Die Goldgräber
Die Wiener Unternehmer Helmut und Katarina Kaltenegger geben ein glänzendes Versprechen: Gold zu Tiefstpreisen. Bald müssen sie wegen schweren Betrugs vor Gericht. Trotzdem setzen sie ihr Geschäft vom Ausland aus fort, als sei nichts geschehen.
Helmut und Katarina Kaltenegger wollen zu den Reichen und Schönen gehören und scheuen keine Mühen, das zu zeigen. Als sie vor vier Jahren im Sommer heirateten, trug er ein goldenes Sakko und sie Diamanten am Hals. Zu ihrer Feier luden sie damals Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sänger Haddaway ins Wiener Palais Liechtenstein. Während Letzterer seinen 1990er-Hit ›What is Love? Baby, don’t hurt me‹ sang, tanzten die beiden durch ihre Hochzeitsnacht.
Vier Jahre später, beim vergangenen Opernball, holten die Kalteneggers dann das senegalesische Topmodel Papis Loveday nach Wien. Sie hatten ihm zuvor ein schillerndes Diadem in Übergröße auf den Kopf gesetzt. Fotografen drängten sich um den Ehrengast. Im Blitzlicht an seiner Seite standen stets die Kalteneggers. Die Staatsoper führt eine Firma der beiden mittlerweile sogar als Teil ihres offiziellen Freundeskreises.
Wenn Josip Tadic die Ballfotos der Kalteneggers auf Instagram sieht, fällt dem 36-Jährigen nur ein Wort ein: ›Wahnsinn.‹ Anfang April sitzt er an seinem Wohnzimmertisch im steirischen Werndorf und hat drei A4-Zettel vor sich. Es sind Rechnungen über insgesamt 4.614,94 Euro. Mit dem Geld habe er bei den Kalteneggers 110 Gramm ›Gold mit Rabatt‹ gekauft, sagt Tadic. Nach zwölf Monaten hätte geliefert werden sollen, bald dreieinhalb Jahre später sei noch immer nichts bei ihm angekommen. Einmal drohte er bereits mit seinem Anwalt. Vergebens.
Tadic und seine Geschichte sind kein Einzelfall, rund 21.000 Geschädigte sollen die Kalteneggers um ihr Erspartes gebracht haben. Das geht aus einer rechtskräftigen Anklage gegen das Ehepaar und eine dritte Person hervor, die derzeit beim Wiener Straflandesgericht liegt. Der 58-Jährige und seine 20 Jahre jüngere Frau sollen mit ihrem Unternehmen GGMTrading GmbH*, kurz für Green-Gold Mine Trading, seit Juli 2018 einen Schaden von insgesamt 34,6 Millionen Euro verursacht haben. Sie versprachen Kunden billiges Gold, das zu großen Teilen nie ankam. Ihnen drohen dafür bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.
Dieser Vorwurf bezieht sich auf einen mehr als gewagten Geschäftsplan: Die beiden warben für Gold-Terminkäufe mit enormen Rabatten auf den internationalen Goldpreis. Bis zu 50 Prozent sollten Kunden sparen können, wenn sie sich bereit erklärten, bis zu drei Jahre auf die Lieferung ihres Goldes zu warten, versprachen die Kalteneggers. Die niedrigen Preise würden dadurch ermöglicht, dass eine Mine in Südamerika, namentlich die Aulicio Mining Inc., mit Hilfe des bezahlten Geldes bis zum Liefertermin gewinnbringend Gold schürfen und handeln würde. Mit den Erlösen sollte später zertifiziertes Gold in Österreich gekauft und an Kunden weitergegeben werden. Die Geschäftsidee des Jahrhunderts? Eher nicht. Die Ermittler der WKStA gehen vielmehr von einem System aus, mit dem Kunden vorsätzlich getäuscht wurden.
