Ein Leben im Tag von … Thomas Brezina

Der Buchautor über Schreibtage, Sonnengrüße und seinen Tresor voller Tagebücher.

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Fotografie:
Lukas Beck
DATUM Ausgabe März 2024

Mein Hund ist mein Wecker. Jeden Morgen zwischen halb sieben und sieben Uhr springt er zu mir ins Bett. Er teilt mir dann mit, wie hungrig er ist und dass er spielen möchte. Dabei ist er so charmant, dass ich nicht widerstehen kann und aufstehe. 

In der Küche angekommen, bringe ich Teewasser zum Kochen, mein Mann kümmert sich um den Espresso. Unser Hund bekommt währenddessen sein Essen in einer Futterschüssel ­serviert. Ich frühstücke jeden Tag Müsli mit Mandelmilch, frischen Früchten und ein bisschen Joghurt. Manchmal auch Toast.

Morgens überlege ich mir außerdem drei Dinge, für die ich an diesem Tag dankbar bin. Das können zum Beispiel Begegnungen sein, die ich haben werde, oder Ereignisse, die passieren könnten. Und für meine Beweglichkeit mache ich sechs Sonnengrüße.

Mein Tag kann dann auf drei Arten weitergehen. Es gibt Schreibtage, Tage, an denen ich Besprechungen oder sonst etwas habe, und es gibt Tage, die ich mir frei nehme. 

An einem Schreibtag arbeite ich je nach Jahreszeit entweder in meinem Haus oder, sobald es draußen wärmer wird, in meinem Garten. Dort steht ein wunderschöner Wohnwagen, in dem ich meinen Arbeitsplatz habe.

Wenn ich zum Beispiel an einem Kriminalroman schreibe, lese ich mir zuerst durch, was ich am Vortag produziert habe. Ich bin manchmal überrascht, was da steht, weil ich so konzentriert arbeite, dass ich vergesse, was ich geschrieben habe. Was daran zu verbessern ist, verbessere ich. Überarbeiten kann man alles hundertmal. Aber erst muss es einmal raus.

Ich höre übrigens immer mitten im Satz auf zu schreiben, weil ich am nächsten Tag so leichter wieder hineinkomme. Manchmal will es trotzdem nicht gleich gelingen. Dann spiele ich Backgammon im Internet oder spaziere durch den Garten, bis die Kreativität zu fließen beginnt.

Ich bestimme für jeden Tag eine ­bestimmte Anzahl an Wörtern, die ich schreiben möchte. Das versuche ich auch einzuhalten. Wenn ich ein Buch beginne, fange ich mit tausend ­Wörtern an. Je nach Buchlänge – Tom-Turbo-Geschichten sind im Vergleich zu meinen Romanen ja kurz – kann das in der letzten Schreibphase sogar auf 5.000 Wörter ansteigen.

Mein Schreibtag endet meistens zwischen fünf und halb sieben Uhr abends. Ich werde mit der Zeit einfach müde. Schreiben fühlt sich dann so an, als hätte ich beim Gehen Blei in den Schuhen. Also höre ich auf. Und das ist auch gut. Denn der Trick ist, mich nicht leer zu schreiben, sondern auf­zuhören, wenn ich sehr wohl noch etwas zu sagen hätte. Meine restlichen Gedanken notiere ich mir kurz. Wenn ich sie dann am nächsten Tag durchlese, sind sie ein Kickstart für den Schreibprozess.

Abends trinke ich gerne einmal ein Glas Wein. Das entspannt mich und rundet die Ecken des Tages ab. Vor allem im Sommer bin ich viel im Freien und gehe mit dem Hund ­spazieren. Manchmal plaudern mein Mann und ich dann noch miteinander, bevor wir den Tag beschließen. Wenn ich schreibe, lese ich selten am Abend, weil ich sowieso den ganzen Tag mit Buchstaben zu tun habe.

Bevor ich mich dann gegen elf so richtig ins Bett lege, muss ich mich noch beruhigen. Ich schreibe deshalb seit 35 Jahren Tagebuch. Dabei trete ich in den Dialog mit mir selbst und ­irgendwie auch mit dem Universum. Wenn so ein Heftchen ausgeschrieben ist, sperre ich es in einen Tresor. Der steht im Keller und ist randvoll. Er darf erst 25 Jahre nach meinem Tod geöffnet werden. Das ist so fest­gelegt. Was dann damit passiert, das passiert. Die Leute, über die ich da drinnen schreibe, sind bis dahin wahrscheinlich auch nicht mehr am Leben. Und wer weiß, ob das überhaupt noch jemanden interessiert. Aber das ist mir egal, muss ich ­zugeben. Für mich ist es wichtig.•

Thomas Brezina (61)
ist Buchautor, Fernsehmoderator und Produzent. Bekannt wurde er durch Bücherreihen wie die Knickerbocker-Bande und Tom Turbo. Er lebt in Wien und London.

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