Schenken Sie ein Jahr Lesefreude! Mit dem DATUM-Weihnachtsabo.

›Ich selbst bin entsetzlich arisch‹

·
Fotografie:
Michael Fritthum
DATUM Ausgabe Februar 2019

Die Journalistin und Moderatorin Nicola Löwenstein trifft Menschen und befragt sie über ihr Leben. Die Antworten lesen Sie hier, dieses Mal von Lotte Tobisch.

›Meine Freuden teile ich gerne mit allen, meine Zores gehören mir.‹

›Eine ekelhafte Begleiterscheinung des Alters ist, dass sich in der Nacht die Gedanken selbständig machen. Auch wenn man tagsüber versucht, vernünftig zu sein.‹

›In einem Leben bleiben vielleicht fünf Menschen übrig, von denen man sagt, das waren Freunde. Adorno hat dazugehört. Ein Wunderkind, kein schöner Mensch: klein, dicklich, mit riesigen Augen. Wir haben uns richtig lieb gehabt wie Schwester und Bruder.‹

›Ich selbst bin entsetzlich arisch. Es hat sich dann aber gottlob nach dem Weltkrieg doch noch ein Ur-Ur-Ur-Großvater gefunden, der erst als Erwachsener getauft war.‹

›Hitler hat sich wohl nie in den Spiegel geschaut, weil so schauen ja Germanen nun wirklich nicht aus. Der Hitler, der Himmler, alles Mischmasch.‹

›Der Mensch unterscheidet sich vom Schimpansen in zwei Dingen. Vor allem durch sprechen können und durch die Vorstellung.‹

›Unsere Kulturgeschichte hat mit Felsenmalerei begonnen. Jetzt verkehren wir mit Smileys.‹

›Der wichtigste Staatsmann Europas ist eine Pfarrerstochter aus der Uckermark.‹

›Ich hab ja nix über für diese ganze Metoo-Geschichte, ich hab immer gesagt, mich hat keiner in den Popo gezwickt, wenn ich das nicht wollte.‹

›Vor 20 Jahren bin ich angezeigt worden, wegen Führen eines Adelstitels. Ich habe mich geweigert, die paar Tausend Schilling Strafe zu bezahlen, und angeboten, 14 Tage in Arrest zu gehen. Das war dann rechtlich aber gar nicht möglich, weil ich eine Pension beziehe.‹

›In meinem Alter braucht man auf niemanden mehr Rücksicht nehmen, auch auf sich selber nicht. Das ist mir Wurscht, ob mir wer bös ist.‹

›Als meine Mutter gestorben ist, war ich 77 Jahre alt. Sie war 97. Es war ganz merkwürdig, denn von einem Tag auf den anderen war ich plötzlich nicht mehr Kind.‹

›Der Hund, den ich Kreisky geschenkt habe, hat Bianca geheißen und ausgesehen wie ein weißes, flauschiges Meerschweinchen mit einem Boxergesicht.‹

›Das Lumpenproletariat vom Wienerberg, das man aufhetzen kann, gibt es nicht mehr. Deswegen verlieren die Sozialdemokraten auch pausenlos Wahlen.‹

›Als Strolz die Partei stehen gelassen hat, habe ich ihn herbestellt und ausgeschimpft. Man lässt seine Leute nicht im Stich, und sagt, ich geh jetzt lieber Schwammerln pflücken.‹

›Der Haupterfolg des kleinen Sebastian Kurz ist, dass er sich halbwegs ordentlich benimmt.‹

›Man bekommt heute ja schon ein schlechtes Gewissen, wenn man ein Ei kauft und nicht draufschaut, ob das von einer Henne kommt, die alleine in einem Schloss wohnt.‹

›Der Opernball ist ein nettes Traditions-Faschingsfest, und es ist netter und hübscher als die Traditions-Sauferei in München oder die Pappnasen in Köln.‹

›Ich bin wirklich die letzte Ballgeherin. Mich unterhält das nur, wenn ich es organisier’, sonst langweile ich mich zu Tode.‹

›Selbst bei einer kleinen Kopfwunde fließt so viel Blut, dass es ausschaut, als wäre der ganze Kopf eingeschlagen.‹

›Das Geheimnis von Schinkenfleckerln sind gleich viele Fleckerln wie geräucherter, fetter Schinken. Und am Schluss Eischnee drunter, der macht sie locker.‹

›Mein Rat ist, nie zu einem Friseur zu gehen. Das letzte Mal war ich im Jahr 1960. Und jetzt wieder, nachdem ich mir den Arm gebrochen habe.‹

›Obwohl wir ständig neue Sachen und Maschinen erfinden, die Zeit ersparen, haben wir überhaupt keine mehr.‹

›Ich habe im Park Proust gelesen, aber dazu kommt heute kein Mensch.‹

›Dir gehört gar nichts. Alles, was du bekommst, musst du in irgendeiner Form bezahlen. Jede glückliche Stunde im Leben kostet etwas.‹

›Gelegentlich bekommt man auch etwas geschenkt und das nennt man Glück.‹

 

Lotte Tobisch wurde 1926 in Wien geboren. Sie war Schauspielerin, Autorin und Opernball-Organisatorin. Tobisch lebt seit knapp 70 Jahren in derselben Wohnung am Opernring. Ihr ganzes Leben hat sich in Mobiliar und Dekoration eingeschrieben. Besucher dürfen ihre Schuhe trotzdem anlassen.