffe. In dem Moment fallen dir viele Sachen ein, erstmal das Rechtliche. Du weißt, du darfst schießen. Die Frage ist, wenn du schießt, schießt er auch? Schutzweste hab ich keine angehabt, weil es war der fünfte Alarm an dem Tag und die vier davor waren Fehlalarme. Dann die Frage, wo schießt er hin? Und natürlich denkt man sich in dem Moment ›Der ist ein Arschloch, der bricht gerade wo ein.‹ Aber selbst ein Arschloch hat unter Umständen Frau und Kinder, und die können nix dafür. Das heißt, wenn ich den jetzt erschieße, muss ich damit leben. Vielleicht kann ich das – nur seiner Frau und seinen Kindern hilft das gar nix.

Polizist, 29, Stadt: Wir haben einen seine Taschen ausräumen lassen und ihn drei Mal gefragt, ob er noch etwas einstecken hat. Mein Kollege greift in dem seine Tasche und sticht sich an einer Nadel. Da würde man den am liebsten erwürgen oder Schlimmeres. Aber das darfst du nicht, du musst dich unter Kontrolle haben. Das ist halt echt arsch. Das Glück war, dass der keine Krankheiten hatte. Aber das war einer von hundert, weil Hepatitis C haben eigentlich alle. Das ist scheiße. Da geht dir die Pumpen, das macht dich extrem vorsichtig. Dementsprechend behandelst du dann aber auch dein Gegenüber wie das größte Arschloch auf der Straße, weil du an deine eigene Sicherheit denkst. Die lügen dich alle an.

Polizist, 52, Land: Da ist einer durchgedreht und hat einen anderen als Geisel genommen und uns angerufen. Ich saß am Notruf und habe den Mann selbst gekannt. Ich habe zwei Stunden mit ihm am Telefon verhandelt, bis die Cobra gekommen ist und er aufgegeben hat. Du darfst ihn ja nur hinhalten.

Polizist, 29, Stadt: Ein Einsatz, der mir sehr in Erinnerung geblieben ist, war, als beim Bahnhof Meidling zwei Züge zusammengefahren sind. Man hat nicht gewusst, wie viele Verletzte es gibt. Es waren zwei Züge ineinander verkeilt. Da habe ich mir gedacht: Scheiße, was ist, wenn da jetzt 20 Leichen drinnen liegen.

Polizist, 55, Land: 30 Tote hatten wir mindestens. Selbstmörder, Kopfschüsse, quer durch den Gemüsegarten. Alles haben wir gehabt. 

Polizist, 29, Stadt: Einige aus meiner Polizeiklasse haben sich von Anfang an eine Weste zugelegt. Ich hab mir immer gedacht, die brauch ich nicht, weil sie 800 Euro kostet. Als sie letztes Jahr in der Wenzgasse den Überwachungsposten vom Bundesheer vor einer Botschaft attackiert und ihm 17 Messerstiche versetzt haben, habe ich gesagt: Wenn uns die Behörde keine Weste kauft, kauf ich mir eben selbst eine. Ich werde sie hoffentlich nicht brauchen und sie wird mir sicher am Arsch gehen, weil sie warm und ungemütlich ist, aber wenn du sie einmal brauchst, dann bist du froh, dass du eine hast.

Was läuft falsch bei der Polizei?

Polizist, 39, Stadt: Sicher, diese Mediengeschichten von Häupl, Kurz, Kern und wie sie alle heißen, sind nicht gelogen, das mit 1.000 Polizisten mehr im Jahr. Nur haben sie einen Haken: In der Zeit, wo 1.000 mehr kommen für ganz Österreich, gehen 1.000 wieder weg. Wo die Polizei wirklich kracht, ist an der Basis. Die Leute gehen zu speziellen Abteilungen, aber die Uniformierten werden immer weniger, leider.

Polizist, 29, Stadt: Unter Innenminister Platter hat es einen Aufnahmestopp gegeben, es wurde ein Jahr lang keiner eingestellt. Es wurde nicht bedacht, dass so irgendwann ein Loch entsteht. Und das trifft uns jetzt. Es gehen jetzt extrem viele Kollegen in Pension, es gibt aber zu wenige, die nachkommen oder die noch draußen sind. Das Problem ist, dass der Polizeiberuf viel zu unattraktiv ist, auch vom Finanziellen her.

Polizist, 55, Land: Du kannst als Junger ins Ausland, zu Frontex. Dafür braucht man Leute. Die werden für Sondereinheiten von den regulären Dienststellen abgesaugt und fehlen dann dort.

Polizist, 41, Land: Das Problem ist, dass sie als Sparmaßnahme Überstunden abbauen wollen. Es ist eigentlich eine Frechheit, an der Basis zu sparen, weil es gibt Leute, die in der Landespolizeidirektion hocken und nichts tun. Da gibt es auch ganz andere Möglichkeiten zum Einsparen. Ich kenne keinen, der nicht jammert und sagt, dass auf seiner Station zu wenige Leute sind.

