Ich habe ein Abstinenzproblem
Anneliese Rohrer über die Schwierigkeit, in Österreich nicht zu trinken.
Es könnte sein, dass ein falsches Gerücht über mich die Runde macht. Es ist wenig schmeichelhaft, womöglich rufschädigend. Aber wirklich beschweren darüber kann ich mich nicht – denn die Sache ist die: Ich habe dieses Gerücht selbst über mich in die Welt gesetzt. Es war eine Notlüge. Aber dazu später mehr.
Angefangen hat es mit einem Abend vor mehr als zehn Jahren. Freunde organisierten ein Geburtstagsessen für mich, ein ›Mystery-Dinner‹ – ich wusste also davor nicht, was es zu essen geben wird. Als wir dann um den Tisch saßen und ich die Menükarte sah, stockte mir der Atem. Jede einzelne Speise hatte irgendwas mit Fisch zu tun: Fischsuppe, Fischtatar, gebackene Forelle. Ich leide unter einer Fischunverträglichkeit – eigentlich war das in der Runde bekannt.
Leider sah ich keine Möglichkeit, mich elegant aus der Affäre zu ziehen. Eine gute Miene zum bösen Spiel zu machen, überforderte mein schauspielerisches Talent. Während ich noch grübelte, wie ich unbemerkt Fischstücke in meiner Serviette verschwinden lassen könnte, brach am Tisch schallendes Gelächter aus: Reingefallen! Es gab gar keinen Fisch. Erleichtert, mir und anderen einen Fauxpas ersparen zu können, stieß ich freudig mit einem Glas Veuve Clicquot Brut auf den gelungenen Scherz an.
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