Was diesen Betrugsverdachtsfall so besonders macht, sind dessen Protagonisten. Denn die Kalteneggers haben nicht nur ausschweifend gefeiert, sondern sind auch zu einem wesentlichen Player in der österreichischen Sportwelt geworden. Drei Jahre lang sponserte eines ihrer Unternehmen den Basketball Club Vienna, der mit dieser Unterstützung 2022 den Meistertitel holte. Mittlerweile überweist die neue Firma der Kalteneggers auch hunderttausende Euros an den DSV Leoben, einen Zweitligisten des österreichischen Fußballs, und an den Rennstall Grasser Racing Team, der in der Deutschen Tourenwagen-Masters, kurz DTM, an den Start geht.
Das ist umso brisanter, als der in ein paar Monaten anstehende Prozess die Kalteneggers bisher nicht davon abhält, ihr Geschäft fortzusetzen. Bis heute werben sie weiter um Kunden. Von einem anderen Land aus und unter verändertem Unternehmensnamen versprechen sie mit neuem Logo und neuen Geschäftspartnern fast dasselbe wie früher. Aus diesem Grund hat sich DATUM auch entschlossen, die beiden Geschäftsleute mit vollem Namen zu nennen, obwohl sie mit Hilfe ihres Anwalts versucht haben, das zu verhindern. Aber dazu später mehr.
Das große Versprechen
Um zu verstehen, wie der eben beschriebene Millionenschaden entstehen konnte, hilft ein Blick in die Vertriebskarriere von Helmut Kaltenegger, dem Mann hinter GGMT. Sie begann nicht mit Gold, sondern mit Staubsaugern. 20 Jahre lang verkaufte er sie. In den 2010er-Jahren folgten überteuerte Kaffeemaschinen, eine hammerfeste Oberflächenbeschichtung für Smartphones und ein Herztrank, der nebenbei potenzfördernd wirken sollte. Die Verträge der Kaffeemaschinen-Käufe wurden von einem Gericht als sittenwidrig eingestuft. Das Unternehmen für die Oberflächenbeschichtung endete in einem Konkursverfahren. Der Vertrieb des potenzfördernden Herzmittels findet nur noch in den virtuellen Regalen einer Online-Apotheke statt.
Trotz mehrerer Fehlschläge gründete Kaltenegger gemeinsam mit seiner heutigen Frau im Jahr 2018 schließlich die GGMT. Von Wien-Währing aus begannen sie, um Kunden für ihr angeblich so billiges Gold zu werben. Dafür filmte sich Helmut Kaltenegger auch einige Male vor einem ganz besonderen Bild, das in seinem Wohnzimmer hängt. In grellen Farben gemalt sieht man darauf das Ehepaar neben Dagobert Duck posieren, der einen Goldbarren mit Gravierungen der Münze Österreich hält. Vor einiger Zeit drohte die Prägeanstalt mit rechtlichen Schritten, weil das Ehepaar widerrechtlich Bilder ihrer Münzen auf seine Website hochlud. Die Fotos verschwanden daraufhin aus dem Internet, das Kunstwerk selbst hängt aber wohl noch immer im Haus der Kalteneggers.
Es ist nicht klar, ob die Kalteneggers damals an ihr Geschäftsmodell glaubten. Sie brauchten jedenfalls reichlich Menschen, die bereit waren, Gold zu kaufen. Wie also überzeugten sie ihre Kunden?
Sie bedienten sich eines Modells, das oft von Personen als ›die Zukunft der Werbung‹ bezeichnet wird, die sich später als Betrüger herausstellen: Netzwerk-Marketing. Käufer werben neue Käufer an, die wiederum Käufer anwerben. Sie fischen im engsten Familien- oder Freundeskreis und bekommen dafür Provisionen. Bis heute arbeiten unter den Kalteneggers Dutzende freie Vertriebsmitarbeiter, die das Versprechen vom passiven Einkommen durch den Goldkauf vermarkten.
