›Die Zähmung des Wassers ist eine Illusion‹
Wie prägte das Wasser die Entwicklung der menschlichen Zivilisation? Und welche Rolle spielt es heute im Krieg in der Ukraine und für den Aufstieg Chinas? Ein Gespräch mit dem Klimaforscher Giulio Boccaletti, der dem lebenswichtigen Element eine wissenschaftliche ›Biografie‹ gewidmet hat.
Sie widmen sich seit vielen Jahren in Ihrer Forschung voll und ganz dem Thema Wasser. Wie kam es dazu?
Giulio Boccaletti: Der Grund dafür war eine große Enttäuschung. Als ich von der Wissenschaft in die Unternehmensberatung, zu McKinsey, gewechselt bin, war es mein sehnlichster Wunsch, die ganze Wirtschaftswelt für das Thema Klimawandel zu begeistern, und nicht mehr nur trockene Studien zu verfassen. Das waren die frühen 2000er-Jahre, und ich musste sehr schnell erkennen, dass das Thema zu dieser Zeit einfach viel zu abstrakt war. Ich kam damit einfach nicht durch. Dann, so nach zwei bis drei Jahren, probierte ich etwas anderes: Anstatt über den Klimawandel insgesamt, begann ich über Wasser zu sprechen. Für einen Klimawissenschaftler ist das praktisch das Gleiche, denn Wasser, seine Verbreitung, seine Veränderung und seine Verteiluang sind ja nichts anderes als ein ganz wesentlicher Ausdruck des Klimasystems auf unserem Planeten. Und Überflutungen, Dürren, Stürme sind dementsprechend Symptome des Klimawandels. Und siehe da, mit Wasser als Thema ging für mich plötzlich die Türe zu jedem CEO auf. Das war schon erstaunlich.
Ihr Buch ›Water – A Biography‹ erzählt die Entwicklung der menschlichen Zivilisation anhand ihrer Abhängigkeit von und ihres Umgangs mit Wasser. Was bringt einen gelernten Atmosphärenphysiker dazu, ein Geschichtsbuch zu schreiben?
Das war schon eine ziemliche Herausforderung. Was mir aber half, war, dass ich als Norditaliener in einer humanistischen Tradition aufgewachsen bin. Das Buch war letztlich eine sehr persönliche Sache. Nachdem mein Mentor, der Harvard-Professor John Briscoe, unerwartet verstorben war, saß ich in einem Flugzeug nach Utah, öffnete ein Word-Dokument mit dem Titel ›Water book‹ und begann zu schreiben. Ich glaube, das diente mir als Ersatz für die Diskussionen, die ich nicht mehr mit John würde führen können. Das war 2014. 2018 entschloss ich mich dann wirklich, ein Buch daraus zu machen, und dann dauerte es noch fast drei Jahre, bis es im vergangenen September erschienen ist.
Was ist die eine Erkenntnis aus Ihrer Reise durch die Menschheitsgeschichte und ihrem Verhältnis zu Wasser, bei der Sie dachten: Das sollten alle wissen!
Vordergründig geht es um diese Beziehung zwischen Mensch und Wasser, aber der Subtext des gesamten Buches – und das war für mich das Überraschende – beschreibt eigentlich die Erfolgsgeschichte der Republik. Und die Arbeit an diesem Buch hat mich noch mehr zu einem überzeugten Republikaner gemacht, nicht im Sinne der US-amerikanischen Partei, sondern im eigentlichen Sinne. Die Republik als tiefgreifende Institution, die individuelle Freiheit und das Gemeinwohl austariert, ist ja etwas, das in unserer individualisierten und konsumorientierten Welt in Vergessenheit geraten ist, und mit ihr das kollektive Verantwortungsgefühl. Die Arbeit an diesem Buch hat mich letztlich zu einem Kämpfer für die ökologische Republik (›Environmental Republic‹, Anm.) gemacht. Das ist unsere große Herausforderung: Wie definieren wir das Konzept der Republik in einer Welt, in der die Umwelt zu einer existenziellen Angelegenheit für uns wird?