Polizist, 29, Stadt: Der Assistenzeinsatz des Bundesheeres, das die Objektbewachung gemacht hat, ist seit 20. Dezember beendet (seit August 2016 unterstützte das Bundesheer die Polizei beim Schutz sensibler Objekte wie zum Beispiel Botschaftsgebäude, Anm.). Die müssen jetzt alle durch die Polizei gestellt werden. Du hast vorher schon kein Personal gehabt und viele Überstunden, jetzt kommt das noch dazu. Im Schnitt kannst du rechnen, ein Polizist muss jetzt bis zu vier Objektüberwachungen zusätzlich machen im Monat.

Polizistin, 29, Stadt: In gewissen Bezirken ist es normal, dass du nach den ersten zwölf nochmal zwölf Stunden anhängst, also einen 24-Stunden-Dienst machst. Dann kommen noch Objektbewachungen dazu oder Überstunden aus der Streife. Es kann sein, dass du drei 24-Stunden-Dienste hintereinander hast. Dann musst du von vier bis sieben in der Früh noch Funkwagen fahren können, obwohl du schon die vierundzwanzigste Stunde im Dienst bist, mit drei Stunden Schlaf.

›Ich kenne keinen, der nicht jammert und sagt, dass auf seiner Station zu wenige Leute sind.‹

Polizist, 39, Stadt: Die ersten Jahre habe ich durchschnittlich zwischen 1.000 und 1.200 Überstunden im Jahr gehabt. Überstunden sind billiger als neue Polizisten.

Polizist, 29, Stadt: Zeig mir irgendjemanden, der nach 23 Stunden Dienst noch mit einem lachenden Gesicht aussteigt und sagt: ›Ach, schön, dass du da bist!‹ Um fünf Uhr in der Früh geht dir einfach jeder nur noch am Arsch, überhaupt nach einem langen Dienst. Das ist einfach so, das ist menschlich, wir sind ja keine Roboter.

Polizist, 39, Stadt: Polizist ist einer von den Berufen, die familienunfreundlich und auch für das Sozialumfeld unfreundlich sind. Irgendwann hast du nur noch Freunde, die Kollegen sind. Alle anderen pfeifen irgendwann drauf, wenn du den vierten Termin sausen lässt, weil du Überstunden anhängen musstest. Und deswegen kracht die Polizei an allen Ecken und Enden. Jede normale Firma würde zugrunde gehen mit diesem System. Sobald bei uns einer ausfällt, muss ein anderer Überstunden machen. Es gibt keine wirklichen Reserven, und das ist das Hauptproblem bei der Polizei.

Polizist, 39, Stadt: Geld ist sicher da, aber wenn man’s für die Pferdepolizei ausgibt… Wenn du dich umhörst bei den Kollegen, die werden sagen, das ist eine Schnapsidee hoch zehn. Das ist ja nicht so wie die Radlpolizei, wo ich einmal Radln kaufe, um ein paar tausend Euro, und das war’s dann. Pferde, mit Stallungen und so, das geht jedes Jahr in die Hunderttausende. Und dann schau dir manche Dienststellen an, wie marod die sind, oder wenn du dir unsere Betten anschaust, da schläft keiner wirklich drin.

Polizist, 52, Land: Die Struktur wurde über Jahrzehnte ausgedünnt, aber die Einsparungen sind nicht in andere Sachen investiert worden, damit die Arbeit leichter von der Hand geht. Das Computerzeitalter wurde komplett verschlafen und die Ermittlungstechnik ist teilweise noch in der Steinzeit.

Polizist, 31, Stadt: Für mich ist das mit den Pferden ein absoluter Schwachsinn – und vermutlich auch für den Rest der Bevölkerung. Ich halte auch von einer Diensthunde­einheit nicht viel. Großteils ist das eine Show- und Kalendereinheit. Ich hatte schon einen Einsatz mit einem Hund, der die Baggies mit Marihuana nicht gerochen hat, obwohl sie nur in einer normalen PET-Flasche luftdicht verschlos­sen waren. So ein Hund ist also kein Allzweck-­Heilmittel. Sie eignen sich für den Einsatz bei Sportveranstaltungen und Demonstrationen, aber allgemein halte ich nicht viel von Diensthunden. Und von Pferden schon gar nicht. Ein Pferd ist ein schlechterer Hund, dienstlich gesehen. 

Polizist, 29, Stadt: Man spürt den Rückhalt von oben nicht. Man hat das Gefühl, dass man gegen uns arbeitet und Dinge sucht, die nicht passen. Aber wenn man einmal die Augen zumacht und der Kommandant gleich mit einem Disziplinarverfahren droht, ist das witzlos. Wir sind ja alle keine Roboter, sondern Menschen.

Polizist, 52, Land: Manchmal denke ich mir: Was sind wir für ein Sauhaufen? Mit Vorgesetzten, die oft nur aufgrund von Parteipolitik besetzt werden und nicht aufgrund ihrer fachlichen Kompetenzen. Oder wenn ich Kollegen sagen höre: Scheiße, schon wieder Arbeit. Das ist unser Job. In der Privatwirtschaft kannst du auch nicht sagen: Scheiße, schon wieder Arbeit. Da arbeitest du auch. 

Polizist, 55, Land: Das ist nicht der Traumberuf. Die verkaufen heute die Polizei mit der Cobra, mit Hubschraubern, mit Hundeführern, mit spektakulären Sachen. Aber wie viele können das dann machen? Von hundert Leuten vielleicht zwei oder drei. Der Rest macht ganz normalen Dienst. Das sehen wir auch bei Rekrutierungstagen und Veranstaltungen. Dann müssen die Hundeführer kommen und die Leute mit einer Vorführung begeistern. Der Polizist, der eine Lenkererhebung machen muss oder zu einem Selbstmord fahren muss, den sieht man dort nicht. Aber das ist der tägliche Job.

