Ausgehöhlt
Im nordschwedischen Kiruna befindet sich das größte Vorkommen Seltener Erden in der EU. Doch die geplante Mine würde eine wichtige Rentierroute des letzten indigenen Volkes Europas blockieren.
Anders Kärrstedt kommt nun doch mit dem Auto. Der Hund auf der Hinterbank ist aufgeregt, er wackelt mit dem Schwanz und versucht alles abzuschlecken, was in seine Nähe kommt. ›Er gehört meinem Sohn, ich passe für ein paar Tage auf ihn auf‹, erklärt Anders mit rauer Stimme. Der 71-jährige Rentierhüter trägt Brille und Mütze, während er das Auto durch Nordschweden steuert. Anders gehört zu den Sami, dem letzten indigenen Volk Europas, das vor tausenden Jahren nach Nordschweden gelangte. Seit jeher sind sie eng mit dem Leben der Rentiere verbunden, mit denen sie jährlich über weite Strecken durchs Land ziehen. Eigentlich hätte die Anreise mit dem Bus passieren sollen, doch auf halber Strecke meldeten sich Motorprobleme. Anders ist überrascht, dass er überhaupt so weit gekommen ist. Die Gegend hier strotzt nicht gerade vor Infrastruktur. Nördlich der Straße tun sich weite Birkenwälder auf, nur unterbrochen von Seen, die gern auch dutzende Kilometer Länge einnehmen. Südlich baut sich ein protziges Bergmassiv auf. Das Auto überquert einen Fluss, der sich weit durch die Landschaft zieht. In ein paar Tagen wird Anders in den Bergen sein. Wie jedes Jahr kommen dort alle Rentierhüter seiner Samigemeinschaft zusammen, um die neuen Rentierkälber zu markieren. Jede Familie hat ihr individuelles Zeichen, das sie ihren Tieren in die Ohren schneidet.
Wir halten bei seinem Haus, das so umkreist von Birken ist, dass nicht einmal mehr die Straße zu sehen ist. Es wirkt wie unberührtes Land. Doch der Schein trügt. Die Stille wird von einem sich anbahnenden Zug zerrissen. Hunderte Waggons rattern schwer beladen an dem Haus vorbei. Sie transportieren Eisenerz, geformt in murmelgroße Pellets. Der Zug kommt aus der naheliegenden Stadt Kiruna und ist eine Erinnerung an das gigantische Bergwerk, das dort über die Landschaft ragt.
Während Norrbotten, die nördlichste Region von Schweden, für seine Natur bekannt ist, ist es auch eine Hochburg des Bergbaus. Ganz besonders sticht daraus die Mine in Kiruna hervor. Das dahinterstehende staatliche Unternehmen Loussavaara-Kiirunavaara Aktiebolag (LKAB) – benannt nach den zwei an Kiruna angrenzenden Bergen – produziert satte 80 Prozent des europäischen Eisenerzes, circa die Hälfte davon kommt aus Kiruna. Allein 2023 fuhr das Unternehmen einen Gewinn von fast eineinhalb Milliarden Euro ein. Was heute schon gigantisch wirkt, soll in Zukunft noch erweitert werden. Denn: 2022 entdeckte LKAB direkt neben Kiruna das größte Vorkommen Seltener Erden in Europa. 2,2 Millionen Tonnen werden hier vermutet. Jetzt wird daran gearbeitet, das nach einem schwedischen Geologen benannte Per-Geijer-Vorkommen mit einer neuen Mine abzubauen. Für die Sami und ihre Rentiere sind das keine guten Neuigkeiten.
