Editorial im März 2017

DATUM Ausgabe März 2017

Liebe Leserin, lieber Leser,

es gibt Momente, in denen wir meinen, wir hätten kein Leben abseits von
DATUM. Wir, das sind viele. Und diese Momente werden schier endlos, wenn die Fertigstellung einer Ausgabe näherrückt. Wir verbringen sie vor Bildschirmen, Illustrationen und Texten, mit Handys an den Ohren, Tastaturen unter den Fingern, nichts anderes in den Sinnen als Titel, Bildunterschriften, Überhänge, Übergänge, Coverzeilen.

Pünktlich zu Druckschluss entpuppt sich dieser Glaube als Trugschluss. Aus Chefinnen vom Dienst, Art Directoren und Textchefs werden Patricia, Andreas und Thomas, das Schlafdefizit wird zur Müdigkeit, die Nahrungsaufnahme zu einer Rindsschulter in Champignon-Rotweinsauce mit Erdäpfelpüree beim Franzosen unseres Vertrauens. Und allmählich merken wir, dass das Leben eh immer da war.

Dass sich Textchef Thomas Unger während der Produktion den Fahrradhelm aufgesetzt hat und für zwei Stunden verschwunden war, weil er seine Buben von der Nachmittagsbetreuung abgeholt und daheim abgeliefert hat. Dass sich Art Director Andreas Klambauer anstatt aus dem Nebenraum telefonisch gemeldet hat, weil er abwechselnd mit seinem kranken Sohn Karten gespielt – Bohnanza, Ich glaub’ es hackt – und die Texte ins Layout gehoben hat. Dass auch Infografiker Vanja Ivancevic, der sich auf S. 14 mit dem Müllaufkommen des Kernösterreichers auseinandersetzt, nach zwölf Jahren der Abstinenz wieder das Kartenspielen aufgenommen hat – Magic, The Gathering –, in seinem Fall mit gleichaltrigen Unverwandten. Dass unsere Chefin vom Dienst Patricia Käfer an ihrem freien Tag auf Poldi durch den niederösterreichischen Gatsch, dass Redaktionshund Igi über die Donauinsel galoppiert ist. Dass Christina Pausackl, die für ihre Titelgeschichte über die zunehmende Abwanderung von Frauen aus der Provinz das obersteirische St. Jakob im Walde besucht hat (S. 16), nach getaner Arbeit ihr nahegelegenes Elternhaus heimsuchte. Dass Saskia Jungnikl, die auf Seite 82 den Sterne-Sänger Frank Spilker interviewt, gar ihr zweites Buch fertiggeschrieben hat, das im November unter dem Titel: ›Eine Reise ins Leben oder wie ich lernte, die Angst vor dem Tod zu überwinden‹ erscheinen wird. Dass Franziska Tschinderle, die im kosovarischen Mitrovica zwei Fußballvereine besucht hat, welche vor ihrer ethnischen Trennung einer waren (S. 64), ihre Recherchereise unterbrechen musste, um ihre Oma zu begraben. Und dass unsere Wirtschaftsexpertin Eva Konzett einer Tochter das Leben geschenkt hat. Wir kondolieren, wir gratulieren, wir nehmen Anteil mit allen Sinnen, zu denen wir nach dem Trugschluss im Le Troquet wieder kamen.

Als der dortige Kellner jüngst plötzlich über die Theke hinweg auf einen Gast sprang und sich mit ihm aus dem Lokal prügelte, da trösteten wir uns mit dem Gedanken, dass es auch für ihn ein Leben nach der Sperrstunde gibt. Es war nachts, draußen fiel der Schnee, und auf uns warteten Kinder und werdende Mütter, Haustiere und Affären, Zimmerpflanzen und Hobbys – und natürlich die nächste Ausgabe von DATUM. Denn die wartet immer.

In diesem Sinne darf ich Ihnen während des Wartens viel Vergnügen wünschen bei der Lektüre der Seiten der Zeit.

Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at