Polizist, 52, Land: Es ist sehr oft der Fall, dass einer der Beteiligten, der sich bedroht fühlt, den Partner einfach weghaben will. Und da ist oft jedes Mittel recht, egal ob Mann oder Frau. Du weißt genau, die Person lügt, aber du kannst nichts machen. Und der andere muss die eigene Wohnung verlassen. Der darf 14 Tage nicht nach Hause. Da habe ich dann oft daran gezweifelt, ob das so gut ist, was ich da mache. Aber du musst nach dem Gesetz handeln.

Polizist, 31, Stadt: Es ist zwar super für parlamentarische Anfragen, aber man muss wirklich nicht zu allem eine Statistik führen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Anti-­Gesichtsverhüllungsgesetz. Da mussten wir monatelang sammeln, wie viele Anzeigen es gab, wie viele Organmandate einbezahlt wurden. Das ist aber alles so verschwindend gering gewesen, dass eine extra Ausweisung in der Statistik fehl am Platz war.

Polizist, 29, Stadt: Ich würde es wieder machen, wobei ich aber keinem empfehlen würde, zur Polizei zu gehen. Es ist absolut familienunfreundlich, es sind Arsch­Dienstzeiten, die Überstunden werden in den nächsten Jahren ins Unendliche schießen. Du hast mit viel Schmutz zu tun, du hast viele Belastungen, du wirst körperlich ausgelaugt, du alterst sicher schneller als andere. 

Was unterscheidet den Polizeidienst am Land und in der Stadt?

Polizist, 52, Land: Für mich war einiges neu, als ich von Wien hierhergekommen bin. Straßenverkäufer – in Wien waren das hauptsächlich Schwarz­afrikaner – hatten die Kugeln, in denen das Kokain drin war, im Mund, und wenn du gekommen bist, haben sie es geschluckt. Es war für mich Neuland, dass die Schwarzafrika­ner hier nur Marihuana gedealt haben. Mittlerweile ist das schon anders, aber ich konnte es damals nicht glauben.

Polizist, 31, Stadt: In Wien gibt es eine starke Fluktuation. Die Arbeitsbelastung ist höher, im Bundesland ist es gemütlicher. Es lassen sich deshalb viele versetzen. Der Altersdurchschnitt ist hier am allerniedrigsten, sowohl beim Lebens- als auch beim Dienstalter. In Niederösterreich gibt es hingegen Polizeistationen, da sind alle über 50. Es ist in Wien öfter vorgekommen, dass zwei Leute gemeinsam auf Streife sind, wo einer ein halbes Jahr mit der Polizeischule fertig ist und der andere erst drei Monate. Das ist natürlich ein Wahnsinn, aber manches Mal lässt sich das einfach nicht vermeiden. Nach einem Vorfall vor circa zwei Jahren ist aber eine Richtlinie umgesetzt worden, die besagt, dass auf jedem Auto immer ein Polizist sein sollte, der zumindest drei Jahre Diensterfahrung hat. 

Polizist, 39, Stadt: Man kann jetzt sagen, die Landpolizisten verdienen dasselbe wie wir, wobei man sich denkt, die rollen dort jede Nacht den Gehsteig ein, und es ist kein Mensch auf der Straße, die haben auch viel weniger Einsätze. Aber wenn sie etwas Großes haben, dann stehen sie oft alleine da.

Polizist, 31, Stadt: Es ist schon ewig lange in Diskussion, ob Beamte, die in Ballungszentren arbeiten und deswegen eine Mehrbelastung haben, eine Großstadtzulage bekommen. Das wäre nicht schlecht.

Polizist, 52, Land: Die längste Zeit, die ich bei uns am Land auf eine diensthabende Streife gewartet habe, waren zweieinhalb Stunden. Das war keine dringende Situation. Aber wenn es brennt, wenn es wirklich dringend ist, ist jede Minute lang.

Gibt es zwischen Frauen und Männern Unterschiede in der Polizeiarbeit?

Polizistin, 29, Stadt: Mir gegenüber sind die Männer weniger aggressiv, als wenn ich mit einem Mann ankomme. Mir ist das aufgefallen bei einem Herrn, den wir festnehmen mussten. Dem Mann gegenüber hat er sich gebrüstet und uns zwei Frauen gegenüber hat er nichts gemacht. Ich glaube, dass es deeskalierend wirkt, wenn zwei Frauen im Funkwagen fahren. Ich fahre öfter mit Frauen im Funkwagen und bin noch nie in eine Situation gekommen, in der ich gedacht habe: ›Oh Gott, ich brauche einen Mann.‹ Noch nie.

