Der Pfeil zeigt Richtung Moldau

Die kleine Republik im Süden der Ukraine passt in vielerlei Hinsicht in Moskaus Beuteschema. Schon jetzt kämpft sie mit den wirtschaftlichen und humanitären Folgen von Putins Krieg.

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Fotografie :
Gil Cohen­Magen/AFP/picturedesk.com
DATUM Ausgabe April 2022

Es ist eine Szene, wie sie Sowjet-Choreografen der 1970er-Jahre für das Staats-TV nicht passender hätten entwerfen können: Da steht der Chef, deutet mit einem Zeigestab auf einer Karte umher und erklärt als Wissender den Unwissenden, was Sache ist. Zu sehen ist eine Karte der Ukraine, geteilt in vier Zonen: Osten, Süden, Norden, Westen. Da sind Pfeile, die anscheinend militärische Stoßrichtungen illustrieren sollen.

Der Chef in diesem Setup ist Alexander Lukaschenko, Machthaber in Belarus. Die, die er da aufklärt, über die Pfeile und Sektoren, sind die Mitglieder seines Sicherheitsrates. Und der Krieg in der Ukraine beweist bereits an diesem Tag Anfang März, dass diese Pfeile keinesfalls militärische Fiktion, sondern zumindest zum Teil bereits blutige Realität sind.

Da ist aber vor allem ein Detail auf dieser Karte, das ein Nachbarland der Ukraine hellhörig gemacht hat: die Republik Moldau. Denn ein Pfeil auf Lukaschenkos Illustration schwingt sich von Odessa gen Nordwesten genau in dieses Land hinein. Ein Land, das in vielerlei Hinsicht in Moskaus Beuteschema passt: Es beherbergt eine russische Minderheit, es hat innerhalb seiner Grenzen ein von Russland unterstütztes abtrünniges Gebiet, es strebt eine nähere Anbindung an den Westen an. Genau wie die Ukraine und Georgien hat die Republik Moldau nun einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Seit 2014 hatte ein Assoziierungsabkommen gegolten. Der Antrag auf Mitgliedschaft zum jetzigen Zeitpunkt ist ein zusätzliches Signal, dass Chişinău die Zukunft im Westen sieht und weniger im Orbit Moskaus.

Aller positiver Rhetorik zum Trotz sieht es für die Ukraine, Moldau und Georgien aber nicht nach einem Beitritt im Schnellverfahren aus. Frankreich, Deutschland, die Niederlande oder auch Dänemark haben bereits klare Vorbehalte deponiert, was einen raschen Beitritt der Ukraine angeht: Zum einen ist es ihr unter den gegebenen Umständen kaum möglich, die EU-Bedingungen umzusetzen, was sich mittelfristig negativ auf die Stabilität der EU auswirken würde. Vor allem aber würde man mit einem Beitritt im Schnellverfahren andere Länder, wie zum Beispiel Mazedonien oder Albanien, vor den Kopf stoßen. Mazedonien ist seit dem Jahr 2005 Beitrittskandidat, Albanien seit 2014. Wahrscheinlich ist, dass die Ukraine, Moldau und möglicherweise auch Georgien den Kandidatenstatus zuerkannt bekommen – was an sich ja schon mit der Umsetzung von EU-Projekten einhergeht. Die könnten essenziell für den Erhalt der Stabilität der Länder sein.

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