Die Formel der Macht

Wer hat sie? Wer missbraucht sie? Und gehen Frauen mit Macht wirklich anders um? Ein DATUM-Tischgespräch mit Barbara Blaha, Gregor Demblin, Marc Elsberg, Harald Katzmair und Maria Rauch-Kallat.

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Fotografie:
Stefan Fürtbauer
DATUM Ausgabe Oktober 2020

Frau Rauch-Kallat – kein Beruf wird so sehr mit Macht assoziiert wie die Spitzenpolitik. Wie steht es um die individuelle Macht einer Politikerin? 

Maria Rauch-Kallat: Die Macht ist weitaus geringer, als vielleicht man­­che annehmen würden. Sie ist aber innerhalb der politischen Ämter dann doch relativ groß. Auch als einfacher Nationalrat kann man Dinge verändern. Ich habe es sogar geschafft, als Mitglied des Bundesrats die schulischen ­Integrationsversuche für behinderte Menschen zu verlängern. Das war das einzige Mal, dass eine Gesetzesinitiative vom Bundesrat in den Nationalrat übernommen werden musste. Als Minister wiederum hat man die Möglichkeit, schneller Dinge zu bewegen. Wobei auch schnell relativ ist. Das schnellste Gesetz, das mir einmal gelungen ist, damals noch als Umweltministerin, waren hundert Tage vom Einbringen bis zum Beschluss im Bundesrat.

Hat die persönliche Macht von Ministerinnen und Ministern in den vergangenen 20 Jahren tendenziell abgenommen oder zugenommen? 

Maria Rauch-Kallat: Ich glaube, das ist gleichgeblieben. Es ist härter geworden durch sehr viel mehr Transparenz als früher, durch die permanente öffentliche Beobachtung, die ja nicht nur von den Medien gegeben ist, sondern auch von – Gott sei Dank – zunehmend mündigeren Bürgerinnen und Bürgern, vor allem aber durch die Sozialen Medien. Politik ist überhaupt rasant geworden. Was mir nach wie vor auffällt : Frauen haben ein ganz anderes Verhältnis zur Macht als Männer. Frauen empfinden Macht sehr oft als etwas Unanständiges. Aber nicht die Macht an sich ist unanständig, sondern sie ist Voraussetzung dafür, dass man etwas gestalten und machen kann. Der Missbrauch der Macht ist unanständig. Und weil wir immer wieder Machtmissbrauch erleben, wollen Frauen sehr oft mit Macht nichts zu tun haben. Das ist auch ein Grund, warum sich Frauen seltener für Führungspositionen bewerben.

Barbara Blaha: Dazu gleich ein Einwurf : Wenn wir an Max Webers Definition von Macht denken, dann ist ja Macht nichts anderes als das Potenzial, meinen Willen gegen den Widerstand einer anderen Person durchzusetzen. Ich würde meinen, dass Frauen weniger ein Problem mit Macht haben, weil sie möglicherweise auch missbräuchlich verwendet wird, sondern weil Frauen in unserer Gesellschaft immer noch die Rolle zugeschrieben wird, sie müssten integrativ sein und schauen, dass alle irgendwie mitgenommen werden. Wir sind nicht die, die dazu erzogen werden, auch etwas gegen Widerstände durchzusetzen. Das ist nicht unsere Rolle. Da hat sich zwar schon viel verändert, aber da ist immer noch ein langer Weg zu gehen. Den Frauen ein bisschen zuzuschieben, die wollen ja keine Macht – da versuche ich immer dagegenzuhalten und das noch einmal in ein größeres Ganzes zu setzen.

Herr Katzmair, die wahre Macht liegt ja in den ­langsamen Prozessen, wie etwa der Gesetzgebung. Gleichzeitig wird die Politik aber immer schneller. Was bedeutet das?

Harald Katzmair: Es sind die schnellen und die langsamen Zyklen relevant. Man kann sagen, es gibt vier Parameter, die hier spannend sind : Die Grundformel lautet : Macht ist gleich Geld, mal Beziehungen, mal Aufmerksamkeit. Neben diesen drei Aspekten gibt es aber einen vierten Aspekt, der mich besonders interessiert. Weil er auch der klassischen westlichen Vorstellung von Macht entgegensteht. Wir haben immer die Vorstellung, Macht sei in ihrem Zentrum konzentrierbar und auch abspeicherbar. Im chinesischen Denken ist es aber so, dass Macht kein starres Zentrum hat, sondern als Wind beschrieben wird. Und der Wind hat kein Zentrum. Wind bewegt alles – aber wo hat er sein Zentrum? Das wäre also die vierte Dimension der Macht, die man auch übersetzen könnte mit der atmosphärischen Stimmung. Es gibt eine Gemengelage, die wir nicht greifen können. Das ist etwas sehr Rätselhaftes und meiner Meinung nach unglaublich schwer bis kaum manipulierbar. Man könnte vereinfacht sagen, es gibt drei Aggregatzustände der Macht. Den gefrorenen – das sind Gesetze, Eigentumsordnungen wie das Grundbuch – wo die Dinge wirklich zum Teil für Jahrhunderte eingemeißelt sind. Man hat einen flüssigen Zustand der Macht, bei dem es zum Beispiel um Kapital geht, das ich investieren kann, das beweglich und agil wird. Aber es gibt eben auch einen gasförmigen Zustand der Macht, der dieses Atmosphärische abbildet. 

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