Polizist, 55, Land: Frauen bei der Polizei wird man immer brauchen, ich bin halt nicht so ein Freund davon. Ob man jetzt eine Frau im normalen Streifendienst braucht, weiß ich nicht. Du wirst heute bei manchen ethnischen Gruppen einfach nicht so eine Anerkennung bekommen als Frau. Die haben mit Frauen sowieso Probleme und mit Frauen bei der Polizei erst recht. Im Kriminaldienst, bei Fällen mit Kindern — es gibt viele Möglichkeiten, wo ich Frauen einsetzen kann. Aber bei so Streitereien weiß man vorher nicht, was alles passieren kann. Ich meine, es gibt schon Frauen, die ›ihren Mann stehen‹, aber wenn du mit der Einsatzeinheit ausfährst, und du stellst 50 Leute hin und darunter sind zwei Frauen, dann wird das Gegenüber dort hingehen, wo man am leichtesten die Sperrkette durchbrechen kann. Da werd ich nicht zum Ein-Meter-90-Mann hingehen, wenn nebenbei eine Frau mit Ein-Meter-60 und 45 Kilo steht.

Polizistin, 29, Stadt: Ich werde in meinem Bezirk wie ein Mann behandelt. Manchmal in der Schule habe ich Kommentare von Kollegen gehört: ›Was willst du mit der im Funkwagen? Mit der kannst du niemanden heraustragen oder raufen.‹ Aber ich habe auch schon ge­rauft, und wir haben es zu zweit geschafft, jemanden zu Boden zu bringen. Ich glaube, dass ich das gleich gut kann wie ein Mann.

Wie gehen Sie mit psychischer Überlastung um?

Polizist, 39, Stadt: Es klingt vielleicht kalt, aber es muss einem egal sein. Wir stehen dann vor Leichen, vor verunfallten Personen, vor Personen, die soziale Schicksale haben, die echt sehr schlimm sind, und wir schauen dabei so aus, als würde es uns nicht berühren. Wenn wir alles an uns ranlassen würden, würden wir daheimsitzen und stundenlang plärren. 

Polizist, 25, Stadt: Es gibt Leute, die speziell geschult sind, mit denen du auf Augenhöhe reden kannst. Ich könnte jetzt natürlich nach Hause gehen und meiner Lebensgefährtin oder meinem Lebensgefährten erzählen, was ich erlebt habe. Die können zuhören, aber sie können es nicht verstehen.

Polizist, 31, Stadt: Es ist lange als Schwäche gesehen worden, wenn man damit nicht fertig wird – egal, ob es um eine Leiche oder einen Schusswaffengebrauch geht. Mittlerweile ist das anders, und es gibt viele Angebote. Es gibt eine eigene Polizeiseelsorge und einen Peer-Support. Das sind Kollegen mit einer eigenen Schulung. 

Polizistin, 29, Stadt: Wenn dir etwas nicht mehr aus dem Kopf geht, gibt es Seelsorger und spezielle Teams. Aber ich hätte noch nie gehört, dass das jemand in Anspruch nimmt. Da gibt es eine große Hemmschwelle, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vor allem bei Männern ist das generell so, dass die eher den starken Mann spielen müssen. 

Polizist, 55, Land: Heute gibt’s ›peer support‹. Wenn du die anrufst, die sind sofort da. Damals bist du rausgekommen und hast einen Toten gehabt, und da hat niemand mit dir geredet. Das war allen wurscht.

Polizist, 39, Stadt: Ich habe das schon selber zweimal in Anspruch genommen. Einmal weil sie ohne mein Wissen verständigt worden sind. Da hat es bei einem Verkehrsunfall ein Todesopfer gegeben, und du hast eigentlich nichts mehr erkannt von der Leiche. Und das zweite Mal nach häuslicher Gewalt. Es gibt die häusliche Gewalt, wo jemand gestoßen wird oder einmal eine Tetschn kriegt. Das ist genauso strafrechtlich relevant, genauso verwerflich. Aber dann gibt es die häusliche Gewalt, wo der Mann im Zimmer hockt, und die Frau und der kleine Bub sind in der Küche, grün und blau geschlagen, mit blutenden Augen, blutender Nase. Wir haben auch Gefühle, und es ist nicht für jeden leicht, das zu ertragen.

›Wenn wir alles an uns ranlassen würden, würden wir daheimsitzen und stundenlang plärren.‹

Polizist, 25, Stadt: Ich denke, dass es in der Polizei schon noch so ein ›altes Denken‹ gibt: Du bist ein Mann, du bist zur Polizei gegangen, du weißt, worauf du dich da einlässt und musst einfach damit klarkommen. Das haben schon viele Ältere immer noch, dieses Denken, und das beeinflusst einen auch. Man will ja dann nicht als Weichei dastehen.

Polizist, 39, Stadt: Es hat schon Tage gegeben, da bin ich daheim gesessen, oft viele Stunden nach dem Dienst, und du siehst etwas im Fernsehen, was ähnlich ist oder mit deinem Fall zu tun hat, und auf einmal kommen dir die Tränen. Dumm eigentlich, aber auch irgendwie menschlich.

›Freund und Helfer‹ oder ›Bastard‹ – wie sieht Sie die Bevölkerung?

Polizistin, 29, Stadt: Prinzipiell ist der Respekt gegenüber der Polizei schon gesunken, vor allem in Wien. Respekt gibt es selten.

Polizist, 52, Land: Die ältere Generation hatte einen ganz anderen Zugang zur Polizei. Geschichtlich auch. Gerade, dass sie nicht vor dir Habacht gestanden sind, wenn du sie zum Beispiel mit dem Auto aufgehalten hast. Und heute? Gerade, dass sie dich nicht anspucken.