Auch Josip Tadic, der Geschädigte aus Werndorf, kam nicht selbst, sondern über den Rat seines besten Freundes auf die Idee, Gold zu kaufen. Die beiden kennen sich schon seit vielen Jahren, Tadic, von Beruf Dellendrücker, nahm ihn früher sogar mit zu Arbeitsterminen. Ende 2020 zeigte ihm dann sein Freund etwas Neues: die Angebote von GGMT. ›Er hat mir erzählt, dass er selbst schon viel Gewinn dort gemacht hat und mir sein Gold präsentiert‹, sagt Tadic, ›wenn dir das ein Freund sagt, dann glaubst du dem ja eher, als wenn du’s einfach irgendwo im Internet liest.‹ Was Tadic nicht wusste: Die Leute der Kalteneggers bilden Vertriebsmitarbeiter wie seinen Freund aus und bläuen ihnen in Vorträgen ein, dass nichts besser als die Empfehlung eines Bekannten sei. Und sie versprechen diesen Vermittlern hohe Provisionen.
Mit dem Geld der ersten Kunden erkauften sich die Kalteneggers dann auch auf eine traditionellere und deutlich prestigeträchtigere Art die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden: Sportsponsoring. Und das lassen sie sich bis heute einiges kosten. Mit dem Grasser Racing Team, das in der gut besuchten DTM fährt, unterzeichnete man im November vergangenen Jahres einen Vertrag über fast eine Million Euro. In elf Raten soll das Geld bis kommenden Oktober überwiesen werden. Dafür prangt auf den Lamborghinis des steirischen Rennstalls nun das Logo der Kalteneggers.
Der Fußball-Zweitligist DSV Leoben erhält seit Mai 2023 monatlich einen mittleren fünfstelligen Betrag. Als Gegenleistung trägt er das Goldunternehmen im Namen. Helmut Kaltenegger ist sogar Funktionär im Verein. Sein Firmenlogo klebt prominent auf den Shirts der obersteirischen Kicker und auf den Banden des Stadions neben dem Stahlwerk im Leobener Stadtteil Donawitz. Das Geld konnte der DSV gut nutzen. Die Mannschaft platzierte sich auch dank der Finanzspritze oben in der Tabelle der 2. Liga und stieß ins Halbfinale des österreichischen Cups vor.
Sei es durch die Empfehlung kleiner Vertriebsmitarbeiter oder dank Werbebanner im Stadion ihres Lieblingsvereins: Zeigen potenzielle Kunden einmal Interesse, legt man ihnen nahe, an Zoom-Calls des Unternehmens teilzunehmen, ›um sich selbst ein Bild zu machen‹. In den Calls empfangen die Menschen an der Spitze des Systems neue Interessenten. Einer, der ganz oben steht, heißt Jürgen R. Über ihn beschweren sich Menschen auf Facebook, weil er sie zu hochriskanten Geschäften überredet habe, die sie schließlich ihr Erspartes gekostet hätten. Bis heute vermarktet er in offiziellen Zoom-Calls der GGMT und ihrer Nachfolgeunternehmen deren Angebote. Mal mit den Kalteneggers, mal mit anderen Personen. Dabei vor den Bildschirmen: bis zu 300 Zuschauer.
R. verspricht während seiner Monologe das Blaue vom Himmel. Er rechnet den Interessenten Schritt für Schritt ihre potenziellen Gewinne vor. So, dass es auch wirklich jeder verstehen könne, sagt er dabei selbst. Dann erklärt er die verschiedenen Angebote für den Goldkauf, wobei er schnell auf die Kernbotschaft zu sprechen kommt: Je länger die Wartezeit auf das Gold, desto höher der Profit für Anleger. Und er macht Angst. Die Welt würde auf eine noch nie dagewesene Finanzkrise zusteuern. Der beste und womöglich einzige Weg, dem zu entkommen, sei es, in Gold zu investieren. Am besten bei der GGMT.
