Heilige Extrawurst
Gläubige Muslime essen halal. Wie die Industrie dahinter funktioniert.
Im Besprechungszimmer gibt es ebenso viel Neonlicht wie Kaffee, vor dem Fenster ziehen graue Regenwolken auf. Ein Viehtransporter rollt in den Hof, das Schlachten ist eine Sache von Minuten. Die Rinder, Lebendgewicht 700 Kilogramm, werden zuerst mit einem Schlachtschussapparat betäubt. Nach dreißig Sekunden zieht ein Aufzug das Rind an einem Fuß hoch, sodass es mit dem Kopf nach unten hängt. Dann der Entblutestich. ›Drei bis fünf Minuten, bis das Tier ausgeblutet ist‹, sagt Herr Y.
Herr Y. will eigentlich nicht darüber reden. Das Thema sei heikel, der Volkszorn garantiert. Unter der Bedingung, dass weder sein Name noch der Standort seines Betriebs genannt werden, stimmt er dem Gespräch zu. Herr Y. hat Angst. Angst, dass er Kunden verliert, wenn bekannt wird, dass er in seinem Schlachtbetrieb halal schlachtet.
Das arabische Wort ›halal‹ heißt ›erlaubt‹. Es bedeutet, dass das Fleisch den islamischen Speisevorschriften entspricht. Bei knapp 600.000 Muslimen in Österreich ist halal aber auch ein Geschäft. Wie viele von ihnen tatsächlich darauf Wert legen, ist unbekannt. Es handelt sich jedenfalls um einen vielversprechenden Markt, dessen Akteure dennoch lieber außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung bleiben. Aufregung in sozialen Netzwerken hat schon ganze Supermarktketten in die Knie gezwungen, in Onlineforen löst das Thema regelmäßig emotionale Unwetter aus. ›Verdammte Tierquälerei!‹, ›Eine Schande für Österreich‹, ›Wo sind die Tierschützer?‹: So klingen die Shitstorms, vor denen sich Anbieter wie Herr Y. fürchten. Nur: Mit Herrn Y. träfen sie den Falschen.
›Der einzige Unterschied zu gewöhnlichen Schlachtungen ist, dass der Entblutestich von einem dafür religiös ausgebildeten Metzger gesetzt wird‹, sagt Herr Y. Der beginnt den Arbeitstag mit einer rituellen Waschung, beim Öffnen der Halsschlagader murmelt er zudem die Basmala, die Anrufungsformel am Beginn jeder Koransure: Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes … ›Alles nicht sehr spektakulär‹, sagt Herr Y., ein Mittfünfziger, der sich selbst als Katholiken bezeichnet.
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