Das Leben der Sami hat sich über die letzten Jahrzehnte hinweg beträchtlich geändert. Wenn Anders bei den Rentieren ist, schläft er nur noch einzelne Nächte in einem Lavuu, einem samischen Tipi. Meist gibt es feste Hütten auf seinen Routen. Zu Hause hat er Warmwasser, eine Heizung, alle anderen Elektrogeräte, die ein moderner Haushalt benötigt. Gefahren wird mit Autos, Quads und Skidoos. Doch egal, wie viel sich verändert hat, die traditionellen Werte der Sami sind erhalten geblieben, so auch das Rentierhüten. Doch das könnte sich für Anders und seine Sami-Gemeinschaft mit der neuen Mine ändern. Er holt eine Karte hervor und fährt mit einem Stift die Routen entlang, die er mit seinen Rentieren jährlich zurücklegt. Das Gebiet erstreckt sich in einem schmalen Band von der norwegischen Grenze fast bis nach Finnland hinüber. Die Grenze im Norden wird von einem Fluss bestimmt, im Süden teils von der Autobahn E10. In der Mitte des Migrationsgebiets liegt Kiruna. ›Das Problem ist, dass Kiruna jetzt schon an einer Engstelle liegt‹, sagt Anders. ›Die jetzige Mine, die Stadt, der Flughafen, ein Huskyschlitten- und Schneemobilgebiet: All das lässt uns nur einen schmalen Korridor für unsere Rentiere übrig. Und genau in diesen Korridor soll die neue Mine kommen.‹ Auf der östlichen Seite von Kiruna liegen die Sommergebiete, auf der westlichen ist es schnell gebirgig, dort wächst im Winter zu wenig, um die Rentiere zu ernähren, und es gibt mehr natürliche Feinde. Die neue Mine würde das Gebiet entzweien. Die Rentiere wären dann von den Sommergebieten abgeschnitten. ›Andere Sami-Gemeinden transportieren ihre Rentiere schon in LKWs, das zerstört aber ihren Orientierungssinn.‹ Anders’ Stimme wird noch raue. ›Und sie einzusperren macht keinen Sinn. Das ist nicht die Art, wie ein Rentier leben sollte. Ihre Lebensweise ist es, zu migrieren – und wir folgen ihnen seit tausenden Jahren.‹
Doch die Interessen an den Seltenen Erden sind riesig. Gerade die EU versucht den Abbau zu beschleunigen. Denn eine Vielzahl an Technologien sind auf die 17 Metalle angewiesen. Sie sind essenziell für die grüne Wende, da sie für Windräder benötigt werden, für E-Autos und Photovoltaikanlagen. Sie sind aber auch wichtig für die Digitalisierung, Smartphones würden ohne sie nicht funktionieren. Und auch für militärische Technologien sind sie unentbehrlich. Kampfjets wie die F-35 benötigen sie für ihre Waffensysteme, Raketen sind darauf angewiesen, um ihre Ziele zu finden. Bis 2030 soll sich deren Bedarf gegenüber 2020 in der EU verfünffachen. Derzeit ist die EU noch vollkommen abhängig von anderen Staaten: Allein aus China kommen 46 Prozent der Seltenen Erden, von den besonders wichtigen schweren Seltenen Erden sind es gar hundert Prozent.
Um dem höheren Bedarf und den Abhängigkeiten entgegenzuwirken, wurde 2024 von der EU der Critical Raw Materials Act (CRMA) erlassen, der den eigenen Bergbausektor stärken soll. Darin werden 47 kritische Rohstoffe angeführt – darunter auch die 17 Seltenen Erden –, die wichtig für die Europäische Wirtschaft sind und gleichzeitig dem Risiko von Lieferengpässen unterliegen. Ab 2030 sollen zehn Prozent der von der EU verwendeten kritischen Rohstoffe auch in der EU abgebaut werden, zurzeit sind es 7 Prozent. ›Bergbau ist immer invasiv. Wenn von Seltenen Erden die Rede ist, wird oft das Narrativ der grünen Wende in den Vordergrund gerückt, um den Abbau zu legitimieren. Die Bedeutung solcher Rohstoffe etwa für die Militarisierung wird gern ausgeblendet‹, erklärt Gertrude Saxinger, die an der Universität Graz eine Professur für integrative Geografie innehat. ›In der Wissenschaft ist schon von sacrifice zones, also Opferzonen die Rede. Gebiete, die dem Abbau geopfert werden, damit eine grüne Wende geschafft werden kann. Das wären zum Beispiel weniger dicht besiedelte Gebiete wie Nordschweden.‹
Damit die EU in den nächsten fünf Jahren auf die zehn Prozent kommt, muss es schnell gehen. Daher können geplante Bergbauprojekte als strategische Projekte klassifiziert werden, die einen beschleunigten Genehmigungsprozess genießen. Normalerweise zieht sich dieser über Jahre hinweg, für strategische Projekte wird dieser auf 27 Monate verkürzt. 2025 erhielt auch das Per-Geijer-Projekt in Kiruna diesen Status. ›Derzeit sind wir noch im Anfangsstadium, was das Per-Geijer-Vorkommen betrifft, und brauchen noch einiges an Zeit, bis wir Genehmigungsverfahren beginnen. Wir schätzen, dass wir erst in den 2030er-Jahren mit dem Abbau beginnen können‹, sagt Darren Wilson, Senior Vice President von LKAB. Zurzeit baut LKAB auch eine Verarbeitungsanlage für Seltene Erden in Luleå, die 2027 fertiggestellt werden soll, und arbeitet daran, aus dem Aushub einer anderen Mine in Gällivare Seltene Erden zu filtern. Laut LKAB können zusammen mit dem Per-Geijer-Vorkommen so 18 Prozent des europäischen Bedarfs für Seltene Erden gedeckt werden.
