›Ein Job bis zur Pension‹
Name : Barbara Buckner-Gudzic, 34
Beruf : Straßenbahnfahrerin
Warum sind Sie Straßenbahnfahrerin geworden?
Ich bin da quasi hineingeboren. Der Papa ist im Büro bei den Wiener Linien. Mein Opa war in der Werkstatt in Ottakring, meine Uroma Schaffnerin. Mein Onkel ist beim Bus. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich zu den Wiener Linien gehe. Aber mein Papa war natürlich total stolz.
Wie lange sind Sie schon Straßenbahnfahrerin?
Seit 2014, also neun Jahre.
Damit sind Sie wohl eher die Ausnahme. In einem offenen Brief der Belegschaft von Dezember 2022 heißt es, die meisten Quereinsteiger bleiben nur ein bis drei Jahre. Woran, glauben Sie, liegt das?
Viele unterschätzen, dass man auch an Wochenenden und Feiertagen arbeitet, und Work-Life-Balance ist ein großes Thema für die jetzige Generation. Andererseits haben wir während der Pandemie pünktlich den Lohn bekommen, keiner war in Kurzarbeit. Wenn man seine Arbeit gut macht, ist es ein Job bis zur Pension.
Letzten Herbst war der Personalmangel bei den Wiener Linien so groß, dass es immer wieder zu langen Verspätungen kam. Haben sich da die Leute vermehrt beschwert?
Ja, haben sie. Bei uns wirkt sich der Mangel halt stärker aus. Wenn wir nicht wären, würde ganz Wien stehen. Die Leute verlassen sich darauf, dass die Straßenbahn pünktlich kommt.
Und schaffen Sie es da, freundlich zu bleiben?
Ja, das gehört nun mal zum Job – wie im Verkauf. Man muss sich bemühen, freundlich zu bleiben, egal wie die Fahrgäste drauf sind. Manche Leute muss man ein bisschen mit dem Schmäh packen. Sie sind ja nicht auf einen persönlich grantig.
Was macht eine gute Straßenbahnfahrerin aus?
Genauigkeit beim Fahren, da geht es um die Sicherheit der Fahrgäste.
Ist Straßenbahnfahren nur Gas geben und bremsen?
Nein! Man muss auf tausend Dinge gleichzeitig aufpassen: darauf, was im Zug passiert, auf die Weichenstellung und zu Schulzeiten auf Kinder. Nach dem ersten Mal allein fahren kommt man stolz, aber auch fix und fertig nach Hause. Nicht körperlich, sondern seelisch. Unser Fahrlehrer hat damals gesagt, wenn ihr fahrt und gleichzeitig seht, dass oben im vierten Stock jemand Fenster putzt, dann seid ihr richtig gut.
Wie viel verdient man als Straßenbahnfahrerin?
Rund 2.800 Euro brutto inklusive Zulagen, wie zum Beispiel Sonntags-, Feiertags- und Nachtzulage. Natürlich ohne Überstunden.
Was ist die komischste Sache, die jemand bei Ihnen in die Straßenbahn mitgenommen hat?
Eine Couch. (lacht) Eine ganz lange Wohnzimmercouch aus Stoff. Die Leute steigen aus und ein, und wie ich in den Fahrgastraum zurückschaue, sehe ich, wie drei Menschen der Länge nach im Zug auf dieser Couch sitzen, und die Fahrgäste wissen nicht, wo sie hin sollen. Da habe ich gesagt: ›Leute, nicht böse sein, ich nehme ja jeden gern mit. Aber bei aller Liebe, das geht gar nicht.‹ Aber das Schlimmste war, als damals bei einem Kollegen Studenten mit einem Maibaum in die Bim eingestiegen sind.
Wären Sie angesichts des Verkehrs manchmal lieber U-Bahn-Fahrerin?
Nein, ich fühl mich in der Bim sehr wohl.
Warum nicht?
Weil man in der U-Bahn auf sich alleingestellt ist. Bei der Straßenbahn ist man in der Auslage. Die Kollegen von anderen Linien sind immer gleich da und helfen, falls einmal etwas passiert. Und Bus könnte ich mir eigentlich auch nicht vorstellen.
Ist das das Ranking? Straßenbahn, U-Bahn, Bus?
Kommt drauf an, wen man fragt. Für die Busfahrer ist Straßenbahnfahren ein absolutes No-Go. Umgekehrt genauso. Und die U-Bahnfahrer sind sowieso komplett eigen, weil die immer nur im Dunkeln sitzen. (lacht)•
Daten und Fakten:
Die Wiener Linien beschäftigen aktuell 1.340 Straßenbahnfahrer. Davon sind 17 Prozent weiblich und 83 Prozent männlich.
Das 171 Kilometer lange Wiener Straßenbahnnetz ist das sechstgrößte der Welt. Letztes Jahr haben die mehr als 490 Straßenbahnzüge insgesamt rund 25,7 Millionen Kilometer zurückgelegt.
Die Wiener Linien betonen, dass die durchschnittliche Verweildauer aller Fahrer im Betrieb bei drei bis sechs Jahren liegt.
Straßenbahnen gibt es in Österreich außerdem in Graz, Linz, Innsbruck und Gmunden. Die Gmundner Strecke ist aber nur drei Kilometer lang.
Aktuell suchen die Wiener Linien noch jeweils hundert neue Straßenbahn- und Busfahrer.