Klein aber fein

Die Welt gesund und fair ernähren? Das schafft die Landwirtschaft, wie sie heute ist, nicht. Die Reisenbäuerinnen in Niederösterreich wollen sich anders um Menschen und Natur kümmern. Und damit Teil der Lösung sein.

Aus allen Richtungen krabbeln, zirpen und summen Insekten hier am Gemüsefeld in Krumbach, Niederösterreich. Schmetterlinge fliegen in Gruppen über die unzähligen verschiedenen Kulturen: Mangold, Zucchini, Fisolen, Kraut, Erdäpfel. Mittendrin steht die 35-jährige Sarah Reisenbauer und blickt über die rund 4.000 Quadratmeter große Gemüseanbaufläche. Im Folienhaus gedeihen die Kulturen wie Melanzani und Tomaten, die empfindlicher gegenüber dem Wetter sind. Am Feld dahinter wiegen sich Dinkelhalme im Wind, neu gepflanzte Bäume reihen sich an der Grenze von Gemüse- zu Getreidefeld auf. Die Hofkatze Pallas schleicht zwischen den Menschenbeinen herum, bereit, Wühlmäuse zu jagen. Die zweite Katze Athene entspannt währenddessen im Heu direkt vor dem Kuhstall. Mutter und Tochter leben hier am Hof und leiten den Bio-Betrieb. Sarah Reisenbauer, die Tochter der Hofbesitzerin Michaela Reisenbauer, arbeitet am Feld jeden Tag rund drei Stunden, manchmal mehr, manchmal weniger.

Freitags und samstags ist der Raum hinter der Tür voll mit Gemüse. Hier treffen sich die Mitglieder, tauschen sich aus. Manche arbeiten auch mit. 

Hierher nach Krumberg in der Buckligen Welt, wo sie aufgewachsen ist, ist Reisenbauer nach ihrem Doktorat der Technischen Physik wieder zurückgekommen. Sie arbeitet Vollzeit im Home Office für das Austrian Institute of Technology (AIT) und forscht zu Nachhaltigkeit in der Energiewende. Wochenends und vor und nach dem Bürojob kümmert sie sich um Gemüse, Tiere und plant für den landwirtschaftlichen Betrieb. 50 Hühner, zehn Mutterkühe, die nur fressen, was die eigenen Flächen hergeben, das Gemüsefeld, das nicht mal so groß wie ein halbes Fußballfeld ist – wie der Reisenbäuerinnen-Hof aufgebaut ist, entspricht weder dem Trend der globalen noch der österreichischen landwirtschaftlichen Strukturen. Die dort weiterhin herrschende Tendenz zum Wachsen hält der Agrarstrukturbericht Österreichs von 2020 fest. Betriebe mit über 50 Hektar Kulturfläche werden mehr, während die mit kleineren Flächen weniger werden. Das Prinzip „Wachsen oder Weichen“ beschreibt, wie kleinbäuerliche Betriebe sich seit Jahrzehnten gedrängt sehen, entweder mehr Flächen zu bebauen, mehr zu produzieren, um konkurrenzfähig zu bleiben – oder zurück in die reine Selbstversorgung zu gehen und die Landwirtschaft zum Hobby zu machen. Wer keinen der beiden Wege wählt, hat es zunehmend schwer, sich über Wasser zu halten. Betriebe in Österreich bewirtschaften im Schnitt rund 23 Hektar, im globalen Vergleich gehört es damit zur klein strukturierten Landwirtschaft. Durchschnittlich 445 Hektar groß sind Landwirtschaften in den USA, in Deutschland 63 Hektar. Wobei die Größenunterschiede dort laut der letzten Agrarstrukturerhebung 2016 je nach Bundesland sehr unterschiedlich sind: In Mecklenburg-Vorpommern war der durchschnittliche landwirtschaftliche Betrieb 273 Hektar groß, in Bayern nur 36 Hektar.

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