Die Qual der Wahl

Warum die Kür des Bundespräsidenten eine Reform verdient.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Oktober 2022

Spätestens seit dem Ibiza-Skandal wissen wir, dass es nicht egal ist, wer in der Hofburg sitzt. Alexander van der Bellen hat damals die durchaus weitreichenden Befugnisse, die ihm die Verfassung bietet, klug genützt und mit Hilfe einer Beamtenregierung verhindert, dass aus der Regierungs- auch eine Staatskrise wurde. Heute weist der ehemalige Grünen-Chef gerne darauf hin, dass es vor seinem ersten Antreten im Jahr 2016 noch namhafte Verfassungsjuristen gegeben habe, die das Amt für überflüssig gehalten hätten: ›Diese Auffassung ist inzwischen, glaube ich, gründlich widerlegt.‹

Umso schaler ist denn aber auch der Nachgeschmack, den nun der Wahlkampf hinterlässt, der über van der Bellens Wiederwahl mitentscheiden soll: Während er selbst die inhaltliche Auseinandersetzung mied und die Leere mit schönen Bildern zu kaschieren suchte, übertrumpften die übrigen Kandidaten einander mit Forderungen, die mit den tatsächlichen Befugnissen des österreichischen Staatsoberhauptes oft nur noch sehr periphär zu tun hatten. Die zwei größten Parteien im Nationalrat stellten erst gar keine eigenen Kandidaten auf.

Die Gründe dafür gelten als polittaktisches Allgemeinwissen: Der Amtsinhaber müsse möglichst präsidial über dem politischen Getümmel schweben, wenn er seinen Amtsbonus nützen wolle. ÖVP und SPÖ hätten keine Lust, Millionen in eine Wahl zu stecken, bei der sie wie vor sechs Jahren auf den hinteren Plätzen landen könnten. Und das Vakuum, das dadurch entstanden ist, hätten nun halt politische Randfiguren gefüllt, die zwar keine realen Chancen auf das Amt haben, aber die öffentliche Bühne zur Bewerbung ihrer Person, Partei oder Produkte nützen. Nichts davon sei neu oder ungewöhnlich – außer vielleicht die hohe Zahl der ausschließlich männlichen Bewerber.

Ein paar Fragen sind aber nach wie vor nicht beantwortet: Wie passt das Wahlschwänzen der zwei größten (und der kleinsten) Nationalratspartei in Zeiten multipler Krisen zu der im internationalen Vergleich äußerst großzügigen Parteienförderung, die wir ihnen jedes Jahr ›zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung‹ gewähren? Wieso lassen wir einen amtierenden Präsidenten um eine zweite Amtszeit wahlkämpfen, wenn wir eigentlich finden, dass ›eine richtige Auseinandersetzung nicht zum Amt‹ passe, wie es Astrid Salmhofer, die ehemalige Pressechefin von Heinz Fischer, stellvertretend für viele andere Beobachter im Profil formuliert hat? Und wie große Einbußen bei der Wahlbeteiligung wollen wir in Kauf nehmen, bevor wir strukturell etwas ändern?

Verbesserungsvorschläge gibt es viele – von einer Wahlkampfkostenrückerstattung bis zu einer Abschaffung der ›Wiederwahlkämpfe‹. Stattdessen könnte entweder die Amtszeit des Präsidenten verlängert – oder die Möglichkeit geschaffen werden, dem Amtsinhaber über eine Zweidrittelmehrheit der Bundesversammlung eine zweite Amtszeit zu ermöglichen. Angesprochen auf diese Idee, sagte der Politikwissenschaftler Anton Pelinka dem Kurier: ›Das wäre ein Thema für ein verfassungspolitisches Seminar, das aber erst nach der Wahl stattfinden sollte und nicht jetzt.‹

Ein mindestens so geeignetes Forum wäre das Parlament. Die Parteien, die diesmal auf eine Kandidatur verzichtet haben, könnten eine entsprechende Debatte dort anstoßen. Die sechs Jahre bis zum nächsten regulären Wahltermin sollten eigentlich reichen, um die Schwächen im System zu beheben.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

Ihre Elisalex Henckel

elisalex.henckel@datum.at