Ein Leben im Tag von … Bischof Hermann Glettler

Der Geistliche über Fitness, Social Media und Seelsorge als Outdoor-Aktivität.

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Fotografie:
Aichner
DATUM Ausgabe März 2023

Um sechs Uhr läutet mein Handy. Wenn mich innerlich etwas ­umtreibt, bin ich gelegentlich auch schon früher wach. Im Dämmer­zustand tauchen meist ein paar ­unkontrollierte Stoßgebete auf. 

Vor dem Aufstehen nötige ich mich zu etwas Gymnastik im Bett. Ich versuche meine Bauch- und ­Rückenmuskulatur zu stärken. ­Danach geht es ab ins Bad für die ­übliche Morgentoilette. Zum Frühstück bevorzuge ich Vollkornbrot und schwarzen Kaffee.

Mein erster Fixtermin ist um sieben Uhr das Morgengebet, die Laudes, zusammen mit der bischöflichen WG in der Hauskapelle. Wir leben zu dritt in einem schlichten, dreistöckigen Haus am Domplatz in Innsbruck. Unsere zwei Gästezimmer sind auch gut belegt. Falls ich nicht anderswo zum Gottesdienst eingeladen bin, feiern wir am Morgen auch die ­heilige Messe.

Meine Tage haben kein fixes ­Programm. Der Vormittag beginnt meist schon gegen acht Uhr mit einer Teambesprechung im Büro. Dann folgen zahlreiche Begegnungen, diözesane Gremientreffen. ­Zwischendurch auch Seelsorge, je nach Anfrage. Außerdem Presse­arbeit für Schwerpunkte der Caritas oder andere diözesane Initiativen.

Ich besuche regelmäßig Sozial­einrichtungen, Pfarren oder Vereine. Insgesamt bin ich viel unterwegs – bewusst nicht nur im kirchlichen ­Milieu. Bischof-Sein ist eine Outdoor-Angelegenheit. Fast immer habe ich eine rote Umhängetasche für die ­notwendigen Unterlagen dabei.

Ich verliere mich nicht beim ­Telefonieren, bin aber ebenso Handy-gefährdet wie die meisten Zeitge­nossen. Zumindest jeden zweiten Tag poste ich auf Instagram. Kommunikation geht heute kaum anders, auch für mich als Bischof nicht. Und die Frohbotschaft Jesu unter die Leute zu bringen ist doch mein erster Auftrag.

Etwa dreimal in der Woche genieße ich das gemeinschaftliche ­Mittagessen im Bischofshaus. Oft mit Gästen, die inspirierend für unsere Tischgespräche wirken. Sonst esse ich auswärts, anlässlich von Tagungen, Seminaren und Arbeitsessen. Mittlerweile ernähre ich mich immer öfter vegetarisch, aber zugegeben, Wildfleisch steht in meinem Speisen-Ranking – gemeinsam mit Apfel­strudel – weit oben.

Eine wunde Stelle in meiner Lebens­führung ist Fitness. Alle zwei Wochen mache ich zumindest etwas Bewegung, eine Wanderung oder Schifahren. Geistig in Form halte ich mich durch Lektüre und Besuche in Museen und Galerien. Kunst gibt mir sehr viel. Um in meiner Gottesbe­ziehung frisch zu bleiben, nehme ich mir täglich eine halbe Stunde Zeit für das Gebet, meist in Stille vor dem Allerheiligsten.

Die Hälfte meiner Abende sind mit Veranstaltungen und Gottesdiensten gefüllt. Nichts zu tun habe ich so gut wie nie. Wenn, dann ist Lesen angesagt, etwas künstlerische Arbeit oder ein Kinobesuch.

Meinen Tag lasse ich oft mit den ZIB-Nachrichten ausklingen, gefolgt von ein paar Feedbacks auf Handy-Nachrichten. Nicht nur in schwierigen Tagen verschreibe ich mir vor dem Einschlafen zehn Minuten Stille, um auf den Tag zurückzublicken. Dieses Innehalten wird automatisch zum Gebet. Es stärkt mein Vertrauen, denn Gott weiß Bescheid – um mich und die Verwundungen unserer Zeit.

Spätestens um 23 Uhr versuche ich im Bett zu sein. Die Qualität des Schlafes hängt meist davon ab, ob ich mich mit Menschen und belastenden Situationen ausgesöhnt habe. Von daher kommt die innere Entspannung. Versöhnung trägt wesentlich zur Lebensqualität bei, vor allem in so nervöser Zeit.

Vor dem Einschlafen mache ich meist noch bewusst ein Kreuz­zeichen. Dann: Decke drüber.•

 

Hermann Glettler (58) ist seit 2017 Bischof von Innsbruck, in der Bischofskonferenz für Ehe und Familie sowie für Kultur zuständig und außerdem Mitglied der Gemeinschaft Emmanuel. Der gebürtige Steirer ist bekannt für sein Engagement in der Flüchtlingshilfe. Glettler wirkt auch als Kunstvermittler.