Die Sehnsucht nach anständigen Konservativen
Über eine Lücke im politischen Spektrum, die es zu füllen gälte.
Vor unserer Zeit gab es einmal einen politischen Menschenschlag, an den sich nur noch wenige zu erinnern vermögen: die anständigen Konservativen. Personen, deren Werte man vielleicht nicht unbedingt teilte, aber sehr wohl respektieren konnte. Sie selbst respektieren konnte, weil sie verlässlich waren, das Gemeinwohl priorisierten und richtig von falsch unterscheiden konnten. Heute sucht man diese anständigen Konservativen im politischen Spektrum mit der Lupe.
Bob Inglis ist so einer. 2014 trat der Republikaner in der Doku ›Merchants of Doubt‹ auf. Es ist ein Film über die Lobby der Wissenschaftsleugner, welche die USA fest im Griff hat. Inglis hat lange Zeit selbst die Klimakrise geleugnet. Er war automatisch gegen alles, was das gegnerische ›Team‹, die Demokraten, behaupteten. Dann besuchte der Abgeordnete zwei Mal die Antarktis. Und alles änderte sich für den Repräsentanten aus South Carolina. Er begann, für saubere Energie zu werben, die Abhängigkeit der USA von fossilen Brennstoffen zu kritisieren und versuchte, in konservativen Radioshows mit all seiner konservativen Integrität auch andere Konservative davon zu überzeugen. Vergeblich. Er verlor seinen Sitz bei der Wiederwahl im Repräsentantenhaus. Später zählte Inglis zu den Republikanern, die sich gegen US-Präsident Donald Trump aussprachen, und gab Wahlempfehlungen zuerst für Joe Biden, später für Kamala Harris ab.
Ich erinnere mich an diesen erzkonservativen Bob Inglis deswegen noch so gut, weil er etwas Einhornhaftes hatte. Ein Konservativer, der seine politische Arbeit als Dienst an anderen begriff. Der deswegen sogar bereit war, seinen Standpunkt zu ändern, vernünftig zu sein, nicht machtgeil und opportunistisch. Ein Konservativer, der eine gewisse Ehre besaß.
In Österreich sind solche Konservative rar gesät. Seit den Kurz-Jahren fast inexistent. Nur hie und da kamen ein paar Urgesteine zu Wort, die Widerstand gegen den Wunderjungen in der eigenen Partei äußerten. Auch 2025 sind es wieder nur ein paar Polit-Dinosaurier, die nichts zu verlieren haben, wenn sie ›angefressen‹ sind auf ihre Partei (Bernhard Görg) oder gar mit Austritt drohen (Franz Fischler).
Es sind zu wenige, um zu beweisen, dass diese Spezies hierzulande wirklich heimisch ist. Anständige Konservative, die sich tatsächlich einsetzen für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Die, um es in der Sprache ihrer Überfrommsten zu formulieren, ein Interesse an der ›Schöpfung‹ haben, sie bewahren wollen und nicht bei der ersten Gelegenheit kahlschlagen. Und die über so viel Selbstachtung verfügen, dass sie nach den Besten unter ihnen suchen, um diese Aufgaben stemmen zu können – nicht jene aus der zehnten Reihe, die dem Gedankengut des Gegners am nächsten sind.
Die zivilgesellschaftliche Initiative ›17 mit Gewissen‹ hat die Hoffnung, dass es diese Anständigen gibt. Und dass es mehr sind als ein paar Urgesteine aus dem Abseits. Zumindest 17 ÖVP-Abgeordnete. So viele würde es brauchen, um im Nationalrat gegen einen blau-schwarzen Koalitionspakt zu stimmen. 17 von 51 müssten sich gegen die Parteispitze stellen. Man stelle sich vor, sie täten es. Eine Revolution wäre das. Das erste Mal seit Jahren, dass so viele in der ÖVP Rückgrat zeigen. Gar einen Kurs andeuten, der unter Umständen eine moralische Erneuerung dieser Partei ermöglicht. Und wenn nicht in der Partei, sich vielleicht sogar eine Abspaltung zutraut: die neuen Konservativen, die mehr draufhaben, als Rechtsextremen den Weg zur Macht zu ebnen oder insgeheim schon immer mehr an deren Ideale geglaubt haben als an die eigenen. Denn in Wahrheit ist das die Lücke, die es im politischen Spektrum zu füllen gilt: eine anständige konservative Alternative. •