Bevor wir darüber weitersprechen: Sie bringen eine Vielzahl historischer Beispiele, ich möchte eines herausnehmen, nämlich den Aufstieg der norditalienischen Städte in der Renaissance. Das ist Ihre Heimat und eine Gegend, in der in diesen Tagen eine katastrophale Dürre herrscht. Was war die Rolle des Wassers bei der Erfolgsstory dieser Städte?
Es gibt viele Aspekte, daher nur die zwei wichtigsten: Bis ins 19. Jahrhundert hinein war Wasserkraft die einzige Form, Energie zu erzeugen, die über die Kraft eines Menschen oder eines Pferdes hinausgeht. Und in Norditalien, besonders im Osten der Po-Ebene, gab es sehr viel Wasser – es war eigentlich ein großer See mit Städten als Inseln. Schon im 13. Jahrhundert kam es zu einem unglaublichen Wirtschaftswachstum durch die Produktion von Gütern, die mit Mühlen betrieben wurde. Mit der Nutzbarmachung des Wassers gelang ein einmaliger wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung. Aber das ist nur ein Aspekt. Denn die Flussläufe in der Po-Ebene änderten sich mit der Zeit. Gebiete wurden vom Wasser freigegeben oder weggeschwemmt. Das zog Gebietsstreitigkeiten nach sich, die geschlichtet werden mussten. Also gab es auch einen Bedarf an der Weiterentwicklung der zivilisierten rechtlichen Auseinandersetzung. Mehr oder minder zufällig wurde zu diesem Zeitpunkt das Römische Recht wieder entdeckt und zunächst in Norditalien eingeführt. Man muss sich das vorstellen: Bereits im 13. Jahrhundert gab es etwa zwischen den Städten Cremona und Piacenza 40 internationale Verträge, von denen sich fast alle mit Wasserwirtschaft befassten. Wasser war also nicht nur die wichtigste Energiequelle dieser Zeit, sondern auch der bestimmende Faktor bei der Entwicklung der Rechtswissenschaft. Und diese Erfolgsfaktoren sprachen sich langsam aber sicher in ganz Europa herum.
Die Geschichte ist voll von solchen Beispielen. Dennoch ist Wasser für die meisten Menschen in Europa eine Selbstverständlichkeit, obwohl kein Tag ohne schreckliche Nachrichten über Dürren oder Überflutungen vergeht. Wie konnten wir so den Bezug dazu verlieren?
Das ist ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Worüber wir eigentlich sprechen, wenn wir von Wasser reden, ist die Erfahrung, die wir als Menschen damit haben. Es gibt unendlich viel Wasser auf der Erde, deshalb ist sie ja blau. Nur auf die Verteilung kommt es an. Also wo, wann, wie viel Wasser in welcher Form vorkommt. Über die längste Zeit der Geschichte war das eine sehr unmittelbare Erfahrung. Du hattest ein Feld, und wenn es genug geregnet hat, hattest du etwas zu essen. Wenn es zu viel oder zu wenig war, musstest du hungern. Und es war allein dein Problem. Und an vielen Orten der Welt ist es heute noch so. Aber bei uns? Sie und ich müssen nicht durch einen Fluss waten, um zur Arbeit zu kommen, wir müssen unser Trinkwasser nicht mit einem Kübel aus dem Bach holen. Das liegt allein am Aufstieg des Staates im 20. Jahrhundert. Zwischen 1900 und 1970 stieg der Anteil des öffentlichen Sektors am Bruttosozialprodukt von rund fünf Prozent auf circa 40 Prozent an. Und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde ein Großteil dieser Wirtschaftskraft in die Transformation der Landschaft und in die Bändigung und Kontrolle des Wassers gesteckt. Wir bauten Dämme und Kanäle, übernahmen die Herrschaft über das natürlich vorkommende Wasser und stellten es in den Dienst der Modernisierung und der Industrialisierung. Die Menschen sollten sich nicht mehr um das Wasser kümmern müssen. Im Gegenzug billigten sie gerne dem Staat diese enorme Macht zu. Was uns aber nun mehr und mehr bewusst wird, ist, dass das nur ein künstliches Bühnenbild ist, das wir aufgebaut haben. Die Zähmung des Wassers ist eine Illusion. Die Dämme und Kanäle sind so gebaut, dass sie den Gefahren von vor fünfzig oder hundert Jahren standhalten. Die rasanten Veränderungen im Klima sorgen aber für eine ganz andere Verteilung des Wassers, und die alten Lösungen werden diese Illusion des gebändigten Wassers nicht mehr aufrechterhalten können.
