Der Preis des Glimmers
Lipgloss und Lidschatten, Autolack und Adapter: Nichts davon kommt ohne ein Mineral aus, das kaum jemand kennt. Auf Madagaskar schürfen bereits Kinder in verborgenen Minen nach Mica. Eine Expedition in die Ausbeutung und zu einem Mann, der sich dagegenstemmt.
›Wie viele noch?‹ Wasser spritzt auf die Ladefläche des Pick-ups. Auf einmal ein Ruckeln, ein Reifen, der durchdreht. Zwischengas, der Wagen gerät ins Rutschen, knirscht, ächzt, der Motor heult auf. Und dann volles Karacho, nur raus aus dem Wasser, die Böschung hinauf. ›Noch zwei weitere Flüsse. Dann sind wir dort.‹
Anfangs, da waren wir zumindest ein blauer Punkt auf dem Smartphone. Einer, der sich auf Google Maps kaum bewegte und einem Pfad folgte, den man erst erkannte, wenn man tief in das Satellitenbild hineinzoomte. Doch das war vor Stunden. Es war noch dunkel und bitterkalt draußen. Nun brennt die Sonne unbarmherzig vom Himmel. Die Akazien am Rande des Weges sind ebenso verschwunden wie die Herden an Zebus, die ihn bei Sonnenaufgang querten. Was blieb, ist trockene, staubige Savanne mit Felsformationen am Horizont, die wir erst in Stunden erreichen werden. Verschwunden sind auch wir, als blauer Punkt auf dem Smartphone. Kein Handy-Empfang mehr. Was, so die bange Frage, wenn wir dort nie ankommen? Oder uns auf dem Weg etwas zustößt? Es sind Gedanken, die keiner laut ausspricht, die man lieber gleich wieder verdrängt.
Wir sind tief im Süden von Madagaskar, der großen Insel im Indischen Ozean, zwei Tagesreisen von der Hauptstadt entfernt. Dreißig Millionen Menschen leben in diesem Land, das viele am ehesten als exotische Urlaubsdestination auf dem Radar haben. Doch nichts hier im Hochland entspricht dem Instagram-Idyll, das die touristisch verwertbare Seite der Insel ausmacht: Weder lustig umherhüpfende Lemuren, noch der betörende Duft von Vanille, und schon gar keine perlweißen Traumstrände. Dafür ein umgekippter Laster, der uns plötzlich den weiteren Weg versperrt. Wie ein Käfer auf dem Rücken liegt er neben der abgerutschten Fahrbahn. Vor drei Tagen schon sei das passiert, erzählen der Chauffeur und seine Begleiter, die seither nachts unter dem Wrack schlafen und untertags versuchen, ihren Laster wieder freizuschaufeln. Einzig das mitgebrachte Wasser bewahrt sie bisher vor dem Verdursten, denn Wasserstellen gibt es weit und breit keine.
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