Die Firma hat aber nicht nur wegen der Seltenen Erden ein hohes Interesse an dem Vorkommen. Es wurden dort auch 1,2 Milliarden Tonnen Eisenerz und Phosphor gefunden. ›Seltene Erden und auch Phosphor allein abzubauen, wäre nicht rentabel. Sie sind zwar ansonsten von großer Bedeutung, ökonomisch geht es uns ultimativ aber um das Eisenerz‹, so Wilson.
Für die Sami ist das Rentierhüten jetzt schon schwieriger geworden. In Anders’ Gemeinschaft gibt es zurzeit um die 5.000 Rentiere, früher waren es einmal 20.000. ›Das sagt schon etwas über die Eingriffe in unsere Gebiete‹, so Anders. Neben der Kiruna-Mine gibt es zig weitere menschliche Hindernisse, die die Migration erschweren. Da wären die weiteren Bergwerke in der Region, aber auch die Straßen, auf denen die Rohstoffe abtransportiert werden. Von der Kaunis-Eisenerzmine etwa wird alle fünf Minuten ein LKW losgeschickt. Normalerweise würde Anders dort die Straße queren, so ist das unmöglich. Wie die meisten anderen Sami hatte auch Anders immer Zweitjobs, allein mit dem Rentierhüten ist das Leben nur schwer zu finanzieren. Er arbeitete als Lehrer, als Touristenguide, hatte eine eigene Firma, war im Marketing tätig. Nun bereitet er sich aber langsam auf seine Pension vor, auch was das Rentierhüten betrifft. Sein Sohn wird hier übernehmen. Er sorgt sich aber, wie es ansonsten um Nachfolger aussieht. ›Gerade mit der geplanten Mine, unter diesen Umständen will so gut wie niemand mehr Rentierhüter werden‹, sagt er.
Die Geschichte der Sami ist auch geprägt von der Kolonialisierung durch umliegende Großmächte. Noch lange vor anderen Völkern besiedelten sie das heutige Nordschweden. Doch je weiter sich das Großreich Schweden in diese Region ausbreitete, desto mehr versuchte es, die Kultur der Sami zu verdrängen. Sie sollten christianisiert werden, ihre Sprache war lange Zeit verboten, Sami wurden sterilisiert. Mittlerweile gibt es mehr Rechte für die Sami, doch gerade Schweden hinkt an wichtigen Stellen weiter hinterher. Die ILO 169, ein Gesetz für den Schutz indigener Völker, wurde nie ratifiziert. ›Eine weitere UN-Deklaration für die Rechte indigener Völker wurde zwar mitunterzeichnet, Schweden hat aber verabsäumt, seine nationalen Gesetze dementsprechend umzugestalten‹, so Saxinger. Anders formuliert es so: ›Für die schwedische Regierung sind wir vor allem eines: im Weg.‹
Die Stadt Kiruna wiederum lebt von ihrer Mine wie die Sami vom Rentierhüten. 2020 stellte das Bergwerk 1.800 Personen ein, die Stadt hat 17.000 Einwohner. Viele weitere arbeiten indirekt für LKAB, etwa über private Elektrikerunternehmen. Ohne die Mine gäbe es auch die Stadt nicht. An dutzenden Häuserwänden hängen Banner des Bergbauunternehmens, Autos mit dem LKAB-Logo fahren herum. Egal wo man sich in der Stadt aufhält, das Bergwerk scheint überall seinen Abdruck zu hinterlassen, allein schon seine gigantische Kulisse im Hintergrund der Stadt ist omnipräsent. Durch diese Verwobenheit steht der Großteil der Bewohner dem Bergwerk positiv gegenüber, und das, obwohl es die Stadt erheblich beeinträchtigt. Denn durch die intensiven Grabungsarbeiten ist der Boden über den Minenschächten instabil geworden. Bis in eine Tiefe von 1.365 Metern wurde Eisenerz aus der Erde entnommen, der Boden darüber sinkt in die Erde ab. Über der Mine sieht man einen riesigen Erdriss, der sich vier Kilometer durch die Landschaft zieht. Und auch die Erdmasse, auf der Kiruna errichtet ist, sinkt langsam Richtung Mine. Die Gebäude der Stadt drohen einzustürzen. Schon seit 2004 ist die Stadt dabei, Häuser zu verlegen und niederzureißen. Mittlerweile steht schon ein neues Stadtzentrum gut drei Kilometer weiter von der Mine entfernt. Insgesamt sind 12.000 Personen von dem Umzug betroffen. Für viele Einwohner ist die Rechnung aber eine einfache: Ohne die Mine gäbe es für viele auch keinen Job. Daher ist die Umsiedelung eine Notwendigkeit.
