›Die Zahl der Idioten bleibt gleich‹

Der Musiker Gert Steinbäcker über Heimat, Hitler und Religion

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Fotografie:
Marija Kanižaj
DATUM Ausgabe Juli/August 2018

Ganz leicht ist er nicht erreichbar. Gert Steinbäcker, für manche Inbegriff eines heimatverbundenen Tiefwurzlers, ist viel unterwegs. Zumeist innerhalb vorgezeichneter Koordinaten. Er besitzt ein Haus auf der griechischen Insel Patmos, ein weiteres auf Korfu, wo er einen Gutteil des Jahres zubringt. Und nachdem Kollege Günter Timischl vor gut einem Jahr, durchaus gegen den Willen von Schiffkowitz und Steinbäcker, S.T.S. in Richtung Pension verlassen hatte, stellte Steinbäcker eine kleine, feine Allstar-Band zusammen und tourt höchst fleißig und erfolgreich durch Österreich und den Süden Deutschlands. Wir trafen einander in Steinbäckers Grazer Refugium, einer geräumigen Villa in der Tiefgrünzone am östlichen Stadtrand. Aus dem nahen Wald riefen Eichelhäher und Kuckuck. In der Sonne schnurrten Katzen, wir tranken Muskateller und Espresso, eine dem Hausherrn angemessene Kombination.

 

Mitte 1984 stand deine Band S.T.S. mangels Erfolgs vor der Auflösung. Am ersten August erschien dann der Song ›Fürstenfeld‹, vier Minuten und 22 Sekun­den lang. Der änderte eure Karriere gewaltig und nachhaltig. Es geht darin um eine Art beleidigtes Heimweh. Der Paradepsychiater Erwin Ringel ­ver­mutete in euch Herolde einer neuen Blut- und Bodensehnsucht. Worum ging es in dem Text eigentlich? 

Die Grundidee für den Song ist von meinem Kollegen Schiffkowitz ausgelöst worden, und zwar weil der Kollege Günter Timischl so gern zu Hause ist. Was jetzt mit Blut und Boden amol überhaupt nix zu tun hat. Er ist einfach gern zu Hause. Ich glaub, dass ihm das Wort Heimat dabei überhaupt nicht in den Sinn kommt. Er mag nur nicht wegfahren. Bei der Ortstafel von Großwilfersdorf fängt für mich Tourneegebiet an, hat er gesagt. Und das hat der Schiffkowitz zum Anlass genommen, über die große Heimatsehnsucht von irgendwelchen Leuten zu schreiben.

Mit ›Steiermark, do bin i her und i mog des Gfüh, dass i wo daham bin immer mehr!‹, hast du dann ja ordentlich nachgelegt. Dabei lebst du das halbe Jahr in Griechenland. Ist Heimat teilbar?

Ich habe versucht, den Begriff  Heimat, der für viele einen leicht verpönten Charakter hat und der ja auch von rechts sehr gern instrumentalisiert wird, konkret anzugehen. Das heißt, wo du aufgewachsen bist, wo du Lieben gelernt hast, wo du Leben gelernt hast, wo du den Umgang mit anderen Leuten gelernt hast – all das be­inhal­tet für mich der Begriff Heimat. Der hat jetzt überhaupt keinen ideologischen Hintergrund. Ich bin im Jahr 1986 nach Patmos in Griechenland gekommen und bin jetzt also seit mehr als dreißig Jahren dort. Ich hab ein hervorragendes Verhältnis zu all meinen Nachbarn. Es gibt Hausecken dort, die ich in meiner Verzweiflung, weil mir eine Textzeile nicht eingefallen ist, so oft angestarrt habe, dass das jetzt meine Hausecke ist. Und für mich ist das genauso Heimat wie es die dreißig Jahre zuvor Graz war, wo ich mehr oder weniger aufgewachsen bin.

Wie würdest du denn Heimat generell definieren? Was muss sie können, um eine zu sein? 

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