Editorial Juni 2020
Wir haben da ein Ritual in unserer Redaktion. Patricia würde sagen: Es ist dein Ritual, Stefan. Während der sogenannten Produktionstage – das sind jene Tage, in denen wir aus Texten, Fotos und Illustrationen sowie einer Mischung aus Erfahrung, Esprit und Skrupel ein Magazin machen – gehe ich einmal täglich zu meiner Kollegin Patricia McAllister-Käfer, die diese Transformation als Chefin vom Dienst koordiniert, und sage den Satz: Das wird eine gute Ausgabe.
Es ist immer derselbe Satz. Je nach Betonung, Tempo, Lautstärke weiß Patricia, für wie gut ich sie tatsächlich befinde. Seit 17 Jahren kennen wir einander, seit vier Jahren machen wir das Datum. Ihre Antwort ist stets dieselbe: Das sagst du bei jeder Ausgabe.
Diesmal haben wir unser Ritual geändert. Jeden Tag während der Produktion dieses Hefts habe ich zu ihr gesagt: Das wird eine besondere Ausgabe. Ihre Antwort war stets dieselbe: Sie hat geschwiegen.
Selbstverständlich ist die Ausgabe, die Sie in Händen halten, zuvorderst ihrer Inhalte wegen besonders: Die Titelgeschichte beispielsweise, eine editierte Zusammenfassung von Interviews mit zwölf Ärztinnen und Ärzten, hat uns jenseits unserer Götter-in-Weiß-Klischees und unserer höchstpersönlichen Patientenerfahrungen viel gelehrt über unser Gesundheitssystem – und wie die Menschen, die es im Kern aufrechterhalten, indem sie unsere Leben retten und unsere Wehwehchen verarzten, uns sehen.
Besonders sind selbstverständlich auch die Texte von Anneliese Rohrer, Helmut Spudich und Anatol Vitouch über den Umgang unserer Regierung, unserer Gesellschaft, über unseren eigenen Umgang mit der Corona-Pandemie; sowie jene Texte, die diesmal gar nichts mit Corona zu tun haben: über das Sterben des europäischen Waldes, über falsche Heilige in Südtirol und über Heiditourismus in der Schweiz.
Besonders ist leider auch, dass ein Text diesmal fehlt, jener von Franz Schuh. Herr Schuh ist erkrankt. Wir wünschen ihm von Herzen eine rasche und vollständige Genesung. Wir freuen uns auf seine nächsten Texte, die dieses Magazin seit bald einem Jahrzehnt Ausgabe für Ausgabe auszeichnen.
Für Patricia und mich hingegen ist die vorliegende Ausgabe deshalb besonders, weil wir sie in dem Wissen produzieren, dass wir dies ab Juli nicht mehr machen werden.
Wir beide verlassen DATUM im Sommer, sie als Chefin vom Dienst, ich als Chefredakteur. Während Patricia als Leiterin des Talenteprogramms und ich als Minderheiteneigentümer an Bord bleiben, erwartet Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ab September ein neues Heftkonzept. Ab dann wird monatlich eine andere Persönlichkeit den Schwerpunkt des jeweiligen Heftes kuratieren. Details finden Sie auf www.datum.at.
Für einen Abschied, für Blicke zurück wie nach vorne wird in der Sommer-Ausgabe, unser beider letzte, die am 3. Juli erscheint, Platz sein. Ich weiß jetzt schon, was ich während der Produktion mindestens einmal täglich zu Patricia sagen werde. Ich bin gespannt auf ihre Antwort.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine besondere Lektüre dieser besonderen Seiten der Zeit. •
Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at