Die Presseförderung sorgt für ausgleichende Ungerechtigkeit

Über Print, Prestige und alte Männer.

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Interviewter:
Rainer Nowak, Chefredakteur ›Die Presse‹
DATUM Ausgabe November 2016

Wie viele Zeitungen lesen Sie morgens?
Rainer Nowak: Das lässt sich nicht mehr beantworten, weil ich ebenso wie Sie, wie wir alle, in den sozialen Medien bin. So gesehen lese ich ständig Zeitung. Genau und gedruckt lese ich die eigene Zeitung und am liebsten die Welt und die Süddeutsche.

Sie konsumieren Zeitungen also nach einem Algorithmus.
Nach einem digitalen und nach meinem Stoffsackerlalgorithmus. (Legt einen Stoffsack auf den Tisch) Das ist mit Zeitungen und Magazinen voll. Wird morgens in der Redaktion gefüllt und unterwegs Stück für Stück geleert.

Können Sie sich vorstellen, dass die Presse in zehn Jahren nur mehr digital erscheint?
Ja und nein. Ja, weil wir aus Untersuchungen wissen, dass unsere Leser sehr digitalaffin sind. Und nein, weil die Presse sehr viel länger überdauern wird als viele andere Tageszeitungen.

Warum?
Natürlich weil wir eine sehr gute Zeitung machen. (lacht) Zudem hat eine gedruckte Zeitung gegenüber den Social-­Media-Artikeln den Vorteil der Gewichtung durch die Platzierung. Und für die Presse ist es auch eine Prestigefrage, ge­druckt zu erscheinen. Aber gutem Journalismus ist es egal, ob er sich digital oder auf Papier durchsetzt.

Ist Print mit Prestige gleichzusetzen?
Das Entscheidende ist die Marke. Es wird wohl immer eine gedruckte Version als Visitenkarte geben. Ob diese Visitenkarte eine Kompaktausgabe ist oder am Wochenende erscheint, sei dahingestellt.

Jüngst wurden das Wirtschaftsblatt und das Seitenblicke-Magazin eingestellt. Der News-Verlag will 100 Stellen kürzen. Wie kritisch ist die Lage für Printmedien?
Das Geschäftsmodell wird immer schwieriger. Wir beobachten einen massiven Konsolidierungsprozess. Die Digitalisierung wirkt als Brandbeschleuniger.

Dieser Konsolidierungsprozess dauert nun schon sehr lange …
… und er wird noch weitergehen, fünf, zehn Jahre lang.

Was erwarten Sie sich von der Reform der Presseförderung, die Medienminister Thomas Drozda angekündigt hat?
Wenig. Weil sich jetzt alle anstellen, wird es für einzelne Qualitätstitel nicht viel mehr geben. Letztlich kann man die Presseförderung nicht ohne den ORF diskutieren. Mit meinem ›Spectrum‹ und meinem Kulturressort etwa mache ich einen ähnlichen Job wie Ö1 – ohne dass ich dafür Presse-Gebühren einheben darf. Wir haben es mit einem verzerrten Markt zu tun, die Presseförderung sorgt nur für ausgleichende Ungerechtigkeit. Solange öffentliche Inserate so vergeben werden wie jetzt – also vor allem zu den Boulevardzeitungen hin –, ist sie Pipifax.

Wenn ein Titel zusperrt, reagiert die Branche mit Erleichterung und Angst. Was ist eher angebracht?
Angst. Mit dem Seitenblicke-Magazin verschwindet ein Society-Titel. Aber würde es News oder den Standard erwischen, wäre das ein Schlag für die ganze Branche, wirtschaftlich, personell, inhaltlich, strukturell. Da hängt irrsinnig viel dran. Das unterschätzen fast alle Konkurrenten.

Im Standard erschien zuletzt eine Rezension des neuen DATUM, in der Gerfried Sperl diese Gesprächskolumne kritisierte.
Das sollten wir uns sehr zu Herzen nehmen. Böser werden und witziger.

Wissen Sie etwas Witziges zu sagen?
Nein, lieber etwas Böses: Das Gift von alten Männern, die einmal was gewesen sind, ist das gefährlichste überhaupt. Das gilt für die ÖVP ebenso wie für den Journalismus. Eigentlich gilt es überall: Alte Männer sind giftig.

Wie werden Sie sich dafür wappnen?
Indem ich nicht alt werde.

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