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Justitia im Rampenlicht

Wer prägte die gefürchtete Korruptionsstaatsanwaltschaft ? Und warum wäre sie, wenn es nach der ÖVP ginge, längst Geschichte ? Ein Blick hinter die Kulissen eines vielsagenden Machtkampfs.

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Fotografie:
Günther Peroutka/WirtschaftsBlatt/picturedesk.com
DATUM Ausgabe April 2021

Die geheimnisumwitterte Anklagebehörde residiert in einem schmucklosen Amtsgebäude in der Dampfschiffstraße am Wiener Donaukanal, in dem auch die Beamten des Rechnungs­hofs ihre Berichte über Steuergeldverschwendung und bürokratische Missstände erarbeiten. Rund 50 Mitarbeiter zählt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Augenblick, inklusive kleiner Außenstellen in Linz, Graz und Innsbruck. Von den 44 Juristen-Planstellen sind derzeit 40 besetzt. Dazu kommen neun Fachleute für Wirtschaftsprüfung, Steuern und Bankwesen sowie vier IT-Experten.

Die Juristen tragen alle den Titel Oberstaatsanwalt, auch wenn sie mit der Oberstaatsanwaltschaft immer öfter nichts zu tun haben wollen. Das ­Titel-Upgrading der Staatsanwälte hat ­einen schlichten pekuniären Grund. Der Umgang mit Wirtschaftsstraf­­­­­­­s­­a­chen ist kein Routinejob und fordert außerordentliches Engagement. Norma­le Staatsanwälte verdienen zu Beginn ihrer Laufbahn 4.300 Euro. Wer als Korruptionsjäger frisch beginnt, darf mit 6.400 Euro rechnen und sich bis 9.000 Euro monatlich steigern. Das sind nicht nur für Staatsdiener ansehnliche Bruttogehälter. Sie sollen die Versuchung reduzieren, auf die Seite der ­Untersuchten zu wechseln, wo die Einkommen ganz andere Dimensionen erreichen.

Die seit Monaten wogende Auseinandersetzung um die Korruptionsjäger droht die Fundamente der Republik ­gefährlich zu verschieben. Sie rüttelt an der strikten Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Justiz. Staatsanwälte verweisen in Zeiten wie diesen mit Nachdruck darauf, dass sie 2008 endlich auch verfassungsrechtlich als › Organ der Gerichtsbarkeit ‹ verankert wurden. Was formalistisch klingt, ist für ihr Selbstverständnis essentiell. Die Staatsanwälte sind damit Teil der unabhängigen Justiz, gleichwertig mit den Richtern, und nicht der hierarchisch organisierten Justizverwaltung zugeordnet.

Am Tisch der Staatsanwaltschaften landete bis vor wenigen Jahren alles : Von der Anzeige gegen den sprichwörtlichen Hendl-Dieb bis zu der gegen einen Politiker, er habe bei Staatsgeschäften mitgeschnitten. Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt sind Korruptionsfälle ab einer Schmiergeldsumme von 3.000 Euro dagegen zwingend ein Fall für die WKStA, wirtschaftliche Verbrechen landen dort ab einer mutmaßlichen Schadenssumme von über fünf Millionen.

Türöffner für die Korruptionsjäger im Talar war nicht plötzliche Reformfreude, sondern internationaler Druck. › Österreich ist 2003 einer UNO-Konvention beigetreten und hat sich zu einer Korruptionsbekämpfung durch unabhängige Spezialisten verpflichtet ‹, erinnert sich Walter Geyer, erster Leiter der Korruptions-Staatsanwaltschaft. Auch der Europarat machte 2008 Druck, drei Experten empfahlen mehr als 20 Verbesserungen im Korruptionsbereich, zu­vorderst eine Spezialisierung der ­Justiz. SPÖ-Justizministerin Maria Berger packte die Gelegenheit beim Schopf und setzte beim Koalitionspartner ÖVP die Gründung einer eigenen Korrup­tions-Staatsanwaltschaft durch.

Die dort tätigen Juristen wurden von Anfang an um ihren Sonderstatus besonders beneidet. Sie konnten weisungsfrei ermitteln und hatten auch keine Berichtspflichten in ›clamorosen‹ Fällen, also Causen, die unter besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit stehen. Erst wenn Anklage oder Einstellung anstanden, war ein Vorhabensbericht zu übermitteln. Dieser ging in der Weisungskette erst an die Oberstaatsanwaltschaft, dann an die Strafrechtssektion und schlussendlich ans Ministerbüro, wo der Ressortchef das letzte Wort hatte. Heikle Verfahren waren bis dahin permanent in Gefahr gewesen, schon während der Ermittlungen per exzes­siver Inanspruchnahme der Berichtspflicht gegängelt oder eingestellt zu werden. Wenn es das Ministerium besonders genau wissen wollte, brauchte es meist gar keine expliziten Weisungen. Karrierebewusste Ankläger wussten das als eindeutiges Signal zu deuten : Weitere Ermittlungen unerwünscht.