Polizist, 39, Stadt: Dein Freund und Helfer, das ist natürlich ein Leitspruch, der ja jetzt eigentlich nicht mehr gilt, seit Jahren heißt es ›Sicherheit und Hilfe‹. Natürlich ist Freund und Helfer der positivere Spruch. Und er ist ja nicht falsch, weil jeder, der Hilfe braucht, kann gerne kommen, rund um die Uhr, zu jeder Tageszeit. Dann sind wir erfreut, wenn er zu normalen Zeiten kommt, und wenn er um drei in der Früh kommt, wird er vielleicht einen Polizisten finden, der eine Polsterfalte im Gesicht hat.

Polizistin, 29, Stadt: Mein Respekt vor der Polizei ist in der ersten Woche in der Polizeischule drastisch gesunken, als ich gesehen habe, wer in meiner Klasse sitzt und wie die Leute so drauf sind.

Polizist, 31, Stadt: Alkohol und andere Einflüsse lassen Leute schnell respektlos und überheblich werden. Sie verschätzen sich oft in ihrer Respektlosigkeit. Und die Unkenntnis kommt da natürlich auch oft dazu. Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass wir seit 2015 einen enorm starken Zulauf an Leuten gehabt haben, die westliche Gepflogenheiten nicht gewöhnt sind.

Polizistin, 29, Stadt: Ich werde vor allem in ausländischer Sprache beschimpft, aber man kennt dann die Wörter schon. Kurva. Für mich gehört es zum Alltag, beschimpft zu werden. 

Polizist, 31, Stadt: Normalerweise kommen Beschimp­fungen oft von Leuten, die sozial sehr weit abgestürzt sind. Da muss man dann für sich selbst überlegen: Zahlt es sich überhaupt aus, die Person anzuzeigen? Wer soll das bezahlen? Die Person selbst kann es nicht. Was passieren wird, ist, dass sie eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten muss. Das ist ihr im Winter vielleicht eh recht, weil sie dann einen Schlafplatz hat und was zu essen bekommt. Auf der anderen Seite kostet den Staat ein Tag Haft rund 400 Euro. 

Polizist, 55, Land: Die Polizei muss sich ja immer an die Gesellschaft anpassen. Wenn ich in Wien in einem ›Paradebezirk‹ Dienst habe, muss ich anders einschreiten als in einem Dorf am Land. 

Polizist, 29, Stadt: Der Mund ist die wichtigste Waffe, die wir haben. Alles andere sind Notlösungen.

Polizist, 52, Land: Du bist der Dämpfer, wenn zwei raufen oder bei einer Massenschlägerei. Die sehen dann die Polizei, und dann gehen sie auf die Polizei los.

Polizist, 39, Stadt: Natürlich gibt’s Leute, die wollen’s wissen. Und wenn du zum vierten Mal sagst, bitte verlassen Sie den Ort, weil Sie machen hier Unruhe, und er bleibt stehen und schreit weiter oder wirft mit Sachen, ist irgendwann das Ende erreicht. Ich lass mich auch nicht gerne frotzeln, und ich sitze am längeren Hebel. Es ist meine Aufgabe, hier Recht und Ordnung herzustellen. Mir ist lieber, er geht nach Hause und hat seine heilige Ruhe und wir unsere. Weil, dass ich auf der Dienststelle drei Stunden schreibe und er kriegt 500 Euro Strafe, da ist keinem geholfen.

Polizistin, 29, Stadt: Von den einen wirst du beschimpft, die anderen drohen dir mit dem Anwalt. Es gibt alle möglichen Arten von Beschimpfungen.

Polizist, 25, Stadt: Das sind jetzt aber nicht nur die Leute, die ein ACAB-Tattoo haben, es gibt auch genug sehr links denkende Menschen, die von Haus aus eine andere Einstellung gegenüber der Polizei haben. Alles, was du machst, müsstest du denen gegenüber schon rechtfertigen, bevor du es nur andenkst. Viele Leute verallgemeinern die Polizei als Ganzes, aber dass jeder Polizist im Prinzip ein anderer Mensch ist, der anders einschreitet, sehen die Leute nicht. Die haben von Grund auf die Einstellung: ›Bei der Polizei sind alle gleich, die machen alles falsch und sind nur gegen Ausländer‹.

Polizist, 39, Stadt: Es gibt Leute, die vollkommen gegen die Polizei sind, gegen jedes polizeiliche Einschreiten, die dann wirklich sehr beleidigend werden. Im zehnten oder elften Bezirk, wenn da jemand kommt und sagt: ›Heast Kiwara, kumm schleich di‹, wird keiner was sagen, weil das ist halt so Mundl-Art, der kann halt nicht anders reden, und man muss auch sagen, der Polizist redet mit dem dann genauso, also da kannst du sagen: ›Heast Deppada, hau di überd Häuser‹. Wenn du das im Siebten zu jemandem sagst, dann hast du zu 90 Prozent eine Beschwerde am Hals.

