Erzfeinde der Taliban

Die Hazara sind eine der liberalsten und gebildetsten Volksgruppen in Afghanistan – und zugleich die, die am stärksten verfolgt wird.

DATUM Ausgabe September 2022

Die Nachricht kam mitten in seinem Griechenland-Urlaub. Als ihm klar wurde, dass es keine Hoffnung mehr gab, dass es nur eine Frage von Tagen war, bis die Taliban wieder seine Heimat regieren würden, zögerte Javid Rahimi keine Sekunde. Er buchte sich ein Flugticket nach Pakistan und lieh sich kurz vor der Grenze zu Afghanistan ein Fahrrad. Damit fuhr er dann über die Grenze.

Javid Rahimis Stimme bleibt gelassen und gleichmütig, während er das erzählt. Der Kontrast zum abenteuerlichen Inhalt deutet auf die emotionale Hornhaut hin, die sich dieser Mensch in den 32 Jahren seines Lebens zugelegt haben muss. Von Mut oder gar Waghalsigkeit will er selbst aber nicht sprechen, bei ihm klingt es eher so, als hätte er keine Alternative gehabt: ›Ich musste noch einmal mein Afghanistan sehen, bevor es in die Hände der Taliban fiel. Ich musste meine Freunde, meine Verwandten sehen.‹ 

Am 14. August des vergangenen Jahres erreichte Javid Rahimi Kabul. Wie er bald feststellen musste, war es schon viel zu spät. An jenem Tag patrouillierten bereits bärtige Männer mit Kalaschnikows auf den Straßen, Frauen und Kinder waren aus dem Stadtbild verschwunden, immer wieder hörte man Schießereien. Rahimi merkte: Das war nicht das pulsierende, bunte Kabul, das er kannte und an dem seine Landsleute in den letzten zwanzig Jahren hart gearbeitet hatten. ›Es war für mich, als wäre ich in einem Horrorfilm angekommen‹, berichtet er heute.

Auch er war vom schnellen Vormarsch der Taliban überrumpelt worden – genauso wie die westlichen Truppen, die noch vor Ort stationiert waren und nun hastig das Land verließen. Für ihn, dessen Familie schon in den 1990er-Jahren die Taliban bekämpft hatte, war die Situation brandgefährlich. Um nicht auch andere in Gefahr zu bringen, verzichtete Javid Rahimi auf einen letzten Besuch seiner Verwandten und Freunde und trat unverzüglich die Rückreise an. Auf dem Landweg ging es wieder nach Pakistan und von dort mit dem Flugzeug nach Österreich: das Land, in dem er 2005 im Alter von 15 Jahren als Flüchtling ankam und das seither seine neue Heimat ist.

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