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Macht und Glaube

Bernhard Bonelli, Kabinettschef von Sebastian Kurz und dessen engster Vertrauter, gilt als konservativer Hardliner. Wie tickt er und was treibt ihn an?

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Fotografie:
Stefan Fürtbauer
DATUM Ausgabe September 2020

Es ist die bislang prompteste Terminzusage aus dem Kanzleramt. Binnen 50 Minuten landen zwei Terminvorschläge in der Mailbox. Mit einer unerwarteten Einschränkung: › Sitze schon recht auf Nadeln wegen der Geburt und sobald das Baby da ist, kümmere ich mich um die Betreuung der anderen Kinder, kann jetzt jeden Tag so weit sein. ‹ Das Treffen mit Bernhard Bonelli muss tatsächlich großräumig verschoben worden. Das vierte Kind der Jungfamilie hatte es eilig. Während der Politbetrieb noch auf Hochtouren lief, nahm sich der Kabinettschef des Kanzlers Anfang Juli drei Wochen Baby-Ur­laub. 

Das war die erste Überraschung vor der Wiederbegegnung mit Bernhard Bonelli. Das erste kurze Kennenlernen liegt nämlich schon drei Jahre zurück. Es fand 2017 im New Yorker Hotel The Benjamin statt. ­Außenminister Sebastian Kurz war hier samt Gefolge für das jährliche politische und mediale Schaulaufen am Rande der UNO-Generalversammlung abgestiegen. Erstmals in der Kurz-Entourage einer, der noch jünger aussieht als sein Chef. Das ist Kurz’ neuer Redenschreiber, so seine Kabinettskollegen. Bonelli nimmt am Mor­­gen nach der Anreise als erster aus dem Kurz-Team im Frühstücksraum Platz. Er wehrt fast schreckhaft das Ansinnen ab, ihm Gesellschaft zu leisten. Die Presseleute des Kanzlers seien schon am Weg und stünden uns Journalisten sicher gerne zur Verfügung. 

Damals sind es gerade noch vier Wochen bis zum Show­down zwischen Noch-SPÖ-Kanzler Christian Kern und Noch-ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl im Oktober 2017. Bernhard Bonelli hätte damals schon mehr zu erzählen gehabt, als die vorgebliche Rolle des Redenschreibers vermuten ließ. Heute ist es common knowledge, dass vom minutiösen Strategieplan für die Machtübernahme in der ÖVP bis zum türkisen Wahlprogramm vieles seine Handschrift trägt. 

Drei Jahre danach ist von Medienscheu nichts mehr zu spüren. Aber es erschließt sich nun besser, wo­her sie damals rührte. Bonelli sieht sich als gebranntes Kind. Der Falter hatte sich angesichts des ersten Auftauchens des Namens Bonelli im Kurz-Umfeld just in den Tagen des New-York-Trips daran erinnert: Zehn Jahre zuvor hatte ein anderer Bonelli als Opus-Dei-Mitglied und Gastgeber eines › Schwulen-Heilers ‹ medial laut aufgeschlagen.

Bernhard Bonelli fühlt sich, ohne es so zu formu­lieren, dafür gleich doppelt in Sippenhaft genommen. Der engste Kanzlervertraute hieß bis zu seiner Hochzeit Adamec. Den Familiennamen seiner Frau Natalie Maria hat er angenommen, weil er schon von der Alliteration her mehr hermache: Bernhard Bonelli, vormals Adamec.

Und: Der einst ins  Falter-Visier geratene, angeheiratete Cousin habe längst einen Schlussstrich unter dieses Kapitel in seinem Leben gezogen. Bernhard ­Bonelli will selber nur noch so viel dazu sagen: › Zur Institution Opus Dei habe ich keine Beziehung. Aber diese mediale Punze kriege ich offenbar nicht mehr weg. Ich werde es auch überleben. ‹

Dass er abseits dessen freilich in vielem anders tickt als die meisten seiner Vorgänger im Vorzimmer der Macht, daraus macht Bonelli alles andere als ein Hehl. In seinem Büro sticht als erstes ein schlichtes Metallkreuz und eine ungewöhnliche Wanduhr ins Auge. Statt zwölf Zahlen zeigen zwölf Porträts immer die vol­le Stunde an. Allesamt Menschen, die Bonelli inspirierend findet: Historische Leitbilder wie George Wa­sh­ing­ton und Winston Churchill; katholische Heilige wie Thomas Morus und Niederösterreichs Landespatron Leopold; Ikonen der Zeitgeschichte wie John F. Kennedy und Martin Luther King; Idole der Neokonservativen wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher.