In der neuen Stadthalle ist ein 3D-Modell der Stadt zu sehen. Durch die Häuser ist ein roter Faden gezogen. Er symbolisiert die Trennlinie, vor der alles abgerissen wird. Im Café daneben sitzt die Lehrerin Anita Fransson, die in Kiruna geboren wurde und seit einem Jahr Führungen in der Mine gibt. Diese laufen über das Tourismuszentrum, die Materialien bekommt sie von LKAB, dort angestellt ist sie aber nicht. Anitas Geschichte mit LKAB ist eine durchwachsene. Als im Jahr 1969 Proteste gegen das Bergbauunternehmen ausbrachen, war sie mit dabei. Sitzblockaden, Märsche, Kundgebungen. Es ging um bessere Arbeitsbedingungen und ein besseres Gehalt für die stark unterbezahlten Bergbauarbeiter. ›Ich war damals erst 19. Aber ich habe gesehen, dass die Arbeiter nicht fair behandelt wurden und ich wusste, dass das nicht richtig war. Darum bin ich mitgegangen.‹ Nach 57 Tagen beendeten die Minenarbeiter ihren Protest mit einem Erfolg, sie bekamen bessere Arbeitsbedingungen und besseres Gehalt. Seither ist viel Zeit vergangen. Im Jahr 2003 wurden die Risse in der alten Stadthalle entdeckt, die die Umsiedlung von Kiruna in Gang setzten. Heute sieht Anita LKAB in einem anderen Licht. ›Ich glaube, die Firma hat sich verändert. Ich glaube, heute versuchen sie, Gutes zu tun.‹ Das sehe sie vor allem bei der Umsiedelung der Stadt. Wie viele andere in Kiruna muss auch Anita aus ihrem Haus ausziehen. Dafür gab es großzügige Kompensationen, auch die neue Stadt wird gänzlich von LKAB finanziert. Das muss LKAB rechtlich auch, doch Anita sieht positiv, wie sie damit umgehen. ›Sie übernahmen Verantwortung.‹ Anita ist auch von der Bedeutung der Per-Geijer-Mine überzeugt: ›Das größte Vorkommen Seltener Erden in Europa, sie wären verrückt, das abzulehnen. Es geht um zu viel.‹ Dabei ist ihr der Konflikt mit den Sami bewusst. ›Wenn es die Mine geben wird, dann muss es auch Lösungen für die Sami geben. Ansonsten muss auch ich protestieren. Aber ich glaube, dass sie daran arbeiten.‹
Noch ist unklar, wie genau die neue Mine ausgestaltet sein wird. Zum Beispiel, ob es eine offene Mine oder eine unterirdische wird. Laut Darren Wilson sei eine Form des ›Sublevel Caving‹ am wahrscheinlichsten. Dabei wird der Erzkörper von oben nach unten abgebaut. Es ist dieselbe Abbaumethode, die auch für die Kirunamine verwendet wird. Anders aber ist frustriert, immer noch so wenig über die tatsächliche Ausgestaltung der Mine zu wissen. ›Es ist diese Unsicherheit, die so niederschmetternd ist‹, sagt er. Wilson erklärt, dass auch an Lösungen für die Sami gearbeitet werde. Vielleicht können Erdlöcher wieder aufgefüllt werden, zurzeit erscheine das wirtschaftlich aber nicht möglich. Vielleicht wären auch Brücken über die Mine eine Lösung. Da die Mine noch in ihrem Anfangsstadium steht, könne er das nicht so genau sagen.