Michael Eubel leitet die Abteilung ›Sorten/Edelmetalle‹ der Bayerischen Landesbank und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit solchen oder ähnlichen Angeboten. Angesprochen auf das Geschäftsmodell der Kalteneggers sagt er: ›Das stinkt doch zum Himmel.‹ Er hörte 2019 das erste Mal von der GGMT. Schon damals hielt er ihr Modell für eine eigentlich leicht zu erkennende Betrugsmasche, ›aber Gier frisst Hirn‹. Denn Goldinvestments könnten per se gar keine fixe Rendite bringen. Dafür würde der Goldpreis konstant in die Höhe schießen müssen, erklärt Eubel, und das sei alles andere als sicher. Auf Kursanstiege folgten in der Vergangenheit immer auch Kurseinbrüche. Der lange Zeitraum zwischen Kauf und Lieferung deute zusätzlich auf ein Schneeballsystem hin. ›Nur solange Kunden frischen Schnee, also Geld, regnen lassen, können die Händler damit schaufeln und ihre Versprechen halten‹, sagt Eubel, ›irgendwann brechen diese Systeme dann in sich zusammen.‹
Schon 2019 fanden sich im Internet die ersten Warnungen in einschlägigen Blogs und bald darauf negative Bewertungen von geprellten Kunden. Gold ist allerdings von der Finanzmarktaufsicht ausgenommen, fragwürdige Geschäfte damit sind schlecht überwacht. Allen Ungereimtheiten des Geschäftsmodells zum Trotz kauften laut Anklage schließlich mindestens 21.000 Kunden Gold im Wert von 34,6 Millionen Euro bei der GGMT. Es drängt sich die Frage auf: Wie konnte dieses System so lange ungestört weiterlaufen?
Die faulen Ausreden
Das liegt einerseits daran, dass die Kalteneggers ihre Versprechen zunächst weitgehend hielten. DATUM hat mit Menschen gesprochen, die tatsächlich Goldlieferungen bekamen. Josip Tadic hingegen hatte weniger Glück. ›Es kamen immer neue Ausreden, aber Gold kam keines‹, erinnert er sich. Die angeblichen Begründungen der Kalteneggers für ihre Lieferschwierigkeiten lesen sich heute wie nett formulierter Hohn.
Da war zum Beispiel eine Mail vom 30. April 2021. Der Geschäftsführer der Baumin-Mine in Sierra Leone, ein Partner der GGMT, sei ›leider verstorben‹, schrieb dort ›das Support-Team‹ der GGMT. Die Lizenz für eine Goldmine sei in Afrika aber personenbezogen und ›die Übertragung der Lizenz kann nicht mehr an Nachkommen übertragen werden oder sozusagen ist die Übertragung mit einiger Zeit verbunden‹. Die Conclusio der Absender: Der Vertrag mit der Mine sei aufgekündigt, geliefert werde trotzdem. Am Ende der Mail wünschte die GGMT noch ›goldige Grüße‹.
Auch beim zweiten Partner, der Aulicio im südamerikanischen Guyana, hätte laut Nachrichten der GGMT höhere Gewalt für Lieferverzögerungen gesorgt. Die Mine des Österreichers Alexander S. und seiner Gattin, einer guyanischen Lokalpolitikerin, sei von der Corona-Pandemie und mehreren Hochwassern schwer getroffen worden, hieß es. Die GGMT warb damit, dass es sich bei S. um einen Bediensteten des österreichischen Außenministeriums handele. Tatsächlich war S. einst in Brasilien als Konsul tätig, später aber nur noch in der Bibliothek des Außenministeriums beschäftigt. Wegen seiner Geschäfte stellte ihn dieses schließlich vom Dienst frei. Seitdem ist er im Ruhestand.
Nachdem immer mehr Kunden fragten, wo ihr Gold bleibt, versuchte sich die GGMT mit Herbst 2022 aus der Verantwortung zu ziehen und trat laut eigenen Angaben alle Verträge an die Aulicio ab. Die Konsequenz sei, erklärte man den Kunden, dass nun nicht mehr die GGMT, sondern die Mine in Südamerika für die Erfüllung der einst mit der GGMT abgeschlossenen Verträge zuständig sei. Kunden müssten deshalb einem neuen Vertrag zustimmen, hieß es. Dann und nur dann würde das geschuldete Gold in Raten als Geld überwiesen werden. So steht es in roten Buchstaben in einer Mail an Geschädigte, die DATUM vorliegt.
