Editorial März 2019
Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich hätte gerne bessere Nachrichten für Sie. Aber. Wir fischen die Meere leer und pumpen Aquakulturen mit Antiobiotika voll. Wir produzieren weit mehr Atommüll, als wir geeignete Lagerstellen haben, an denen wir ihn verwahren können. Unsere eigenen Körper setzen wir hormonverändernden Chemikalien aus, die zur Produktion von Plastik dienen. Und in Nordirland droht sich ein erkalteter Konflikt wegen des dämmernden Brexit zu erhitzen. Über all das werden Sie auf den folgenden Seiten lesen.
Die Frage, ob wir Journalistinnen und Journalisten uns zu sehr mit den Schattenseiten der Welt auseinandersetzen, in der wir leben, ist eine so stete Begleiterin, dass ihr ein eigener Sessel an unserem Redaktionstisch zustünde. Es ist eine wichtige Frage – und eine gefährliche. Was, wenn die Antwort ja lautete? Sollten wir uns dann anstatt eines wichtigen eines lieblichen Themas annehmen?
Wir wollen Sie nicht verbittern, wir wollen Sie informieren. Schließlich tragen wir hier, am Redaktionstisch, nicht nur Verantwortung dafür, wovon wir Ihnen berichten, sondern auch, wie wir das tun. Indem wir die historische Entwicklung erklären, so wie Jonas Vogt das in seinem Bericht über das gespaltene Nordirland tut. Indem wir alle Seiten zu Wort kommen lassen, wie Fabian Federl das in seiner Reportage über jenes französische Dorf macht, das zum Kampfplatz zwischen Atombehörde, Kernkraftgegnern und Anrainern geworden ist. Und indem wir das Ringen zwischen Politik, Industrie und Konsumentenschutz darstellen, eben so wie unsere neue Chefin vom Dienst, Sarah Kleiner, in ihrer Recherche über die Plastik-Chemikalie Bisphenol A.
Außerdem wollen wir jenen das Wort leihen, die Erfahrungen oder Alternativen anzubieten haben: So zieht Karl Schwarzenberg im Gespräch mit Georg Renner seine Lehren als Bürger und Politiker. Barbara Blaha enthüllt, dass sie den Thinktank ›Projekt 360‹ gründet, mit dem sie die politische Debatte verändern will. Und Anneliese Rohrer, die schon als Journalistin arbeitete, als 1979 die ersten EU-Wahlen abgehalten wurden, setzt uns auseinander, warum die kommende Wahl im Mai nicht eine Richtungsentscheidung ist, sondern eine über Bestand oder Zerfall der Union.
Schließlich habe ich sozusagen aber auch bessere Nachrichten für Sie. Unter den dutzenden jungen Menschen, die unser Ausbildungsprogramm DATUM Talente besuchen, sind viele, auf deren künftiges Schaffen Sie sich freuen können. So stammt die vorliegende Titelgeschichte über die unglaubliche Reise einer jungen Wienerin in den tiefgläubigen Islam aus der Feder des großen Talents Laura Fischer.
Mit Ihrer Hilfe haben wir jüngst die Talente-Wahl 2018 durchgeführt. Ziel war es, unseren jungen Kolleginnen und Kollegen die Aufmerksamkeit, die Anerkennung und die Kritik zu bescheren, von der sie gerade am Anfang ihrer Karrieren so profitieren. Clara Porak und Julia Wenzel erhielten den Zuschlag für ihre Recherche über die Abtreibungspraxis in Österreich. Angesichts der laufenden Diskussion über Spätabtreibungen ist ihr Text, den wir im Sommer 2018 publiziert haben, hochaktuell. Sie finden ihn auf www.datum.at.
In diesem Sinn darf ich Ihnen viel Zuversicht wünschen bei der
Lektüre der vorliegenden Seiten der Zeit
Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at