Die Türöffner
Wohnen, Lernen und Sport: Für Kinder, deren Eltern unter der Armutsgrenze leben, wird fast alles zur Herausforderung. datum hat drei Organisationen besucht, die ihnen aus der Armut helfen – oder sie zumindest lindern.
Emel G. liebt ihre Tochter. Sie hat zwar nur zwei Zimmer Platz, um der fünfjährigen Amina das zu zeigen. Auf den wenigen Quadratmetern macht sie es aber mit Nachdruck. Den kahlen, fensterlosen Vorraum der Wohnung, in dem die Bodenleiste von der Wand bricht, hat sie mit Puppen und Spielzeug gefüllt. Den zweiten Raum, die Küche, in der auch die Betten der beiden Kopfende an Kopfende stehen, ebenso. Auf dem Schlafplatz ihrer Tochter stapeln sich Stofftiere. Daneben hat sie Amina einen Schminktisch aus Plastik hingestellt und eine eigene Puppenküche, die nicht viel kleiner ist als die echte Küchenzeile gegenüber. Das wenige Geld, das Emel G. hat, gibt sie für ihre Tochter aus.
Die meisten der Spielzeuge hier sind aber bloß Überbleibsel einer besseren Zeit. Eine Zeit, in der Emel G. noch Versicherungen verkaufte, statt Arbeitslosengeld zu beziehen. Eine Zeit, in der sie in einer gewöhnlichen Mietwohnung im 15. Wiener Gemeindebezirk wohnte, nicht in einem Mutter-Kind-Haus ein paar Straßen weiter. Eine Zeit, in der Emel G. und ihre Tochter Amina noch nicht von Armut betroffen waren.
In Österreich lebt eines von fünfzig Kindern ebenso wie Amina in ›erheblicher materieller und sozialer Benachteiligung‹. So schreibt es die Statistik Austria 2022. Es ist eine abstrakt klingende Umschreibung für sehr reale Lebensumstände. Betroffene Kinder haben kein eigenes Fahrrad, sie können nicht ins Kino oder an Schulausflügen teilnehmen. Ihren Eltern fällt es schwer, Strom, Gas oder Kredite pünktlich zu zahlen. Sie müssen jeden Euro zweimal umdrehen, bevor sie entscheiden, ob sie den Kühlschrank füllen oder am Anfang des kommenden Monats besser doch die Miete zahlen.
In Österreich gibt es ein dichtes Netz an Sozialeinrichtungen, die Familien in solchen Situationen auffangen und unterstützen. Sie spielen einmal in der Woche kostenlos Fußball mit Kindern, die sich den Sportverein nicht leisten können. Sie lernen mit ihnen, weil den Eltern das Geld für die Nachhilfe fehlt. Und sie bieten ein Dach über dem Kopf, wenn Mütter und ihre Kinder ansonsten keines mehr hätten.
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