Matti Blind-Berg kennt sich aus, was Gespräche mit Bergbauunternehmen angeht. Er kommt gerade von einer OECD-Konferenz zu Bergbauregionen und -städten in Rovaniemi, Nordfinnland. Dort war er als Präsident des Schwedischen Sami-Verbands einer von 48 Sprecherinnen und Sprechern. ›Ich hoffe, wir konnten den Bergbauunternehmen ein Signal senden, dass es an der Zeit ist, sich mehr um die Natur, die lokalen Gesellschaften und die indigene Bevölkerung zu kümmern.‹ Er ist ständig auf Reisen, vertritt in dem Dachverband alle schwedischen Sami-Rentierhüter. Zuletzt war er auf Konferenzen in Kanada und Island. Es ist ihm wichtig zu zeigen, dass die Sami auch hier sind, dass sie von den Bergbauprojekten sowie von anderen Branchen, wie der Forstwirtschaft, direkt betroffen sind. ›Im Kern gibt es einen Konflikt, weil zwei verschiedene Wertesysteme aufeinandertreffen. Wir setzen die Natur ins Zentrum, auf der anderen Seite steht die Idee von Wachstum.‹ Auch für ihn steht das Rentier im Mittelpunkt, alles kreist darum. Als Kleidung, als Nahrung, als Teil der Kultur. ›Ohne das Rentier gibt es auch unsere Kultur nicht mehr‹, sagt er.
Blind-Berg lebt in Kiruna, doch seine Arbeit geht darüber hinaus. Neben anderen Bergbauunternehmen ist er aber auch mit LKAB in Kontakt. ›Es ist schwer zu sagen, ob sie tatsächlich zuhören oder ob der Dialog nur kosmetisch für sie ist‹, meint er. Bei anderen Projekten habe er erlebt, dass Gespräche nur als Formalität geführt würden, weil man sich eben anhören müsse, was die Sami zu sagen haben. Ändern würden die Gespräche dann aber nichts. Gleichzeitig habe sich die Situation über die Jahre verbessert. Vor 20 Jahren habe LKAB nicht einmal mit ihm geredet, jetzt sehe er, dass die Gespräche auf Augenhöhe ablaufen. ›Dadurch, dass ich immer mit der Tür ins Haus gefallen bin, habe ich Respekt gewonnen.‹
Anders dagegen ist schwer enttäuscht von den Gesprächen. Seine Sami-Gemeinde ist diejenige, die am stärksten von der Mine betroffen wäre – sie liegt schließlich direkt in ihrem Gebiet. Er selbst war bei mehreren Gesprächen dabei. ›Sie sind gezwungen, mit uns zu kommunizieren, aber sie verstehen unsere Probleme nicht. In ihrer Welt dreht sich alles um die Mine, um die Jobmöglichkeiten, um Kiruna. Kiruna ist abhängig von der Mine, wir sind es aber nicht.‹ Auch Darren Wilson gibt zu, dass LKAB im Dialog mit den Sami vieles besser machen könne und manche Kritikpunkte angemessen seien. ›Aber es gibt immer Personen, die generell gegen eine Mine sind, und dann muss man auch schauen, was besser für das große Ganze ist. Und für eine Gesellschaft brauchen wir nun einmal Seltene Erden oder auch Eisen.‹
Geografin Saxinger sieht das Problem differenziert: ›Wir würden uns tatsächlich in die Tasche lügen, wenn wir jetzt kollektiv gegen Bergbau wären. Unser Alltag wäre ohne diese Rohstoffe nicht denkbar. Aber die Frage ist, wie und in welchem Ausmaß Bergbau betrieben werden soll. Wir müssen uns dringend fragen, wer die sozialen und ökologischen Kosten dieses Abbaus trägt. Und auch, ob dieser massive Anstieg an Konsum, den wir in Europa und anderen globalen Zentren haben, noch zeitgemäß ist.‹ Darüber hinaus funktioniere Bergbau auch nur, wenn Anrainerinteressen beachtet werden. Dabei gehe es um rein ökonomische Überlegungen. ›Wenn es immer Proteste gibt, fallen auch Investoren weg. Das verstehen viele Bergbauunternehmen nur noch nicht.‹
Unterdessen gräbt die schon bestehende Mine in Kiruna weiter. Rauch wird ausgestoßen, die Banner wehen und die Stadt ist vor allem mit dem Umzug beschäftigt. Vom an Kiruna angrenzenden Berg Luossavaara aus zeigen sich schon die ersten menschlichen Einflüsse über dem Per-Geijer-Vorkommen. Eine flachgepresste Erdfläche, einzelne Straßen, die dorthin führen. Noch ist alles ruhig. Man kann sich zurzeit nur vorstellen, was ein Bergwerk mit der Landschaft machen würde. Die Zeichen stehen darauf, dass die Mine errichtet wird. Die Interessen daran sind riesig, die EU drängt. Und auch Anita, Anders und Matti sind sich einig: Ganz egal in welcher Ausgestaltung, am Ende wird die Mine kommen. •