Ins Büro des Kanzlers führt auf schnellstem Wege eine unauffällige Tapetentür. Bruno Kreisky taufte dieses mit dunklem Holz getäfelte, ausladende Büro ­et­was  abfällig › Zigarrenkistl ‹. Im Kanzleramt firmiert es bis heute als › Kreisky-Zimmer ‹, zumal es die meisten seiner Nachfolger wegen seiner düsteren Schwere mieden. 

Es ist kein Zufall, dass Kurz den symbolträchtigen Raum wieder in Beschlag nahm und nur behutsam modernisierte. Bernhard Bonelli schrammt an der Kitsch-Grenze, wenn er das tägliche Kommen und Gehen im Kreisky-Zimmer beschreibt: › Es ist wirklich mein Traumjob. Ich kann in einem Team arbeiten, wo alle mehr oder weniger Freunde sind, wo ich mich mit allen gut verstehe. Das ist einfach ein großes Geschenk. Solange ich das machen darf, werde ich es machen. ‹ 

Sebastian Kurz wird ein untrügliches Gespür dafür nachgesagt, was die Österreicher gerne hören wollen. Bernhard Bonelli ist einer, der bei politischen Fragen fürs Erste gerne in die Tiefe geht. Sebastian Kurz besticht durch sein Kommunikationstalent, Bernhard Bonelli durch seine umfassende Bildung. Beider biografischer Hintergrund: aufstiegsorientiertes Kleinbürgertum. Bonellis Vater arbeitete viele Jahre bei Siemens, Kurz’ Vater bei Philips; beide Mütter als Lehrerinnen. Nur Politik war bei den Adamec’ weder zu Hause noch in der Schule, einer HTL, ein Thema. Zur Jungen ÖVP und der schwarzen Schüler-Union zog es den Tee­nager Bernhard, weil diese in seinen Augen die besseren Partys im niederösterreichischen Korneuburg schmissen. 

Mit 18 macht er sein erstes ÖVP-Rhetorikseminar. Ein Mentor empfiehlt das junge Talent im Frühjahr 2001 als Schülervertreter für den ORF-Sonntagsabend-Talk › Betrifft ‹. Die Runde ist mit ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und FPÖ-Jungstar Karl-Heinz Grasser hochkarätig besetzt. Bei der Eingangsmoderation schnappt der Schüler dem Finanzminister dessen geplanten Thesensatz zu den Folgen von Österreichs EU-Betritt weg: › Mit der Gemütlichkeit ist es vorbei. Jetzt müssen wir uns anstrengen. ‹ 

Das passt perfekt in den Zeitgeist der Ära Schüssel. Von da an geht es mit Bonelli in der ÖVP-Schülerunion steil bergauf: Schulsprecher, NÖ-Landessprecher, Bundesgeschäftsführer. Weil er das angehäufte Minus in der Kassa rasch saniert, heißt Bonelli von da an › Grasser der Schülerunion ‹. Der › Schüssel ‹ der Schülerunion ist Philipp Maderthaner, heute Kampagnenleiter der Kurz-Wahlkämpfe. Auch die heutigen Ministerinnen Raab und Aschbacher sind, noch unter ihren Mädchennamen Knasmüller und Kowald, mit von der Partie.

› Ich habe mich wie jeder andere HTL-Schüler bis dahin wenig für Politik interessiert und daher immer organisatorische Rollen gehabt ‹, resümiert Bonelli: › Das inhaltliche Interesse ist erst durch Seminare in der NÖ-ÖVP und Alpbach entstanden. ‹

Die Talente-Börse in den Tiroler Bergen stand auch Pate für den Beginn einer nachhaltigen Freundschaft – ungewollt arrangiert von Beate Meinl-Reisinger, Neos-Chefin mit ÖVP-Wurzeln. Als Präsidentin des NÖ-Ablegers des Club Alpbach hatte sie sowohl Sebastian Kurz als auch Bernhard Bonelli eines Stipendiums für die Teilnahme am Nachdenker- und Netzwerker-Treffen für würdig befunden. Kurz, 19, hat soeben das Bundesheer hinter sich und bereits mehr seine Karriere in der Jungen ÖVP als sein Jus-Studium im Auge. Der drei Jahre ältere Bonelli zwei­felt gerade an der Sinnhaftigkeit seines Studiums für Bauingenieurwesen an der TU Wien. Die beiden wissen zwar vage voneinander. Persönlich kennen lernen sie sich aber erst bei der Alpbach-Stipendienausgabe – und verständigen sich spontan auf eine Fahrgemeinschaft nach Tirol. 

