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Die nächste Generation

270.000 Fachkräfte fehlen laut WKO derzeit in Österreich. Hilfe soll jetzt unter anderem aus Tunesien kommen. Dort gibt es viele gut ausge­bildete Menschen, die vor allem eines wollen: weg aus ihrer Heimat. 

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Fotografie:
Matthis Kattnig
DATUM Ausgabe April 2023

Liest, fährst und können schreibt die tunesische Deutschlehrerin auf die Tafel im A1-Kurs. Dann fügt sie noch das Wort triffst hinzu, markiert die Umlaute, und erklärt den Sprachstudierenden, wann man die Wörter benutzt. Ein paar Räume weiter, im fortgeschrittenen B1-Kurs, hören die Studierenden einen Dialog über das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Geschichte der DDR. Neue Wörter, wie ›friedliche Proteste‹ und ›freie Meinungsäußerung‹, übersetzt der Lehrer gleich im Anschluss auf Arabisch. Ansonsten redet er fast nur auf Deutsch. 

Die Klassenräume in der Deutschsprachschule im Stadtteil Lac 1, einem der besseren Viertel der tunesischen Hauptstadt Tunis, ähneln denen einer Schule in Österreich. Sie sind im Durchschnitt zwar etwas kleiner, dennoch gut ausgestattet mit Sesseln, Schreibtischen, Laptop, Beamer und Audiosystem. Keine Selbstverständlichkeit in Tunesien. 

Die Gründe, warum die Menschen hier Deutsch lernen, sind unterschiedlich. Einer von ihnen ist DJ, seine Freundin Deutsche, ein anderer studiert an der Universität. Nicht wenige der Sprachstudierenden arbeiten im medizinischen Bereich, vor allem als Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger. Ihr Ziel: Sie wollen weg aus Tunesien, nach Österreich, Deutschland oder in die Schweiz.

Und sie haben gute Chancen. Denn in allen drei Ländern herrscht Fachkräftemangel. In Österreich werden bis 2030 laut Sozialministerium knapp 76.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Fachkräfte aus Ländern wie Tunesien, Kolumbien oder auch Indien sollen nun helfen.

Tunesien war einst das Ursprungsland des Arabischen Frühlings. Aus­gelöst durch den Gemüsehändler Mohamed Bouazizi, der sich am 17. Dezember 2010 in Sidi Bouzid, einer Stadt 250 Kilometer südlich von Tunis, selbst anzündete und verbrannte.  Kurz darauf kam es in vielen Ländern der arabischen Welt zu Massenprotesten. Im Unterschied zu Ägypten, Syrien und anderen Ländern der Region war Tunesien am Ende das einzige Land, in dem sich eine Demokratie durchsetzen konnte. Die Zeichen standen auf Hoffnung.

Doch davon ist immer weniger zu sehen: 2021 entmachtete Präsident Kais Saied das Parlament, 20 Monate lang gab es keine Parlamentssitzungen, und die neue Regierung, die seit März 2023 steht, hat deutlich weniger Macht als die alte. Zuvor hatten an den Parlamentswahlen im Dezember 2022 und der Stichwahl im Jänner 2023 jeweils weniger als zwölf Prozent der Bevölkerung teilgenommen. 

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