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Jagd nach dem Tod

Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte hat Drogenhändler für vogelfrei erklärt. Unterwegs mit Manilas Tatort-Fotografen.

DATUM Ausgabe Dezember 2016

Wenn die Nacht gut laufen soll für die Nightcrawler, müssen andere sterben. An einer durchschossenen Leber, Niere oder Schädeldecke, an zerfetzten Blutgefäßen. Revolver und Automatikpistolen mit Kaliber 9 mm, 0.38 oder 0.45 bringen anderen den Tod. Und Nightcrawlern wie Linus ihre Arbeit. Dann rücken sie aus in die Nacht von Manila, diesem Betonmoloch mit zwanzig Millionen Einwohnern, himmelstürmenden Hochhäusern mit Wohnungen um 5.000 Dollar Monatsmiete und, in Spuckweite, ozeangroßen Slums aus verrosteten Blechhütten, schimmelndem Müll und handtuchbreiten Hinterhofgassen, die auf keiner Karte zu finden sind. Das ist ihr Revier.

Las Piñas. Eine ruhige Wohngegend im Südwesten der philippinischen Hauptstadt, zweigeschoßige Familienhäuser mit Veranda, davor Palmen, Mangobäume und korrekt geparkte Vans. Doch heute Nacht flattert auch hier, Apitongstraße, Ecke Acacia, ein gelbes Absperrband: ›Police Line. Do not cross.‹ Männer in schwarzen Polohemden und mit Stabtaschenlampen sichern Spuren. Auf der Hemdbrust prangt in gelben Buchstaben Soco – die Scene of Crime Operation der Polizei. Am Plastikband drängt sich ein Pulk mit Film- und Fotokameras. Ebenfalls in der Menge: Linus Escandor, 37 Jahre alt, Fotograf. Ein untersetzter Mann mit Halbglatze und dunklen Augen. Linus ist einer der Nightcrawler, die seit einigen Monaten Nacht für Nacht ausrücken, um den Schrecken in Manila zu dokumentieren, seitdem der neue Präsident Rodrigo Duterte den Krieg gegen die Drogen ausgerufen hat.

Die Objektive der Nightcrawler zielen auf einen Mann in schwarzer Umbro-Jogginghose und gelbem T-Shirt an der Straßenkreuzung. Er liegt auf dem Bauch, der Kopf mit dem schwarzen Haar auf seinem linken Unterarm, die linke Hand verkrampft. An der Seite breitet sich eine Blutlache aus, auch unter dem Kopf hat sich eine dunkle Pfütze gesammelt, dick wie Lack. Ein Soco-Polizist zieht mit einem abgebrochenen Zweig ein altes Sony-Handy unter dem Kinn des Toten hervor. Die Blitzlichter der Nightcrawler erhellen die Nacht. Nightcrawler – so werden besondere Foto- und Fernsehjournalisten genannt.

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