Was bedeutet das für unsere Gesellschaften, wenn wir zehn oder 15 Jahre in die Zukunft denken?
Da gibt es sehr unterschiedliche Perspektiven. Es gibt viele Länder, die ihren Wasserbedarf bereits im gegenwärtigen Klima nicht decken können, zum Beispiel Äthiopien, wo ich eine Zeit lang gearbeitet habe. Wenn es dort drei Wochen nicht regnet, hat das Land ein Problem – Hunger, Binnenmigration, Instabilität. In Somalia gab es eine schlimme Dürre, und zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Solche klimabedingten Migrationsbewegungen gab es seit der Bronzezeit immer und immer wieder. Und es sind immer die Vulnerablen, die am schlimmsten davon betroffen sind. Unsere Perspektive in Europa ist eine andere: Ich glaube nicht, dass die reichen Länder des globalen Nordens eine existenzielle Bedrohung der Wasserversorgung vor sich haben. Aus dem Wasserhahn wird Wasser kommen, und das ist Teil des Problems. Wir müssen nämlich die Menschen in den Städten, egal ob Los Angeles, Amsterdam oder Wien, dazu bringen, dass es sie kümmert, wie Landwirtschaft funktioniert, welchen Verwerfungen sie ausgesetzt sein wird. Denn niemand wird das kommende Versagen unseres traditionellen Wassermanagements so stark spüren wie die Bäuerinnen und Bauern. Und viele von ihnen werden das wirtschaftlich nicht überleben. Derzeit ist die Gesellschaft offenbar der Meinung, dass die Landwirtschaft das ganze Risiko des Klimawandels tragen soll. Das ist ein sehr gefährlicher Weg – das erzeugt eine politische Energie, die nur zu Problemen führen kann.
Österreich ist, was Wasser betrifft, sehr verwöhnt. Auch wenn der Osten des Landes immer trockener wird, sind wir stolz auf unser gutes Wasser aus den Alpen, unsere schönen Seen mit Trinkwasserqualität – eine Falle?
Es ist vor allem eine gefährliche Illusion. Es geht ja auch gar nicht um die Menge des Wassers, sondern um seine Verteilung, seine Berechenbarkeit, seine Zuverlässigkeit. Wir haben in Italien eine ähnliche Situation. Das Wasser-Gesamtvolumen in unseren Ländern wird sich nicht viel ändern, aber die Intensität, die saisonale Verteilung und der Aggregatszustand sehr wohl. Nur ein Beispiel: Wenn Wasser im Winter nicht mehr als Schnee sondern als Regen kommt, geht die Reserve im Gebirge für Frühling und Sommer verloren. Wir haben unsere Wasserinfrastruktur an vorhersagbaren Parametern ausgerichtet, die aber in naher Zukunft nicht mehr gelten werden.
Was also tun?
Wir müssen uns gemeinsam die Frage stellen, wie wir unseren Naturraum nutzen wollen. Wir haben die vergangenen fünfzig Jahre damit verbracht, zu vergessen, dass es Landwirtschaft gibt. Nicht finanzpolitisch, denn die Hälfte des EU-Budgets geht in die Landwirtschaft, und wir verwenden 90 Prozent des Wassers dafür. Aber für die meisten Menschen gibt es die Landwirtschaft nicht mehr, sie kommt in ihrem Leben nicht vor. Zweitens müssen wir darüber reden, dass unsere Wasser-Infrastruktur furchtbar veraltet ist. Ein weiteres Problemfeld ist, dass sehr vieles im Wassermanagement auf ganz lokaler Ebene behandelt wird. Das Management des Wassers ist aber eine bundesweite Aufgabe, denn die Verteilung der natürlichen Ressourcen ist eben nicht gerecht und muss erst gerecht gemacht werden. Hier setzt wieder das republikanische Prinzip an, diese unterschiedlichen Interessen und Ausgangslagen im Sinne des Gemeinwohls auszugleichen. Worüber wir in Europa aber auch ganz dringend reden müssen, ist, wie wir den Ländern im globalen Süden helfen können, ihre Wassersicherheit zu gewährleisten. Sonst werden wir eine Migrationsbewegung sehen, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.