Polizist, 29, Stadt: Du hast Leute, die nimmst du fest und die husten dich an, lachen dich aus und sagen: ›Haha, jetzt hast du auch TBC.‹ Was mir dann wirklich am Arsch geht, ist, wenn Leute kommen und sich drüber aufregen, dass man sie kontrolliert oder einsperrt und sagen: die böse Polizei, aber keiner sieht die andere Seite. Dass das keine netten Menschen sind, die versuchen, uns zu verarschen und ins offene Messer rennen zu lassen, die versuchen, uns anzustecken – das sieht niemand.

Polizist, 39, Stadt: Medien sind halt leider nun mal ›auflagengeil‹. Da braucht der Reporter halt eine gute Geschichte mit negativen Sachen, weil das wollen die Leute lesen und hören. Dann werden halt Sachen gebracht in den Medien, die die Polizei schlecht dastehen lassen. Es ist genauso wie bei vielen Polizeivideos. Da wird natürlich die Vorgeschichte nicht auf Video aufgenommen, das interessiert keinen.

Polizist, 25, Stadt: Du kannst dir sicher sein, wenn du eine Amtshandlung mitten auf der Mariahilfer Straße machst, dass 20, 30 Leute um dich herumstehen, das Handy herausnehmen und dich fragen: ›Warum halten Sie diese Person an? Ist es wegen seiner Hautfarbe?‹ Die haben keine Ahnung, worum es bei dieser Amtshandlung geht. Es könnte ein Vergewaltiger sein. Mag sein, dass er ein Schwarzer ist, aber sie denken, ›Nein, sie haben diesen Schwarzen nur angehalten wegen seiner Hautfarbe, weil sie ihn auf Drogen überprüfen wollen‹. All die Leute, die von vornherein so eine Einstellung zur Polizei haben, machen genau das, was sie von der Polizei nicht wollen: sie verallgemeinern ›die Polizei‹. So wie sie sagen, die Polizei verallgemeinert Schwarzafrikaner.

Polizist, 25, Stadt: Würde es keine Polizei geben, will ich nicht wissen, wie die Welt ausschauen würde. Dass Leute zu dir sagen: ›Danke, dass Sie mir geholfen haben!‹, kommt weniger oft vor.

Wie geht es Ihnen auf Demonstrationen?

Polizist, 31, Stadt: Die meisten Demos in Österreich verlaufen sehr friedlich. Bis auf die Ausschreitungen 2014 am Akademikerball hat es nie wieder irgendwelche gröbe­ren Vorfälle gegeben. Schwierige Fälle hat man dann, wenn es eine Demo und eine entsprechende Gegendemo gibt. Oft sieht da weder die eine Seite noch die andere Seite ein, dass du sie auseinanderhalten musst. Beide werfen dir dann vor, dass du die jeweils andere Seite beschützt. Im Endeffekt musst du ja sowieso beide Seiten beschützen.

Polizist, 52, Land: Auf Demos bekommt man nie etwas Gutes zu hören. Egal, ob das politisch eher links oder eher rechts angehaucht ist: Du bist immer das Feindbild.

Polizist, 41, Land: Wenn’s eine Akademikerball-­Demo ist, dann bekomm ich schon was zu hören. ›Lächerlich‹ und ›Das sind unsere Steuergelder‹ und ›Habt ihr nix besseres zu tun?‹ Ja, da muss man sich zusammenreißen. Da weiß ich ja, das geht gegen die Uniform und nicht gegen mich persönlich. Sie tun’s ja absichtlich, damit dann jemand auszuckt, und dann können sie es filmen und sagen ›Polizeigewalt‹.

Polizist, 55, Land: Mich stört dieses Herunterbrechen auf den Einzelnen. Es gibt nicht ›den‹ Polizisten. Was kann ich am WKR-Ball dafür, wenn ich dort stehen muss? Es kann welche geben, die sagen: ›Wenn ich frei hätte, würde ich auch auf der anderen Seite mitrennen‹. ›Der Polizist‹ kann nichts dafür. Das sind die Behörden, die den Auftrag geben. Die stehen aber dann nicht draußen, die bekommen nicht ihr Fett weg. Die Polizisten, die dort stehen, bekommen von allen eine am Deckel. Gefilmt werden sie von allen Seiten, in der Zeitung verreißen sie dich.

›Würde es keine Polizei geben, will ich nicht wissen, wie die Welt ausschauen würde.‹

Polizist, 52, Land: Es ist halt ein Verfassungsrecht, egal, ob es Chaoten sind oder nicht. Es ist halt ein bisschen befremdlich, wenn du daneben stehst und zusehen musst, wie sie Autos anzünden, und du darfst nichts machen, weil der Gruppenleiter das anordnet.

Sind Ausländer krimineller als Österreicher?

Polizist, 25, Stadt: Wenn du einen Schwarzen bei der U6 am Gürtel angehalten hast, waren die Chancen sehr, sehr hoch, dass der Drogen dabei gehabt hat. Wenn ich in gleicher Art einen Weißen kontrolliert habe, habe ich nichts gefunden. Wenn man sich anschaut, welche ethnischen Gruppen in gewisse Dinge verstrickt sind, dann sieht man vielleicht ein, warum manche Leute, wenn da ein Weißer und ein Schwarzafrikaner sind, den Schwarz­afrikaner kontrollieren, weil die Chance höher ist, dass ich dort Drogen finde.