Josip Tadic erinnert sich noch gut an die Nachrichten von damals: ›Sie haben Druck erzeugt, dass ich der Vertragsübernahme zustimme.‹ Tadic verweigerte trotzdem die Zustimmung. Das Vorgehen der GGMT war wohl kaum legal, es wirft aber die Frage auf, ob Tadic bei Zustimmung das geschuldete Geld womöglich doch noch bekommen hätte.
›Mir hat die Unterschrift nichts gebracht‹, sagt der heute 22-jährige Schweizer Florin Fritschi. Sein Vater und er bestellten etwa zur selben Zeit wie Tadic Gold im Wert von rund 900 Euro. Der Sohn war kurz davor von einem Schweizer Rapper davon überzeugt worden, Gold bei der GGMT zu kaufen. Insgesamt 30 Gramm orderten sie mit Lieferzeiten von 18 bis 30 Monaten. Der Vater stimmte dem Vertrag nur zu, weil er seinem Sohn zeigen wollte, dass man – sinngemäß – nicht jeden Blödsinn glauben sollte, schreibt der Vater in einer Mail heute. Offenbar eine gute Gelegenheit dafür. ›Uns wird schon lange versprochen, dass Gold oder Geld kommen wird‹, sagt Florin Fritschi. Gesehen hätten die beiden davon bisher nichts.
Die Flucht nach vorne
Nach der Vertragsübernahme durch die Aulicio entschieden die Kalteneggers, ihr Geschäftsmodell mit dem Versprechen vom billigen Gold fortzusetzen. Denn der guyanischen Mine folgte ein neuer Partner, mit dem laut GGMT alles besser werden sollte.
Helmut Kaltenegger, der mit Superlativen ohnehin selten knausert, überschlägt sich fast vor Begeisterung, wenn er in Videos über die Gold Crest Refinery Ltd. in der ghanaischen Hauptstadt Accra zu sprechen beginnt. Hinter der 2019 gegründeten Raffinerie soll eine Familie gebürtiger Inder stehen, die in Ghana das IT-Unternehmen IPMC gegründet habe, das sie laut Kaltenegger zu Milliardären machte. Warum aber lässt sich dieses Unternehmen von Kleinanlegern gegen absurde Renditen mitfinanzieren? Laut Kaltenegger erfolgt die Zusammenarbeit seitens der Gold Crest aus Werbegründen. Und warum ein österreichisches Goldhändlerpaar als Partner? ›Weil sie ehrlich sind‹, sagt die Verantwortliche der Gold Crest, Niharika H., in einem Interview, das für Kunden aufgezeichnet wurde.
Es ist schwer nachzuprüfen, wie seriös die Gold Crest wirklich ist. IPMC, die indische Familie, sogar einige ghanaische Mitarbeiter des Goldverarbeiters existieren tatsächlich. Ein paar Details werfen allerdings Fragen auf. Laut Angaben von GGMT beziehe die Gold Crest Rohgold von eigenen und fremden Minen aus ganz Westafrika und bereite dieses in ihrer Goldraffinerie zu höherwertigen Barren für den Export nach Europa und Asien auf. Hinweise auf eigene Goldminen der Firma konnte DATUM jedoch nicht finden. Aus Berichten der Ghana Chamber of Mines lässt sich jedenfalls nur auf verhältnismäßig kleine Goldexporte schließen.
Um glaubwürdiger zu wirken, behauptete Vertriebsmitarbeiter Jürgen R., einer der Abnehmer der Produkte der Gold Crest solle der angesehene Edelmetall-Konzern Heraeus sein. Er sagte das in einem offiziellen Zoom-Call für Kunden. Später tat es ihm ein weiterer Vertriebsmitarbeiter gleich. Es handelt sich offenbar um eine Lüge: Das deutsche Unternehmen Heraeus weist eine Zusammenarbeit nämlich auf Nachfrage zurück – die gebe es weder mit den indischen Ghanaern noch mit den Unternehmen der Kalteneggers.