Beim Ausbau der Wasserinfrastruktur spielt – anders als früher – der Artenschutz heute eine wichtige, oft bremsende Rolle.
Zu Recht! Das größte Artensterben findet nämlich in Süßwassersystemen statt, dort haben wir bereits 80 Prozent aller Lebewesen verloren. Im Salzwasser und an Land sind es 40 Prozent. 80 Prozent! Das ist verrückt. Das ist die gleiche Aussterbedynamik wie beim weißen Rhinozeros. Der Grund dafür ist, dass wir all diese Wassermanagementsysteme gebaut und die Flüsse verschmutzt und reguliert haben. Und der Umstand, dass wir damit aufhören wollen und müssen, beschränkt uns auch in den möglichen Maßnahmen, die wir für zusätzliche Wassersicherheit setzen können.
Wasser spielt auch im Ukraine-Krieg eine vielschichtige Rolle …
Das stimmt, und zwar sowohl taktisch als auch strategisch. Es ist ein Mythos, dass Wasser jemals ein direkter Kriegsgrund gewesen sei, das ist empirisch nicht haltbar. In der Ukraine wurde Wasser einerseits als taktische Waffe eingesetzt, als ein Gebiet bei Mariupol geflutet wurde, um russische Truppen zu stoppen. Solche Manöver hat schon Wilhelm von Oranien im 16. Jahrhundert vollzogen. Aber viel tiefer liegt ein strategischer Aspekt, nämlich die Rolle des Dnepr, der an das Phänomen des Mississippi erinnert. Dieser Fluss inmitten der USA ist ja eine verrückte Sache, praktisch einmalig auf der Welt: Das fruchtbarste Land der Welt, auf beiden Seiten eines ruhigen Flusses – der perfekte Transportweg mit den meisten Häfen der Welt. Der Mississippi wurde schnell zu einer unvergleichlichen Produktivitätsmaschine, die zu geringen Kosten viermal mehr Güter produzieren konnte, als es die dortige Bevölkerung brauchte.
Stehen wir am Beginn eines neuen Zeitalters des Wassers?
Ich sehe es eher so, dass wir an der Schwelle zu einem Zeitalter der Landschaftsplanung stehen. Es geht um die Frage, wie wir unseren Naturraum nutzen – natürlich für Landwirtschaft, aber auch als Voraussetzung der Biodiversität und nun auch zunehmend als Basis der Energiegewinnung über Windkraft oder Photovoltaik. Das Wasser ist es, was all diese unterschiedlichen Anforderungen an unsere Landschaftsnutzung verbindet. Damit das alles gelingt, brauchen wir eine ganz neue Sorgfalt im Umgang mit Wasser. Wir werden uns in Zukunft mehr darum kümmern müssen – und auch mehr darum sorgen.
Welche Rolle wird Wasserkraft spielen?
In Österreich oder Italien gibt es da nicht mehr viel Potenzial, dabei ist unser ganzes Wirtschaftswachstum bis in die 60er-Jahre ausschließlich mit Strom aus Wasserkraft gelungen. Das muss man sich vorstellen! Aber in anderen Ländern der Welt spielt Wasserkraft künftig eine enorme Rolle, etwa in Äthiopien oder Angola – diese großen Wasserkraftwerk-Projekte werden von China finanziert. Das ist einer der Gründe, weshalb man davon ausgehen kann, dass China im 21. Jahrhundert jene Rolle einnehmen wird, die die USA im 20. Jahrhundert hatten.
Ein heißes Eisen, wenn über Wasser gesprochen wird, ist die Privatisierung des Trinkwasser-Netzes. Welchen Blick haben Sie darauf?