Polizist, 29, Stadt: Wenn ich eine Gruppe von fünf Afghanen aufhalte, spreche ich mit denen anders, als wenn ich eine österreichische Familie aufhalte. Natürlich können die Afghanen die nettesten Menschen der Welt sein und der Familienvater ist das größte Arschloch, aber deine Vorurteile sagen dir eben, dass es andersherum ist. Und Vorurteile sind zwar blöd, aber sie schützen dich auch. Weil, wenn du immer so locker, leiwand hingehst – ein Messer hast du schnell drinnen. Und die meisten haben ein Messer einstecken, und das tut weh.

Polizist, 41, Stadt: Nicht jeder Schwarzafrikaner ist Drogendealer, aber 90 Prozent der Drogendealer sind Schwarzafrikaner. 

Polizist, 52, Land: Der Türke hat zum Beispiel Respekt vor der Uniform. Dem Polen war die Polizei eigentlich immer wurscht. Zu meiner Zeit war das so: ›Was kann mir passieren, ich komme aus dem Ostblock?‹ Jedes Land hat die eigene Mentalität und seinen eigenen Zugang. Da geht es um ethnische Gruppen. Ob das Slawen sind, Deutsche, Nordländer. Deutsche haben gar keinen Respekt vor der Polizei.

Polizist, 29, Stadt: Ich habe noch nie einen Österreicher gesehen, der gedealt hat. Gibt es sicher auch viele, aber der steht nicht am Praterstern oder auf der Josefstädter Straße. Man denkt sich, Asylwerber bauen nur Scheiße – was natürlich definitiv nicht stimmt. Es gibt sehr viele, die sich integrieren, Deutsch lernen und versuchen, Arbeit zu finden, was nicht leicht ist. Aber wir sind bei der Polizei, wir haben meistens nicht mit den netten Menschen zu tun. Du bekommst einen sehr einseitigen Blick auf die Gesellschaft. Du hast Afghanen, Nigerianer, aber auch Polen, Ungarn, Tschechen, da versteht man nicht, warum die hierbleiben können. Wenn ich in ein anderes Land gehe, muss ich mich auch an die Spielregeln halten, und wenn ich das nicht mache, muss ich wieder nach Hause gehen. Das ist überall auf der Welt so. Nur bei uns anscheinend nicht. Das macht mich wirklich aggressiv.

Polizist, 41, Land: Ich habe eigentlich immer sehr gute Erfahrungen mit Ausländern gemacht, alles lässige Typen, mit einigen habe ich heute noch Kontakt. Ob das für alle Kollegen so ist, weiß ich nicht.

Was hat sich für Sie geändert durch einen FPÖ-Minister als Vorgesetzten?

Polizist, 29, Stadt: Was gekommen ist unter Kickl, ist, dass die persönlichen Schutzwesten angeschafft worden sind. Seit Jahren ist davon geredet worden, jetzt wurden sie endlich bestellt. Da sind die ersten ausgeliefert worden. Ich hatte das Glück, dass ich bei den ersten dabei war, die sie gekriegt haben. Die sind gut, die passen.

Polizist, Stadt, 31: Es hat jetzt jeder eine Stichschutzweste und ein Diensthandy bekommen. Ansonsten wird auch viel investiert, wo man es aber nicht direkt merkt, weil man nicht wirklich damit zu tun hat. Die Cobra hat zum Beispiel zwei neue Panzer bekommen. Das ist schön für die Cobra, aber ich brauche keinen Panzer, um den Verkehr zu regeln.

Polizist, 29, Stadt: Man schaut jetzt schon mehr, dass man schwarze Schafe rausbekommt und mehr Leute abschiebt. Mein Vorgesetzter, der schon viele Entwicklungen mitgemacht hat, sagt: Früher hat die Fremdenpolizei in 90 Prozent der Fälle gesagt: Nein, geht nicht, können wir nicht abschieben. Und jetzt ist es doch so, dass sie in 90 Prozent der Fälle sagt: Ja. Auch weil sie schon die Gesetze verändert haben, dass es halt leichter geht, und weil die Blauen schon eher schauen, dass Leute, die sich nicht an die Gesetze halten, dann wegkommen. Was ja alles, sofern es fair und transparent bleibt, auch okay ist. Weil wie gesagt, in jedem anderen Land musst du ja auch heim, wenn du dich nicht an die Spielregeln hältst.

Polizist, 55, Land: Ich würde so im normalen Dienst nicht merken, dass wir jetzt einen blauen Innenminister haben. Die Polizisten auf der Straße machen ihre Arbeit genauso, wie sie sie auch unter einem roten oder einem schwarzen Innenminister gemacht haben. Diese ganzen Blödheiten in den Ministerien merken die gar nicht.

Polizist, 29, Stadt: Das ist auch etwas Neues seit einem Jahr, dass jeder Polizist auch privat eine Waffe tragen darf. Das war sicher eine Entwicklung in die richtige Richtung. Natürlich wollen wir keine amerikanischen Verhältnisse, wo jeder bewaffnet ist, aber man ist eben doch einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt.

Kann heute wirklich jeder zur Polizei?

Polizist, 55, Land: In meiner Klasse waren wir zwei Leute mit Matura. Sonst waren Zimmerer, Maurer, Tischler. Das waren ›Anpacker‹. Die Leute waren außerdem zwischen 25 und 30. Die sind alle aus dem Berufsleben gekommen. Die hatten Lebenserfahrung und ein Auftreten. Heutzutage sitzen dort nur mehr Schüler.