Walter Geyer hatte sich daran schon als junger Staatsanwalt gerieben und sich Anfang der 1980er-Jahre einen ­Namen gemacht, als er gegen Ex-SPÖ-­Finanzminister Hannes Androsch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eröffnete. Sein Ruf als unerschrockener Jurist bescherte ihm das Angebot, bei der Gründung der Grünen mitzumachen. Nach einem zweijährigen Abstecher ins Parlament kehrte er in die Justiz zurück und hinterließ als Geburtshelfer der Korruptions-Staatsanwaltschaft nachhaltig Spuren. Im Visier der Ermittlungen standen unter anderem der BZÖ-Landeshauptmann von Kärnten, Gerhard Dörfler, Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser sowie ein Salzburger SPÖ-Landesrat. ›Was mich bis heute erstaunt : Es ist, was uns als Ermittlungsbehörde anging, in allen diesen Fällen politisch total ruhig geblieben. Niemand hat uns oder mir den Vorwurf gemacht, dieser Ex-Grüne verfolgt uns‹, erinnert sich der 73-jährige Korrup­tionsjäger a. D.

Mit den paradiesischen Zuständen war es 2018 schlagartig vorbei. ÖVP-Justizminister Josef Moser nutzte den › Sündenfall ‹ BVT – eine nachträglich vom Gericht als unrechtmäßig aufgehobene Hausdurchsuchung im › Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ‹ – um die WKStA an die Kandare zu nehmen. Ab sofort war bei allen ›bedeutenden Ermittlungsschritten‹, wie in jeder anderen Staatsanwaltschaft auch, von der WKStA nach oben zu berichten. Über geplante Hausdurchsuchungen war das Ministerium zudem drei Werktage vorab zu informieren.

Treibende Kraft hinter dieser juristischen Fußfessel war der selbstbewusste Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek, damals bereits gut ein Jahrzehnt wahrer Hausherr im Palais Trautson, dem Sitz des Justizministeriums. › Pilnacek ist hervorragender Jurist, belesen und beschlagen. Ein Spitzenmann als Strafrechtler und Legist ‹, sagen selbst Kollegen, die ihm kritisch gegenüberstehen. Sein Manko : › Ungezügelte Überheblichkeit und mangelnde Distanz zu Akteuren in Justiz und Polizei. ‹ Gemeint ist damit etwa die Einladung zweier Beschuldigter der Casino-Affäre ins Ministerium. Auch in diesem Fall habe bei Pilnacek die Eitelkeit über die gebotene Zurückhaltung obsiegt.

Sein Gegenüber in der WKStA ist zu diesem Zeitpunkt schon längst eine Frau. Ilse-Maria Vrabl-Sanda hatte, als Wal­ter Geyer 2013 in Pension ging, den Leitungsjob übernommen. Durchaus auch selbstbewusst, aber im öffentlichen Auftreten das Gegenteil des Netzwerkers und Selbstdarstellers Christian Pilnacek. ›Vrabl-Sanda ist korrekt bis in die Fingerspitzen, arbeitet sehr viel und hat auch eine gewisse Frustrationstoleranz‹, sagt ein Spitzenjurist, › ich glaube, dass andere bei dem Druck, den sie als Behördenleiterin der WKStA täglich hat, schon eingegangen wären. ‹

Die 57-Jährige absolvierte eine klassische Gerichtslaufbahn : Strafbezirks­gericht Wien mit simplen Verkehrsstrafsachen. Bezirksgericht Wien-Donaustadt mit Causen quer durch den Paragraphen-Wald. Nach der Kinderkarenz übersiedelt sie 1997 ins › Graue Haus ‹, das Landesgericht für Strafsachen Wien. Als Untersuchungsrichterin erst für Mediensachen zuständig, führt sie dann einige Jahre Vorsitz in Schöffen- und Geschworenenverhandlungen.

