Liebe Leserinnen und Leser!

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Oktober 2025

Dass die liberale Gesellschaft derzeit global unter enormem Druck steht, ist schon keine Neuigkeit mehr. Dennoch hat die Brutalität, mit der Donald Trumps Hofschranzen die demokratischen Institutionen der USA attackieren und aushöhlen, kürzlich noch einmal einen neuen, bestimmt nur vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Der Stil, in dem der von Trump ernannte Vorsitzende der Regulierungsbehörde FCC, Brendan Carr, dem Fernsehsender ABC drohte, sollte er die Late-Night-Show des von Trump seit Jahren beflegelten Entertainers Jimmy Kimmel nicht absetzen, erinnert frappierend an generische Szenen aus italo-amerikanischen Mafia-Filmen: ›Hübsche TV-Station, die Sie da haben. Es wäre doch ein Jammer, wenn ihr etwas zustoßen würde …‹ 

Das sagte Carr zwar nicht wörtlich. Sinngemäß lief seine unverhohlene Drohung, die Lizenzen jener Sender, in denen Trump-Kritiker zu Wort kommen, auf den Prüfstand zu stellen, aber auf genau jene Form von Erpressung hinaus. Und der US-Präsident selbst bekräftigte diese offensichtlich verfassungsfeindliche Drohung auch noch, indem er wenig später vor Journalisten zu Protokoll gab, allzu viel Kritik an seiner Person sei nach seinem Dafürhalten ›illegal‹.

Solche Offenheit hat den Vorzug, das Feld zu bereinigen: Wer jetzt noch allen Ernstes behauptet, er unterstütze die MAGA-Bewegung oder ihre europäischen Verbündeten, weil ihm die Redefreiheit ein ach so großes Anliegen sei, der ist ein für allemal als Lügner entlarvt. Ebenso wie Europas Rechtsradikalen ging es der Trump-Administration nie um ›Free Speech‹. Pluralität der Meinungen sowie das Recht, in Politik und Medien ›alternativ‹ unterwegs zu sein, fordern die Heuchler nur ein, bis sie selbst an den Hebeln der Macht sitzen. Dann soll – zack, zack, zack – gnadenlos gleichgeschaltet werden, wer nicht spurt.

Besorgnis erregend sind auch die verhaltenen ­Reaktionen auf solch unverschämten Machtmissbrauch. Der deutsche CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn etwa relativierte den Vorgang mit dem auch von anderen konservativen Stimmen zu hörenden Argument, die politische Linke sei mit ihrer Cancel Culture doch ganz ähnlich unterwegs.

Das ist insofern falsch, als es bei Trumps ›power grab‹ nicht um den Vorgang des ›Cancelns‹, sondern um das Einreißen der Gewaltenteilung und den autokratischen Durchgriff von oben geht – dass Jens Spahn diesen Unterschied nicht versteht, stellt ihm demokratiepolitisch kein gutes Zeugnis aus. 

Was dagegen zutrifft: Die Hegemonie linker Identitätspolitik im vergangenen Jahrzehnt hat viele Menschen verärgert und vor den Kopf gestoßen, die im gelenkten rechten Backlash nun – zu Unrecht – eine ausgleichende Gegenbewegung erkennen wollen. Bereits 2019 habe ich für dieses Magazin in einem Essay unter dem Titel ›Wer hat Angst vorm weißen Mann?‹ darauf hingewiesen, dass eine sich vom Universalismus verabschiedende Linke, die ihre Feindbilder nach Hautfarbe, Geschlecht oder dem Gebrauch ›verbotener‹ Wörter definiert, den Rechtsextremisten eine Steilvorlage im Kampf gegen die liberale Gesellschaft liefert.

Ich hätte lieber nicht Recht behalten. 

Was gibt es sonst noch Neues? Ach ja, Sie halten die letzte DATUM-Ausgabe in Händen, die ich als interimistischer Chefredakteur verantworten durfte. Es war mir Freude und Ehre, das Schiff fünf Hefte lang auf Kurs zu halten, und ich hoffe, es ist Ihnen zumindest nicht negativ aufgefallen. In der No­vem­berausgabe wird Sie an dieser Stelle meine Nach­folgerin Christina Pausackl begrüßen, ich bleibe DATUM aber weiterhin als Textchef und Kolumnist erhalten.   

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