Fremd im eigenen Land

Emran Feroz ist in Innsbruck aufgewachsen, österreichischer Staatsbürger – und wird doch wie ein Fremder behandelt. Warum ändert sich das nicht?

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privat
DATUM Ausgabe April 2020

Emran, ihr seid doch aus Afghanistan. Weißt du, warum die das gemacht haben?‹, fragt mich meine Volksschullehrerin vor versammelter Klasse. Es ist der 11. September 2001, und ich bin neun Jahre alt, ein Bub mit dunklen Haaren und Tiroler Dialekt, der in der ersten Reihe einer Schulklasse in Innsbruck sitzt. Wir haben Deutschunterricht. Neben mir sitzen Buben und Mädchen, die Namen wie Julia, Leonhard, Christoph oder Kerstin tragen. Mein zweiter Name ist Mohammad, damals eine Rarität in der Volksschule Hötting West, in der es sonst nur einige wenige Migrantenkinder gibt, etwa aus der Türkei oder aus Ex-Jugoslawien.

Die – das waren Osama bin Laden und die Terroristen von Al-Qaida. Heute denke ich, dass mich kein Tag in meinem Leben derart geprägt hat wie dieser. Er hat wohl auch dazu geführt, dass ich zu dem geworden bin, der ich heute bin. Heute arbeite ich als Auslandsreporter und ordne ein, was in Afghanistan passiert, dem Land meiner Eltern. Damals, in der Klasse in Innsbruck, wusste ich von all dem nichts. Warum auch? Ich bin Österreicher, zumindest auf dem Papier. Aber als solcher wurde ich nie wahrgenommen. Als ich ein Kind war, freute man sich in meinem österreichischen Freundeskreis über den anstehenden Krieg in Afghanistan. ›Die werden euch plattmachen!‹, hörte ich immer wieder. Mobbing und Hänseleien waren von nun an Teil meines Alltags. Ich war das Talibankind, Osama bin Laden mein Onkel. ›Nein, der ist doch gar kein Afghane, sondern aus Saudi-Arabien‹, verteidigte ich mich damals. Es interessierte niemanden.

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