Wie wird aus einer mehrstündigen Autofahrt eine dicke Freundschaft? › Wir waren beide auf derselben Wellenlänge. Er war damals auf Bezirks- und dann auf Landesebene in der JVP unterwegs. Ich habe immer faszinierend gefunden, wie er es anlegt, die nächsten Schrit­te vorzubereiten und mit den Menschen eine gu­te Beziehung aufzubauen. ‹ Und: › Es ist immer schwieriger, wenn man in einem Konkurrenzverhältnis zueinander wäre. Aber das war bei uns nie der Fall. ‹ 

Bonelli tauchte in der Tat erst mehr als ein Jahrzehnt danach auf der schwarzen Vorderbühne auf. Beim Machtwechsel von Mitterlehner zu Kurz übernahm er als einer der Letzten 2017 erstmals einen Fixplatz im innersten Kreis der Türkisen. 

Tatsächlich aber steht er Sebastian Kurz von allen engen Mitarbeitern am längsten nahe und wohl auch am nächsten. Im Gefolge von Alpbach sehen die beiden einander bald alle ein, zwei Wochen auch privat. Kurz ist sein Trauzeuge, als Bernhard Adamec 2013 in die Familie Bonelli einheiratet. Die Bonellis sind eine traditionsreiche Großfamilie, die Musiker, Ärzte und Künstler hervorgebracht hat. In konservativen Kirchenkreisen hat sie vor allem aus einem Grund einen klingenden Namen. Der Name Bonelli taucht oft dort auf, wo sich Katholiken als besonders papsttreu, aber vom innerkirchlichen Zeitgeist an den Rand gedrängt fühlen. Etwa im Sender Radio Maria oder in Aktivistengruppen zum › Schutz des Lebens ‹. 

Dem Kanzler-Adlatus wird nachgesagt, er unterstütze die umstrittene Petition ›FairÄndern‹, die das Erschweren von Abtreibungen zum Ziel hat. Bonelli dementiert das. Inhaltlich will er zum Anliegen der Initiatoren, die sich mit dem Wohlwollen von Christoph Schönborn und Norbert Hofer schmücken, nicht mehr als diesen knappen Satz sagen: › Ich bin dafür, Mut zu machen, dass Menschen Kinder auf die Welt bringen können. ‹ 

Über sein Verhältnis zu Religion und Kirche ist er bereit, mehr preiszugeben: › Ich versuche, ein gutes Leben zu führen. Ich gehe am Sonntag in die Kirche und habe ein einigermaßen regelmäßiges Gebetsleben. ‹ Denn: › Für mich ist der Glaube eine große Kraftquelle, die alltäglichen Dinge in eine richtige Perspektive zu setzen. Mein Religionslehrer in der HTL hat das sehr einfach formuliert: Jeder hat etwas, was für ihn das Höchste ist im Leben. Die Familie kann man verlieren, Freunde kann man verlieren. Wenn es Gott ist, kann man das nicht verlieren. ‹

Bei kirchenpolitischen Fragen bricht wieder die Sorge vor der Opus-Dei-Punze durch. Welchem Papst fühlt er sich näher: Dem regierenden Franziskus oder dem resignierten Benedikt? › Sowohl als auch: Es ist sowohl das Pastorale wichtig als auch das Intellektuelle. ‹ Was hält er von Zölibat und Frauenpriestertum? › Das ist Sache der Kirche. Für mich steht die Spiritualität im Mittelpunkt. ‹ Abseits der Flucht in Worthülsen überrascht Bonelli dann aber einmal mehr – mit einem persönlichen Bekenntnis, das bei vielen genau umgekehrt lauten würde: › Bei mir ist der Glaube erst viel durchs Verstehen im Laufe des Studiums gekommen. ‹