Außerdem wirbt die Gold Crest mit zahlreichen ausländischen Niederlassungen, eine davon in Österreich. Diese existieren zum Teil nicht mehr oder nur als Hüllen. Eine Firma in Großbritannien wurde 2023 gelöscht, bei einer anderen in den Niederlanden findet sich im dortigen Firmenbuch als Adresse nur die Geschäftsanschrift in Accra. Der österreichische Ableger verkauft laut seiner Website Schmuck, den man allerdings nicht bestellen kann. Die angegebene Adresse in Wien führt zum Büro einer Firma, deren Geschäftsführer auch in Videos der GGMT als deren Generaldirektor auftrat.
Michael Eubel von der Bayerischen Landesbank sagt: ›Als Staatsunternehmen mit all den Auflagen der Lieferkettensorgfalt und dem überwachten Umgang mit Konfliktmineralien, zu denen Gold gehört, wäre es gar nicht möglich, direkt mit der Gold Crest ins Geschäft zu kommen.‹ Er kenne die Gold Crest zwar nicht im Detail, sie sei aber weder LBMA- noch Good-Delivery-gelistet, die wichtigsten Parameter für markttaugliches Gold, das ethischen und qualitativen Standards entspricht. Das reiche, um mehr als vorsichtig zu sein. ›Gold aus solchen mutmaßlichen Scams ist meistens entweder geklaut, involviert Verbrechen wie Kinderarbeit oder existiert von Anfang an gar nicht‹, sagt Eubel. Was hier der Fall sei, könne er nicht beurteilen.
Wann die Kalteneggers von den gegen sie laufenden Ermittlungen erfuhren, ist nicht bekannt. Während sie nun auf ihren Gang vor das Wiener Straflandesgericht warten, drängt sich allerdings eine Frage auf, die Behörden bisher nicht verfolgen: Vollzieht das Paar gemeinsam mit der Gold Crest gerade seinen sogenannten ›Exit-Scam‹?
Bereits im September des vergangenen Jahres begann das Ehepaar nämlich, sein Unternehmen nach Liechtenstein umzusiedeln. Aus einer Vaduzer Firma mit dem Namen M.R. CAPITAL AG wurde plötzlich die GGMT Revolution AG. Nun waren dort auch die Kalteneggers mit an Bord, wie aus einer Eintragung im Liechtensteiner Handelsregister hervorgeht. Außerdem mit dabei: eine Reihe von in Liechtenstein arbeitenden österreichischen Juristen. Neben einem Unternehmensberater und einer Expertin für Finanzstrafrecht findet sich dort auch ein ehemaliger Professor der Linzer Johannes-Kepler-Universität.
Ihren Umzug gab die GGMT ihren Kunden erst im März dieses Jahres offiziell bekannt. Helmut Kaltenegger begründete ihn mit einer Internationalisierung des Geschäfts. Der österreichische Markt sei zu klein geworden, das Unternehmenswachstum zu groß. Eine negative Firmenbilanz aus dem Jahr 2022 steht dieser Behauptung entgegen.
Unter dem neuen Namen Trust Gold International, kurz TGI, setzen die Kalteneggers seither ihr Geschäftsmodell in ähnlicher Form von Liechtenstein aus fort. Auf den Trikots des DSV Leoben, der mittlerweile DSV TGI Gold Leoben heißt, prangt nun das Logo der TGI, genau wie auf den Lamborghinis des Grasser Racing Teams. Und auch die Powerpoint-Präsentationen während der Zoom-Calls für Neukunden haben Farbe und Firmennamen gewechselt, sind aber bis auf ein paar neue Angebote und noch höhere Rabatte gleich geblieben.
