Frust und Freiheitsstreben

Die Hofburg-Wahl hat gezeigt, wie groß die Sympathien für demokratiefeindliche Positionen in Österreich sind. Die FPÖ kann darauf hoffen, in Zukunft wieder davon zu profitieren – wird aber auch auf ein altbekanntes Dilemma stoßen.

DATUM Ausgabe November 2022

Kein Liveinterview, kein Door­step, keine Journalistentrauben und auch keine TV-Diskussion. Am Abend des 9. Oktober fehlte einer, der ansonsten keine Gelegenheit für große Sprüche auslässt: Herbert Kickl ist untergetaucht. Eine knappe, für Kickls Verhältnisse fast schon zahm klingende OTS-Meldung, in der er seinem Kandidaten Walter Rosenkranz zum zweiten Platz gratuliert und die ›herbe Niederlage für die Systemparteien‹ feiert – mehr ist vom FPÖ-Scharfmacher am Wahlabend nicht zu hören. Kickl weiß: Für ihn ist bei dieser Präsidentschaftswahl nicht viel zu holen. Rosenkranz blieb mit 17,7 Prozent deutlich unter dem, was die FPÖ sich vorgestellt hatte, von einer Stichwahl gegen Alexander Van der Bellen keine Rede. 

Die Töne, die an Wahlabenden sonst von Kickl und seinen Anhängern zu vernehmen sind, schlagen an diesem Sonntagabend andere an: Er habe ›geglaubt, dass es in den Medien intelligente Menschen gibt, die wissen, dass wir mit dem Mainstream an die Wand fahren‹, sagt Schuhfabrikant Heinrich Staudinger. Schuld am schlechten Abschneiden des Anwalts und Chefs der Impfgegner-Partei MFG, Michael Brunner, seien eben die ›Systemmedien‹, sagt einer aus Brunners Team live in die Kameras. 

Das rechte Potenzial, das 2016­ ­Norbert Hofer mit fast 35 Prozent ausschöpfen konnte – es teilt sich sechs Jahre später auf fünf Kandidaten auf, deren Positionen sich mehr oder weniger gleichen und deren Anhängerspektrum Kickl in den vergangenen Jahren hinter sich versammeln wollte. Coronaleugner und Impfgegner, Putin-Fans und EU-Feinde, Verschwörungsgläubige und Demokratiefeinde – sie alle führte Kickl während der Pandemie-Hochzeit in Massendemonstrationen über die Ringstraße, erklärte sich zum Anführer einer Fundamentalopposition. Aber auch nach der Präsidentschaftswahl ist das Angebot rechtsaußen nicht mehr nur auf die FPÖ beschränkt. Und Kickl ist längst nicht mehr der Radikalste, in der Riege der extremen Rechten. 

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