Ich bin da relativ entspannt, auch wenn ich weiß, dass das viele Menschen sehr aufregt. Wasser in die Haushalte zu bringen, ist ein aufwendiges und kostspieliges Unterfangen. Große Städte mit vielen Einwohnern, die Steuern bezahlen, haben da kein Problem. Sie sind kreditwürdig und können sich diese Infrastruktur leisten. Aber bei kleinen Gemeinden sieht das anders aus, und in so einem Fall kann ein privates Unternehmen vielleicht der bessere Betreiber des Leitungsnetzes sein. Mir persönlich sind die Eigentümerverhältnisse egal. Das Wasser selbst bleibt ja immer im öffentlichen Eigentum, es geht ja nur um die Leitungen.
Und dass Konzerne wie Nestlé die Trinkwasserquellen aufkaufen, sollte uns nicht beunruhigen?
Da geht es um ein winzig kleines Volumen. Natürlich ist es immer wieder ein Thema, wenn ein Konzern eine Quelle kauft, um Wasser in Flaschen abzufüllen, das dann der Landwirtschaft fehlt. Da gab es diesen berühmten Fall in Indien, wo eine Coca-Cola-Abfüllanlage geschlossen werden musste, nachdem sich örtliche Landwirte erfolgreich dagegen gewehrt hatten. Bei alldem darf man nicht übersehen: In der weltweit verkauften Menge an Coca Cola steckt so viel Trinkwasser wie drei mittelgroße Entsalzungsanlagen produzieren. Das größere Problem sehe ich darin, dass es kein funktionierendes verbindliches politisches Regelwerk gibt, um mit solchen Themen international umzugehen.
Damit kommen wir zurück zur Ökologischen Republik, von der Sie eingangs gesprochen haben. Es gibt auch unter Klimaaktivisten die Diskussion, ob Dekarbonisierung und andere essenzielle Herausforderungen für die Einhaltung der Klimaziele mit unserem kapitalistischen System erreicht werden können, oder ob dafür ein kompletter Systemwechsel notwendig wäre. Wo stehen Sie in dieser Diskussion?
Ich bin nicht davon überzeugt, dass der Kapitalismus das Problem ist, fokussiere mich in meiner Kritik aber auch mehr auf politische Systeme und nicht so sehr auf ökonomische. Und in der politischen Dimension sehe ich einige zentrale Probleme. Es gibt zum Beispiel einige autoritäre Regime, die mit Verweis auf den Umweltschutz ihr politisches System legitimieren – das halte ich für sehr gefährlich. Denn der einzige Zweck eines autoritären Regimes ist es nun einmal, selbst an der Macht zu bleiben, und nicht, Probleme zu lösen. Ich war 2017 in Davos, als Xi Jinping seine berüchtigte Rede gehalten hat, umgeben von Businessleuten, die begeistert waren von der Idee, dass sich das chinesische Regime um all diese Krisen kümmern wird. Und ich bekam es mit der Angst zu tun. Warum sollte das irgendjemand für eine gute Idee halten?
Wie wäre das auf dem Weg in eine ökologische Republik?
Die Umwelt muss Teil unseres politischen Vokabulars werden. Das ist sie derzeit nicht oder viel zu wenig. Sie kommt auch in den meisten unserer Verfassungen nicht vor. Die Europäische Union hat sich da weiterentwickelt, aber es ist ungeheuer technokratisch und in einer Sprache, die die meisten Menschen nicht verstehen. Man beruft sich auf die Experten, aber es wird nicht politisch ausverhandelt. Ich würde mir eine politische Bewegung wünschen – rechts oder links – die sich ernsthaft und integral mit der Umwelt als politische Querschnittsmaterie befasst. Im ursprünglichen Sinne einer republikanischen Politik, die sich die Frage stellt: Wie machen wir das Leben für die Menschen besser? Das ist eine Aufgabe der Politik – nicht der Wirtschaft und auch nicht der Wissenschaft. Und nur, wenn wir diese Integration der Ökologie in unsere Verfassung, in unseren Rechtsstaat und in unser demokratisches Zusammenleben schaffen, können wir vermeiden, dass wir bei der Reaktion auf die Klimakrise ins Autoritäre oder gar ins Totalitäre kippen. •