Doch je weiter sich die Geschichte der Kalteneggers entwickelt, desto mehr Verlierer scheint es darin zu geben. Denn seit geraumer Zeit steht der DSV vor allem abseits des Rasens im Scheinwerferlicht. Die Bundesliga erteilte für die kommende Zweitligasaison in erster Instanz keine Zulassung zur Teilnahme. Außerdem führt die WKStA Vereinsobmann Mario Bichler und weitere Personen aus dem Umkreis des Clubs aktuell in einem Ermittlungsverfahren als Beschuldigte. Der Vorwurf lautet schwerer Betrug. Bichler soll unter anderem Mitinitiator des Krypto-Anlage-Systems Paraiba gewesen sein, das hohe Renditen versprach und stattdessen zehntausende Anleger um mehrere hundert Millionen Euro gebracht haben soll. Bichler weist sämtliche Vorwürfe zurück. Auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Außerdem nutzen die Kalteneggers nun den slowakisch-kasachischen Zahlungsdienstleister Mountain Wolf. Dessen Geschäftsführer sitzt zwar in Österreich, das Unternehmen verfügt im ganzen DACH-Raum aber über keine Konzession, um Geldgeschäfte tätigen zu dürfen. Es sind ausgerechnet die Länder, in denen wohl die meisten Kunden der TGI ihr Gold kaufen. Trotzdem halten die beiden Unternehmen gemeinsame Calls für Interessenten ab. Die österreichische Finanzmarktaufsicht hat bereits eine Warnung zu Mountain Wolf veröffentlicht, aufgrund derer jedenfalls erste Sponsoring-Zahlungen an das Grasser Racing Team eingefroren wurden. Das geht aus einem Vermerk der Geldwäschemeldestelle des Bundeskriminalamtes im Paraiba-Akt hervor.
Und kurz vor Redaktionsschluss stieß DATUM noch auf ein interessantes Detail. Wollen TGI-Kunden Gold kaufen, sollen sie nun nicht mehr direkt an Kaltenegger-Unternehmen zahlen. Stattdessen müssen Käufer von GGMT-Gold nun an einen Anwalt aus dem niederösterreichischen Neulengbach überweisen.
DATUM hat alle involvierten Personen und Firmen mit den Vorwürfen konfrontiert, die sich aus den Recherchen ergeben haben. Die Kalteneggers richteten DATUM über ihren Anwalt aus, DATUM habe in seinen Mails ›bewusst oder unbewusst diverse Unternehmungen verwechselt‹ und den gesamten Sachverhalt ›vorverurteilend, kreditschädigend und teilweise unrichtig dargestellt‹. Statt angebliche Fehler richtigzustellen oder die Vorwürfe auch nur zu bestreiten, ließen sie ausrichten, dass sie Fragen zu den geschilderten Geschäften ›nur gegenüber Behörden und Gerichten beantworten‹ würden. Ihr Anwalt forderte DATUM außerdem dazu auf, die Haftung für die angeblich allein durch die Fragen an Geschäftspartner entstandenen Schäden zu übernehmen. Eine bezifferte Schadensaufstellung werde man zu gegebener Zeit bekannt geben.
Beim anstehenden Prozess am Straflandesgericht Wien wird es aber erst einmal darum gehen, ob und wenn ja welchen Schaden die Kalteneggers angerichtet haben. Dass eine Entscheidung der Justiz Geschädigten wie Josip Tadic ihr Geld zurückbringen wird, ist allerdings unwahrscheinlich.
Nachdem dieser fast zwei Stunden lang erzählt hat, sitzt er an diesem Abend im April immer noch am Wohnzimmertisch seines Hauses in Werndorf, die Rechnungen seiner Goldkäufe vor sich. An seiner Seite seine Frau, eine ehemalige Bankangestellte, die ihm einst vom Investment abgeraten hatte.
Um ehrlich zu sein, habe er sich ohnehin schon länger damit abgefunden, dass sein Investment wie ein teurer Gang ins Casino gewesen sei, sagt Tadic. ›Ich mache mir keine Hoffnungen mehr, mein Geld wiederzusehen.‹ Warum er seine Geschichte trotzdem erzählt? ›Damit nicht noch mehr Menschen denselben Fehler begehen wie ich.‹ •
* Helmut und Katarina Kaltenegger besitzen zwei fast gleichnamige Firmen mit ähnlichen Geschäftszwecken, die GGMTrading GmbH und die GGMT Revolution Vertriebs GmbH. Zur Anklage haben die Geschäfte ersterer geführt, das geht aus den zeitlichen Abläufen hervor. Da beide Firmen aber das gleiche fragwürdige Geschäftsmodell angeboten haben, fassen wir sie mit der Abkürzung zusammen, unter der sie auch beide nach außen auftraten: GGMT.