Die Verhandlerin
Die Deutsche Helga Schmid brachte einst den Atom-Deal mit dem Iran in trockene Tücher und gilt als eine der erfahrensten Diplomatinnen Europas. Seit einem Jahr ist sie Generalsekretärin der osze. Was kann sie in dieser Rolle zur Entschärfung des Ukraine-Konflikts beitragen?
Ein Montag im November 2015 in Brüssel. Es herrscht Nieselregen, die Stadt präsentiert sich wie so oft grau in grau. Doch für Helga Schmid, damals stellvertretende Generalsekretärin für politische Angelegenheiten des Europäischen Auswärtigen Dienstes, ist es ein spezieller Tag. Die deutsche Spitzendiplomatin bekommt das Bundesverdienstkreuz I. Klasse durch den damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier verliehen. Bei der feierlichen Zeremonie steckt Steinmeier den Orden an das Revers von Helga Schmids schwarzem Blazer. Das elegante Tuch, ein Markenzeichen Schmids, muss er dabei zur Seite schieben. Es wird viel gelacht. Die Stimmung ist gelöst.
Vier Monate zuvor, am 14. Juli 2015, gelang Helga Schmid ein diplomatisches Kunststück. Nach jahrelangem Ringen wurde in Wien der Atomdeal mit dem Iran abgeschlossen. Diplomaten, die damals dabei waren, sprechen noch heute von der Schlüsselrolle, die Schmid dabei zukam. Es war die heute 62-jährige Diplomatin, die mit ihrer hartnäckigen und ausdauernden Art die Details des Vertrages mit den Iranern aushandelte und auch während der schwierigsten Phasen der Verhandlungen nicht aufgab. Schmid, die damals als hochrangige EU-Diplomatin die Gespräche in Wien mit dem Iran leitete und koordinierte, gilt als die Hauptverfasserin des Atomdeals, der im diplomatischen Jargon unter ›Joint Comprehensive Plan of Action‹ bekannt ist.
Genau für diesen Verdienst dankte ihr der deutsche Staat mit einem Orden. Steinmeier brachte es in seiner Rede bei der Verleihung in Brüssel auf den Punkt: ›Ich erinnere mich an lange, mühsame Verhandlungstage, an denen wir Minister nach stundenlangen Gesprächen zu später Stunde in unseren Hotelzimmern verschwanden, um wenigstens ein bisschen Schlaf zu bekommen‹, sagt Steinmeier. ›Nicht aber Sie, liebe Helga! Sie machten weiter, wenn alle anderen fertig waren. Durch die Nacht hindurch saßen Sie mit Ihren amerikanischen und iranischen Kollegen zusammen, fügten die losen Enden zusammen, spannten die Fäden weiter, so dass es am Morgen für uns alle weitergehen konnte.‹
Der Abschluss des Atomabkommens stellte für Helga Schmid sicherlich den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere dar. Sie blieb danach noch fünf weitere Jahre in der Europäischen Union – bis sie im Dezember 2020 zur neuen Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ernannt wurde. Sie ist die erste Frau an der Spitze der in Wien ansässigen Organisation, die nun eine wichtige Vermittlerrolle im aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine einnimmt. Wie kam es dazu? Und wie wird die Deutsche ihre Rolle bei der Vermeidung eines neuen Krieges in Europa anlegen?
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