Polizist, 31, Stadt: Da gibt es einen Generationen-­Gap. Jüngere Kollegen sind einfach verwöhnt, zeigen weniger Leistungsbereitschaft. Ich habe einen anderen Umgang als die Kollegen, die 20 oder 30 Jahre im Dienst sind – und genauso haben Leute mit Anfang 20 ganz andere Umgangsformen als ich. Das kann man nicht wegdiskutieren.

Polizist, 52, Land: Es braucht einen schärferen Aufnahmetest. Man kann ja auch nicht sagen, dass jemand, der vorher gearbeitet hat und vielleicht schon 40 Jahre alt ist, ein besserer Polizist ist als jemand, der 17, 18 Jahre alt ist und so früh wie möglich zur Polizei geht. Es kann der eine oder der andere ein Versager sein, auf gut Deutsch.

Polizist, 55, Land: Auch zwischen Niederösterreich oder Wien ist das Niveau anders. Der Test ist derselbe, aber die Punkte sind anders, weil die Neuen den sonst nicht schaffen. Angeblich sind da auch Leute dabei, die durchgefallen sind und dann angerufen wurden, ob sie nicht doch hinkommen wollen. Das wird für das Niveau des Polizeidienstes jetzt womöglich nicht unbedingt förderlich sein.

Wie hat Sie Ihr Beruf verändert?

Polizist, 31, Stadt: Mein Polizeischüler hat einmal zu mir gesagt: ›Schön langsam gewöhne ich mich daran, dass mich alle so anglotzen‹. Und ich habe darauf gesagt: ›Nach ein paar Jahren kriegst du es eh gar nicht mehr mit‹. Und genauso ist es auch.

Polizist, 41, Land: Ich bin eher links aufgewachsen, und ja, ich sag jetzt nicht, dass ich mich da jetzt abgewandt habe – eigentlich bin ich weder links noch rechts – aber jetzt bin ich halt weniger links als vor der Polizei. Also, ich bin jetzt nicht rechts. Aber man verändert seine Sichtweise.

Polizist, 52, Land: Ich hatte gewisse Ideale. Ich habe mir gedacht, es gibt nur Schwarz und Weiß. Du willst natürlich das Gute vertreten und das Böse so klein wie möglich halten. Es ist aber nicht schwarz und weiß.

Polizist, 29, Stadt: Man sieht Leute anders, denkt sich schnell: Was könnte der für einer sein? Muss ich bei dem vielleicht ein bisschen besser aufpassen?

Polizist, 52, Land: Die Angst ist immer da. Die ist ein guter Begleiter, die Angst.

Polizist, 29, Stadt: Ich fahr nur mit dem Auto. Wenn man mit der U-Bahn fährt, fällt es schwer, vom Dienst abzuschalten. Weil man überall etwas sieht – hier einen Giftler, dort jemanden, der jemanden belästigt, Leute, die man eingesperrt hat. In meiner Freizeit möchte ich mich nicht damit konfrontieren.

Polizist, 55, Land: Wenn du dein Leben lang immer Leute siehst, die versuchen, dir etwas vorzulügen, dann verlierst du das Vertrauen in das, was dir Leute erzählen. Das bekommst du nicht mehr weg.

›Die Angst ist immer da. Die ist ein guter Begleiter, die Angst.‹

Polizist, 41, Land: Man kommt mit Problemen in Berührung, die man nicht gekannt hat. Ich bin sehr behütet aufgewachsen, da ist es leicht, tolerant zu sein. Weil du nichts bemerkst von den Problemen. Und wenn du jetzt die Leute nimmst, von den Grünen oder so. Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen, dass die da schon wirklich in Brennpunktsituationen waren. Für die sind die schlimmen Sachen ganz weit weg, da ist es eben leichter, diese Toleranz in sich zu haben.

Polizist, 29, Stadt: Wenn man jeden Tag 30 Süchtler kontrolliert, geht einem das einfach nicht mehr nahe. So hart es klingt, aber in gewisser Weise haben sie ihr Schicksal selbst in der Hand, und gerade in Wien wird extrem viel getan in der Suchthilfe. Da ist jeder selbst schuld, der das nicht annimmt.

Polizistin, 29, Stadt: Am Anfang denkst du dir: Mein Gott, eine Leiche! Und nach der fünften Leiche ist dir das egal.

Polizist, 31, Stadt: Man entwickelt schwarzen Humor, um das Ganze nicht zu sehr an sich ranzulassen. Die Totenbeschau-Ärzte und die Leute von der Bestattung haben einen ganz groben Schmäh. Für Außenstehende ist das oft ein Wahnsinn. Es ist okay, wenn es einem dabei hilft, damit umzugehen – aber man muss es ja nicht die ganze Welt wissen lassen.

Polizist, 29, Stadt: Man stumpft ab, lässt vieles nicht mehr so an sich herankommen. Einzelschicksale nehmen einen nicht mehr ganz so mit. Wenn man alles persönlich nimmt, dann frisst einen das auf.

Polizist, 52, Land: Die schlimmeren Sachen vergisst du normalerweise nicht. Die guten Sachen verblassen komischerweise irgendwann. Mit der Zeit lernt man, damit zu leben. •