Vrabl-Sanda ist kein Charakter, der sich ständig mit Skrupeln plagt : ›Ich habe besonders gern verhandelt : Nach der Hauptverhandlung aufzustehen und ein Urteil im Namen der Republik zu verkünden, das hat mir durchaus Freude bereitet. Man muss entscheiden‹, tat sie jüngst als Gast in einer Online-Vorlesung vor Jus-Studenten kund. Aber die Mutter von drei Kindern reizt einmal mehr eine neue Herausforderung. Als sie › sehr überraschend der Ruf der Oberstaatsanwaltschaft ereilt ‹, lernt sie erstmals jenes System von innen kennen, mit dem sie heute heftige Konflikte hat. › Als Richterin bekam ich eine fertige Anklage der Staatsanwaltschaft auf den Tisch. Mit Weisungen oder der Weisungsspitze hatte ich bis dahin keine Berührung. ‹

Vrabl-Sanda macht ihren Job der Fachaufsicht über die Staatsanwälte ­offenbar zufriedenstellend. 2008 rückt sie zur Stellvertreterin des damaligen OStA-Chefs Werner Pleischl auf. Als der Job frei wird, bewirbt sich die damals knapp 50-Jährige erfolgreich um die Leitung der WKStA. Ihr Selbstverständnis : › Als Leiterin habe ich dafür zu sorgen, dass die Oberstaatsanwälte hier in Ruhe arbeiten können. ‹ Die › einzige Einflussnahme auf die konkrete Ermittlungsarbeit ‹ sei, dass sie › im Rahmen des Mehraugenprinzips ‹ komplexe Fäl­le mit den aktenführenden Referenten bespricht.

In der WKStA sind derzeit rund 200 Causen anhängig, 80 davon Großverfahren wie aktuell die Casino-Causa oder wie zuletzt der Fall Buwog. Die WKStA-Chefin forciert Teamarbeit. › Das ist in vielen Branchen alltäglich, in der Gerichtsbarkeit aber nicht üblich. Das ist ein großer Fortschritt. ‹ Aber : › Husch-husch geht auch hier nichts. Wir leben in einem Rechtsstaat. Die Beschuldigtenrechte wurden ja stark ausgebaut. ‹

Vrabl-Sanda gibt so gut wie nie Interviews, seit Zunahme der öffentlichen Attacken schon gar nicht. Als sie Anfang Dezember des Vorjahrs als Zeugin im Ibiza-Ausschuss geladen ist, hält sie sich mit Kritik aber nicht zurück. Sie beklagt, dass ihre Behörde nicht in Ruhe arbeiten könne : Es gebe nicht nur Dienstaufsichtsbeschwerden gegen ihre Mitarbeiter, sondern es würden auch nicht gerechtfertigte Einträge in die Personal­akten gemacht. Vrabl-Sanda macht auch kein Geheimnis daraus, wo sie die Quelle des Unfriedens sieht : in der Oberstaatsanwaltschaft und im Ministerium.

Ilse-Maria Vrabl-Sanda und Christian Pilnacek lieferten sich nicht nur in Dienstbesprechungen scharfzüngige Scharmützel. Zwischen WKStA und den weisungsgebenden Oberbehörden hagelte es – und das ist einmalig in der heimischen Justiz – auch gegenseitige Anzeigen. Die WKStA-Chefin beschwerte sich kurz nach der umstrittenen BVT-Hausdurchsuchung außerdem schriftlich bei Justizminister Moser, Pilnacek habe bei einer Podiumsdiskussion vor Juristen-Kollegen › Grimassen geschnitten ‹. Während sie am Wort war, › schnaubte er lautstark und drückte körpersprachlich Geringschätzung aus, griff sich ausladend gestikulierend an den Kopf, hielt beide Hände vor sein Gesicht, ließ sich kopfschüttelnd in die Lehne fallen, bewegte eine Hand vor dem Gesicht hin und her und zog damit meine Worte ins Lächerliche ‹. Die Behördenleiterin reagierte nach eigener Darstellung coram publico nicht, um mit öffentlicher Eskalation › das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit nicht noch mehr zu gefährden ‹. Pilnacek dementiert den Vorfall.

Endgültig zerrüttet war das Verhältnis, als bekannt wurde, dass bei einer sehr emotionalen Dienstbesprechung zwischen WKStA und Pilnacek über den Umgang mit der never ending Kriminalstory Eurofighter ein Tonband mitgelaufen war. Das Wortprotokoll schlug auch medial auf. Pilnaceks flapsiger Sager › Dann daschlogt’s es ‹ wurde zum geflügelten Wort und zum Fanal einer Vollbremsung bei politisch brisanten Causen.

