Der Papst und der Sinner
Die Vatican Press inszeniert Leo XIV. als volksnah, modern und locker. Die Begeisterung für Tennis ist nicht gespielt, gleichzeitig kehrt der Heilige Vater zu einer konservativen Symbolik zurück.
Just don’t bring Sinner‹, antwortete der Papst, bekennender Tennis-Fan und -Spieler, auf die Frage eines Journalisten, ob er bei einem Wohltätigkeitsspiel mitmachen würde. Wahrscheinlich entstand dadurch der ungewöhnliche Fototermin am 14. Mai 2025: Das Oberhaupt der katholischen Kirche trifft in einem Nebenraum der vatikanischen Audienzhalle die Nummer eins der ATP-Rangliste Jannik Sinner. Dieser schenkt Leo XIV. einen Tennisschläger. Auf dem Gemälde im Hintergrund übergibt Jesus die Schlüssel für den Himmel an Petrus.
Die Szene wirkt herzlich, fast spielerisch. Gleichzeitig sei das Treffen gezielt inszeniert, um medienwirksame Bilder zu erzeugen, die viral gehen können, schätzt Claudia Paganini, Medienethikerin an der Uni Innsbruck und an der Hochschule für Philosophie München: ›Der Sportler als prominenter Gast dient als Türöffner zur Populärkultur. Ziel ist es vermutlich, jüngere Menschen zu erreichen, Vorurteile gegenüber kirchlicher Autorität abzubauen und eine Brücke zwischen spirituellem Amt und weltlicher Gegenwart zu schlagen.‹ Die Strategie zielt laut Paganini auf ›Soft Power‹ durch Nahbarkeit ab: ›Das PR-Team des Vatikans will den Papst als weltoffene Führungspersönlichkeit zeigen, die sportliche Symbolik nutzt, um Werte wie Fairness, Austausch, Respekt und Spielkultur zu vermitteln.‹
Der Schläger in der Hand, das Lächeln, der lockere Austausch – das alles kommuniziert das Bild eines humorvollen, zugänglichen Papstes, der nicht über den Menschen steht, sondern bei ihnen ist. Weniger Hierarchie, mehr Menschlichkeit, sozusagen.
Die Vatican Press, eine hochprofessionell aufgestellte PR-Maschinerie mit globalem Einfluss, arbeitet gerne mit einer Verschmelzung traditioneller und moderner Symbolik. Das bietet sich an, da im Vatikan jahrhundertealte Bräuche und Rituale dominieren. Ihre Kommunikation beschreibt Paganini als ›in der Regel konservativ, aber strategisch effektiv‹. Bei einem Papstwechsel werde gezielt modernisiert, um auch eine junge Zielgruppe zu erreichen, erklärt sie.
Ein weltoffener, dialogbereiter Papst in entspannter Haltung könne als Opposition zu autoritären, nationalistischen Führungsstilen gelesen werden, meint die Theologin. Damit positioniert sich der Vatikan als humanistisches Gegengewicht im weltweiten Diskurs, was besonders im Kontext von Migration, Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit wünschenswert wäre, ergänzt Paganini.
An die erste Reise von Papst Franziskus nach Lampedusa, an seinen Kuss auf die Füße der muslimischen Asylbewerberin, erinnert Martha Zechmeister in einem offenen Brief an den neuen Papst, veröffentlicht im katholischen Feuilleton feinschwarz.net. Die gebürtige Niederösterreicherin ist Ordensfrau und Professorin für Systematische Theologie an der Universidad Centroamericana in El Salvador. Sie bezeichnet die katholische Kirche als ›eine wahre Meisterin der Inszenierung‹.
Diese Macht, eingesetzt als prophetische Zeichenhandlung, sei ein hohes Gut, schreibt sie.
Und sie betont noch einen anderen Unterschied zum Amtsantritt des Vorgängers Papst Franziskus in schlichtem Weiß: Leo XIV. setzt mit dem roten Schulterüberwurf und einer goldbestickten Stola auf traditionelle Symbole. Er lässt sich den Ring küssen und möchte im prunkvollen Apostolischen Palast residieren. Das klingt dann doch weniger entspannt und zugänglich als das inszenierte Tennisfoto suggeriert. •