Bernhard Adamec hat sich vor seiner Einheirat in den streng katholischen Familienclan auch in seiner Ausbildung radikal neu orientiert. Nach HTL und zwei Jahren Technik-Uni sattelt er auf ein als brotlos verschrienes Studium um: Philosophie. Sein Motiv: › Ich habe bald gemerkt, technische Pläne zeichnen ist auf Dauer nicht meines, weil es mir keine Freude mehr bereitet hat. Bei meinem ersten Seminar über Heideggers »Sein und Zeit« war das anders. Da ging es um ganz grundsätzliche Fragen auf höchstem intellektuellem Niveau. Auch, wenn ich anfangs kein Wort verstanden habe, habe ich mir gesagt, na super, da bin ich richtig. Da war wirklich Euphorie. ‹

Bei einem Auslandssemester in Washington lernt er Alma Zadić, eine Bekannte aus Alpbach-Tagen, die zeitgleich in New York studiert, besser kennen: › Wir sind seither befreundet. ‹ Bonelli hält trotz Sebastian Kurz’ Allergie gegen Peter Pilz, auf dessen Liste Zadić dann kandidierte, mit seinem ungebrochenen Wohlwollen für sie nicht hinterm Berg: › Ich hätte mir zwar nicht gedacht, dass sie ins Politische einsteigt, habe mich aber sehr für sie gefreut, dass sie reingekommen ist. ‹ Über das Wiedersehen als grüne Ministerin sagt er: › Es ist eine Spur angenehmer zu verhandeln, wenn man sich besser kennt. ‹

Mit Kurz verbindet Bonelli karrieretechnisch während seines Philosophiestudiums vor allem, dass ihn › große Reden sehr beschäftigen ‹. Während sich der ältere Freund in die Welt von Plato bis Karl Marx vertieft, klettert Kurz in der alten ÖVP behände die Karriereleiter hoch. Die entscheidenden Reden an den Weggabelungen seiner Karriere stammen alle aus der Feder von Bernhard Bonelli. 

Da ist es wieder, das reichlich untertriebene Bild des Redenschreibers von Sebastian Kurz. Die Vorstellung, die Bonelli von Anfang an davon hatte, kommt der Wirklichkeit heute am nächsten. Eines der › großen Vorbilder ‹ des gelernten Philosophen ist nämlich jemand, ohne den John F. Kennedy nicht zu einem Idol geworden wäre. Bernhard Bonelli bewundert seit Studententagen Kennedys Berater und Redenschreiber Ted Sorensen, der auch noch Barack Obama bei dessen Antrittsrede als US-Präsident zur Hand ging. Über seinen Job als Chefberater bei Kennedy soll Sorensen mit totalem Understatement gesagt haben: › Ich war im Raum, wenn er an einer Rede gearbeitet hat. ‹ 

Bonelli, der bei seinen ersten Rhetorikseminaren auf Ted Sorensen stieß, schwärmt von ihm bis heute: › Er hat mich sehr fasziniert. Er ist bei Großereignissen wie der Berlin-Rede immer gleich hinter Kennedy gestanden. Das war damals mein Bild, wie ich mich selber gesehen habe. Das war die Figur, die mich am meisten inspiriert hat. ‹ 

Kenner des Innenlebens der türkisen Regierungstruppe malen ein schärferes Bild: An der Spitze Sebastian Kurz als CEO der Türkis-AG, in seiner Vorstandsriege allen voran Kabinettschef Bernhard Bonelli, Politberater Stefan Steiner, Wirtschaftsberater Markus Gstöttner und Medienbeauftragter Gerald Fleischmann. Die türkisen Minister agieren im Regierungsalltag im Rang von Abteilungsleitern – entlang der Order aus dem Kanzleramt. 

Das Rüstzeug dafür hat sich Bonelli bei der bislang letzten großen Wende auf seinem Lebensweg erworben. Schon seine Abschlussarbeit über Wirtschaftsphilosophie (› Der Begriff des Unternehmers bei Friedrich Hayek ‹) signalisiert die Richtung. Die Beratungsriesen McKinsey und Boston Consulting (BCG) setzen bewusst auf eine Prise Querdenker in ihren Teams. Bonelli bewirbt sich erfolgreich bei beiden und entscheidet sich für BCG. Nach ersten Jobs in der Telekom- und Medienbranche ermöglicht ihm das Unternehmen ein Masterstudium an der IESE Business School in Barcelona. 