Tatsächlich kreiste die Debatte darum, wie man ein jahrelang in der Staatsanwaltschaft Wien verschlamptes, aber hoch komplexes Verfahren in Sachen Abfangjäger-Deal, das die WKStA nun widerstrebend übernehmen sollte, juristisch und ermittlungstechnisch in Teilen noch retten könnte. Vrabl-Sanda nahm an der Unter­redung zwar teil, beteuerte aber intern, vom Tonbandmitschnitt nichts gewusst zu haben. Im Justizpalast ist man in­zwischen überzeugt : Ein junger Oberstaatsanwalt war des herrschsüchtigen Tons leid gewesen, den Pilnacek mit­unter an den Tag legt, und habe die Unterredung deswegen mitgeschnitten. In der Dampfschiffstraße rechneten die Oberstaatsanwälte wochenlang gar damit, dass die Polizei nun bald auch in den Räumlichkeiten der WKStA mit einem Hausdurchsuchungsbefehl einreiten werde – initiiert durch eine offene oder anonyme Anzeige aus dem Dunstkreis ihrer Gegner.

Das Klima war derart vergiftet, dass Ressortchef Moser sein Heil in der Anordnung einer Mediation zwischen allen Konfliktbeteiligten suchte. Zumal auch derjenige, der von Amts wegen dazu berufen wäre, als Puffer zwischen Staatsanwälten und Ministerium zu fungieren, ausfiel : der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs. Der dritte Schlüsselspieler im Justizdrama ist Bindeglied in der Weisungskette zwischen dem obersten Weisungsgeber im Justizministerium, Christian Pilnacek, und dem Adressaten WKStA.

Seinen Aufstieg in der Justiz-Hierarchie hat Fuchs dem guten Job zu verdanken, den er beim Aufbau einer modernen IT in der WKStA gemacht hatte. Als der Leiter der Staatsanwaltschaft ­Eisenstadt unerwartet verstarb, nutzte er diesen guten Ruf, in seiner burgenländischen Heimat auch beruflich Fuß zu fassen. Teilnehmende Beobachter im Palais Trautson berichten, Pilnacek habe seinen Einfluss im Ministerium geltend gemacht, damit Fuchs in der Folge zum Chef der Oberstaatsanwaltschaft aufstieg. › Dort hat sich Fuchs aber zu sehr mit dem Ministerium verbündet, statt seine Leute vor Wünschen und Begehrlichkeiten zu schützen ‹, sagt ein Kollege von Johann Fuchs. › Damit verlagerten sich die Konflikte nach unten, und die WKStA musste sich selber wehren. ‹

Gegner von Vrabl-Sanda wiederum streuen, dass die anhaltend gespannte Beziehung zwischen Oberstaatsanwaltschaft und WKStA eine historische Wurzel auch in beidseitigen Kränkungen bei Personalentscheidungen habe : Auf die Nachfolge von Walter Geyer in der WKStA hatte seinerzeit auch der damalige WKStA-Vize Johann Fuchs gespitzt. Ihm wurde die gelernte Richterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vorgezogen. Fuchs verließ bei nächster Gelegenheit die WKStA Richtung Eisenstadt. Als 2018 der OStA-Leitungsjob frei wurde, hatte sich wiederum auch Vrabl-Sanda beworben. Diesmal ging der Job an Fuchs – wie die Justizfama sagt, unter heftiger Mitwirkung von Christian Pilnacek. Vrabl-Sanda blieb als WKStA-Chefin nicht nur Untergebene des machtbewussten Polit-Adabeis Pilnacek, sie bekam auch noch zusätzlich dessen Du-Freund Johann Fuchs unmittelbar vorgesetzt.

Der neue OStA-Chef, der zuvor nur rund ein Dutzend Juristen zu führen hatte, galt bald nicht nur als mit der Aufgabe überfordert. Er ist in den Augen von Kollegen auch ein schwacher Charakter, der sich gerne an den starken Mann im Palais Trautson, Christian Pilnacek, angelehnt habe. Ein Eindruck, den Fuchs selbst durch einen Auftritt im Ibiza-Ausschuss verstärkte : Justizministerin Alma Zadić hatte Pilnacek im Mai des Vorjahrs als Strafrechts-Sektionsleiter und damit als Chef der ministeriellen Weisungsspitze entmachtet. Fuchs musste auf Befragen zugeben, dass er sich bald ein Jahr danach mit dem längst unzuständigen Pilnacek weiterhin über brisante Akten austauscht. Dem OStA-Chef blieb wohl gar nichts anderes übrig, als das unter Wahrheitspflicht einzugestehen. Denn Pilnacek ist nun selber zum Fall geworden : Dessen Handy, mit dem er wohl auch mit Fuchs kommunizierte, wurde beschlagnahmt und wird forensisch untersucht.

