Ein Leben im Tag von … Lena Hoschek
Über Omas Kleiderschrank, selbstgeschneiderte Pyjamas und das Übel Pufferjacken.
Wann mein Tag beginnt, hängt vor allem von meinen Kindern ab. Sind sie bei mir, klingelt um 6:10 Uhr der Wecker. Schlafen sie bei ihrem Vater, stehe ich später auf, normalerweise gegen acht Uhr. Ich bewege mich nicht sonderlich gern aus dem Bett und frühstücke morgens auch nicht.
Um zehn Uhr bin ich dann in meinem Büro, ein 40 Quadratmeter großer, holzvertäfelter Raum in einer ehemaligen jüdischen Stickfabrik aus den 1920er-Jahren. Um mich in Stimmung zu bringen, drehe ich Musik auf. Unternehmertum frisst Kreativität, und Musik hilft mir, sie zu behalten.
So hat jede meiner Kollektionen ihre eigene Playlist. Letzten Winter drehte sich für mich musikalisch zum Beispiel alles um Americana und Westernmusik. Wenn also gerade Musik aus meinem Büro dröhnt, wissen meine Mitarbeiter, dass sie mich jetzt eher nicht unterbrechen sollen. Die Tür geht trotzdem manchmal auf.
Bin ich dann im Flow, übersehe ich meistens meine Mittagspause und arbeite bis spät in den Nachmittag hinein. Ich bin ein kreativer Mensch und als solcher kann ich mich nicht bemühen, inspiriert zu sein, sondern bin an sich dauerinspiriert. Mir geistern Ideen für tausend Stücke durch den Kopf. Ich kann aber höchstens 200 davon umsetzen. Meine Aufgabe ist es also, zu fokussieren und die vielen Einfälle in einer Kollektion verschmelzen zu lassen. Mode zu schöpfen bedeutet vor allem: weglassen.
Am meisten Zeit frisst die Suche nach passenden Stoffen. Das ist ein bisschen, als würde ich mir überlegen, was ich kochen möchte: Ich gehe über den Markt – besuche also Stoffmessen in Mailand und Paris oder blättere durch Farbbücher –, wähle die richtigen saisonalen Produkte aus und kreiere daraus etwas Neues. Mich interessieren aber weniger klassische Kleiderstoffe, sondern Farben und Muster aus der Innenarchitektur.
Solche eher unkonventionellen Herangehensweisen vermisse ich leider, wenn ich am Heimweg schaue, wie die Leute angezogen sind. Wir haben ein so diverses Angebot in allen Preisklassen wie noch nie, und trotzdem tragen die meisten Kleidung gefühlt nur, um die grundlegendsten Anforderungen zu erfüllen. Sneaker oder Pufferjacken entsprechen nicht meinem Geschmack – und die sind nicht nur optisch unvorteilhaft, sondern obendrauf umweltschädlich.
Für mich ist Mode ein Statement. Ich habe schon als Teenager Vintage-Sachen gesucht oder im Schrank von meiner Oma gewühlt, um irgendwie ein bisschen anders zu sein. In dieser Phase stellt sich heraus, ob man mit der Masse mitgeht oder sein eigenes Ding machen möchte. Mittlerweile besitze ich hunderte Kleidungsstücke, viele davon habe ich auch designt. Mir gefallen alle meine Kreationen und ich ziehe sie auch fast alle an. Nur stehen mir manche besser als andere.
Mode ist aber nicht nur Ausdrucksmittel, sondern auch eine Rüstung, um sich zu schützen. Ein schönes Kleid kann ziemlich gut von müden Augen und ungemachten Haaren ablenken. Als Modeschöpferin muss ich zum Glück nicht immer gut ausschauen, dafür habe ich meine Models.
Egal ist es mir aber nicht, wie ich herumlaufe – auch nicht zu Hause. Ich besitze einen selbstgeschneiderten Pyjama, aus kariertem Flanell mit beigem Untergrund und einem klassischen Schottenkaro. Außerdem bin ich Fan von Nachthemden, die ein bisschen omahaft wirken können, aber genauso einen Hauch von Eleganz verleihen, den ich auch im Bett gerne beibehalte.
In einem der beiden Outfits schlafe ich dann mit meinen Kindern gegen 21 Uhr in ihrem Zimmer ein. Kinder machen müde. Wenn ich in einem dunklen Raum Gute-Nacht-Lieder singe und kuschle, stehe ich nicht mehr freiwillig auf. Ich hole mir da den Schlaf, den ich mir sonst nicht gönne. •
Lena Hoschek (43) ist Österreichs bekannteste Modedesignerin. 2005 gründete sie ihr Modelabel und bringt seitdem zweimal jährlich eine Prêt-à-porter und eine Traditions-Kollektion heraus, die vor allem von den 1950er-Jahren und folkloristischen Einflüssen geprägt ist.