Die IESE hat es zuletzt wiederholt auf Platz eins der europaweiten MBA-Studiengänge im Ranking des Economist geschafft, der der Bigotterie unverdächtig ist. Aber es ist ausgerechnet Opus Dei, das bis heute stolz die Gründungsgeschichte dieser Universität für sich reklamiert: › Die Universität von Navarra und das IESE sind Initiativen von Angehörigen des Opus Dei. ‹ Da ist sie also wieder, die hartnäckige Punze vom katholischen Geheimbund. 

Für Bonelli nur eine Legende, die nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun hat: › Von den 280 Studenten in meinem Jahrgang waren vielleicht ein Drittel Katholiken, und fünf oder zehn Studenten haben ihren Glauben ernst genommen. Die IESE Business School ist keine Opus-Dei-Universität, sondern gehört zur Universität Navarra, einer Körperschaft öffentlichen Rechts in Spanien, und wurde in Partnerschaft mit der Harvard Business School gegründet. ‹ Sie sei eine der renommiertesten Wirtschaftsuniversitäten in Europa mit dem Hauptfokus auf Führungskräfteentwicklung, so Bonelli weiter. › Neulich habe ich mit Stefan Wallner darüber gesprochen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Erste Bank auch Kurse an der Uni absolviert hat. ‹

Eine zweifache Botschaft, die des Kanzlers rechte Hand damit absetzen will. Stefan Wallner ist nicht nur sein neues Vis-à-vis als Kabinettschef bei Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. Er kommt aus der diametral anderen Ecke des Katholizismus als Bonelli. Der Ex-Geschäftsführer der Grünen hatte seine Karriere in der Caritas begonnen: ein › Herz-Jesu-Sozialist ‹, wie es in konservativen Kirchenkreisen bis heute gerne tönt.

Ein potentielles Spannungsfeld, das am Ballhausplatz freilich noch nie spürbar wurde. Im Gegenteil: Die beiden machtbewussten Pragmatiker wissen of­­fen­­bar, wo die Schmerzgrenzen des anderen liegen, und können bisher ausnehmend gut miteinander. › Bonelli ist einer, der nicht schreit oder sich im Ton vergreift, wie andere im Team ‹, so ein teilnehmender Beobachter, › er gibt höflich, aber bestimmt vor, was gerade Sache ist. Alle wissen, was er sagt, ist mit Kurz abgesprochen und gilt. ‹

Das türkise Mastermind hat sich so auch bei seinen grünen Partnern im Regierungsalltag Respekt verschafft. › Er ist nicht eitel, bewältigt ein Riesen-Arbeitspensum sehr smart ‹, so der Tenor: › Er ist machtbewusst, seinem Ruf als Superkonservativer gibt er bei der Arbeit bisher aber null Nahrung. ‹

Ein Eindruck, den auch Weggefährten Bonellis aus Studientagen verfestigen. › Er hat weltanschaulich eine klare Haltung, aber drängt sie niemandem auf. Er geht sehr respektvoll mit anderen Meinungen um, es macht Spaß, mit ihm zu diskutieren. ‹ Und: › Er hat eine un­­gewöhnliche Ausgeglichenheit. Es bringt ihn nichts aus der Ruhe und er sucht immer, einen Konsens zu erzielen. ‹

Unter Kurz-Exegeten ist die Diskussion bis heute nicht entschieden, ob der Integrationsbotschafter von gestern, heute aber stark ins Blaue schielende Rechtspopulist mehr an Agenda hat, als seine Macht zu verfestigen. 

Was aber ist aus Sicht seines › Alter Ego ‹ Bernhard Bonelli die türkise politische Agenda? 

Er lässt sich nur zwei vage Visionen entlocken. › Den Menschen mehr Freiheit und weniger Bürokratie zu ermöglichen. ‹ Und: › Dass im sozialen Bereich die Systeme treffsicherer werden, aber bestehen bleiben. ‹ 

Ob Margaret Thatcher, die er als Inspirationsquelle auf seiner Büro-Uhr verewigt hat, damit ausreichend Freude hätte? 

Die Ära der neuen Hausherren im Kreisky-Zimmer ist vergleichsweise noch kurz. Thatchers Stunde schlägt auf der Uhr im Vorzimmer der Macht erst am späten Nachmittag. •