Nach Pilnaceks wurde nun auch das Handy von Johann Fuchs sichergestellt. Ein Bumerang auch für die notorischen Verbreiter der Legende, die WKStA sei eine rote Zelle in der Justiz : Ein begehrliches Auge auf die Kommunikationsgewohnheiten des Chefs der Oberstaatsanwaltschaft Wien hatte nicht die verfemte WKStA, sondern die Staatsanwaltschafts Innsbruck geworfen. Sie un­­tersucht auch die jüngsten Vorwürfe zwie­lichtiger Einflussnahme auf laufende Verfahren gegen Pilnacek und Fuchs.

Das Justizdrama könnte so bald in seine nächste Staffel gehen. Die Rollen sind klarer denn je verteilt : Hier eine junge selbstbewusste Anklagebehörde und deren kämpferische, aber medienscheue Chefin. Dort ein Spitzenjurist, der im Geruch steht, sich zunehmend selbst mit Justitia verwechselt zu haben. Dazwischen ein allzu treuer Diener derer da oben, der im U-Ausschuss mit Aussagen wie dieser aufhorchen ließ : Die Regierungskollegen müssten doch wissen, wenn beim Finanzminister eine Hausdurchsuchung anstehe. Mit dem mythischen Bild der Göttin der Gerechtigkeit, in der einen Hand das Schwert, in der anderen die Waage, dank einer Augenbinde aber blind für äußere Einflüsse, hat das wenig gemein. Diese hehre Vorstellung hat so wohl nie gestimmt.

Dennoch glauben in Politik und Justiz immer mehr daran, dass das Zerrbild, das die heimische Justiz mit bald täglich neuen Facetten hinterlässt, eine Wende zum Besseren bringen könnte. Der erste Chef der Korruptionsjäger, Walter Geyer, wird jedenfalls nicht müde, für einen neuen, unverstellten Blick auf die Justiz zu werben : › Das Grundmissverständnis ist, dass Politiker gewohnt sind, alles durch die Parteibrille zu sehen. Diese Kurzsichtigkeit funktioniert bei der Justiz aber nicht. Wer ins Visier der Ermittler kommt, kann sich die Behörde ja nicht aussuchen. Dass die ÖVP nun seit mehr als 30 Jahren in der Regierung ist und zuletzt auch den Bundeskanzler stellt, führte dazu, dass es in ihrem Bereich vermehrt zu Anzeigen und bei begründetem Verdacht auch zu Ermittlungen kommt. Naturgemäß gibt es Korruption und Missbrauch häufiger dort, wo die Macht wohnt und nicht bei der Opposition. ‹

Wie immer die neue Bundesanwaltschaft konkret aussehen wird, eines dürfte nach jahrzehntelanger Debatte endgültig Geschichte sein : eine Weisungskette für die Staatsanwälte, die im Ministerium und damit bei einem Politiker endet. › Das ist nicht mehr aufzuhalten ‹, sagt ein hochrangiger Justizbeamter. Auch der letzte ÖVP-Justizminister Josef Moser dementiert nicht nur heftig, dass er der WKStA je ans Leder wollte, auch den türkisen Wünschen, der Behörde das Licht abzudrehen, erteilt er eine Abfuhr. Der Ex-Rechnungshofchef ist nämlich überzeugt, dass › bei einer Zerschlagung der WKStA keiner mitspielen würde. Ihre Gründung war ein Meilenstein ‹.

Von der aktuellen Führung des Justizministeriums kamen zuletzt Signale der Unterstützung. Nachdem schon Interimsminister Werner Kogler die dreitägige Berichtspflicht an die staatsanwaltschaftlichen Oberbehörden zurückgenommen hatte, nützte Alma Zadić gleich den ersten Tag nach ihrer Babypause, um › pauschale Angriffe auf die Justiz ‹ zurückzuweisen. Außerdem entzog sie OStA-Leiter Fuchs zumindest › vorübergehend ‹ die Aufsicht der WKStA und kündigte an, dass seine Suspen­dierung geprüft werde. Das sorgte naturgemäß für Erleichterung bei den Korruptionsjägern. Dass die Zeiten je wieder so unbeschwert sein könnten wie in den Gründerjahren unter Walter Geyer, damit rechnet in der Dampfschiffstraße jedoch niemand. •